Originaltitel: 9 Songs
Großbritannien, 2004
Laufzeit: 69 min
Dieses Review wurde 2006 verfasst.
Die amerikanische Studentin Lisa, die sich für ein Jahr in London aufhält, lernt Matt bei einem Rockkonzert kennen. Die beiden verlieben sich; und sie erleben hocherotische und zärtliche Stunden voller Leidenschaft und Sex.
Wie... Inhaltsangabe zu kurz? Nö; durchaus nicht. Das wars nämlich auch schon; rein inhaltlich. Um mal einen Aphorismus des ollen Siggi Freud zu missbrauchen : Manchmal ist ein Film einfach nur ein Film. So simpel.
Man könnte vielleicht einen Bezug zu "9 ½ Wochen" hineinintepretieren. Das würde Winterbottoms Werk aber nicht ganz gerecht. Zugegeben: mit der Sinnfrage tue ich mich schon ein bisschen schwer. So recht konnte ich keinen entdecken, auch eine finale Aussage fehlt. Aber das ist halt mal was anderes und ganz erfrischend zwischenrein. Warum der Film allerdings in Cannes umjubelt und mit Preisen bedacht wurde, entzieht sich meinem Verständnis völlig. Die Hauptdarstellerin Margo Stilley sagt in einem Interview (welches bei den Extras zu finden ist), 9 Songs wäre ein Arthouse-Film. Das scheint mir nun aber doch übertrieben. Ein Erotikfilm: ja. Ein Musikfilm: ja. Aber ein Kunstfilm? Ich denke eher nicht; dafür ist er dann doch etwas zu banal.
Die Szenerie bewegt sich zwischen zwei Orten: einer Konzerthalle und Matts Appartement. In den Konzerten sehen wir die titelgebenden 9 Songs. Dabei sind teilweise recht illustre Bands vertreten. Black Rebel Motorcycle Club, The von Bondies, Elbow, Primal Scream, The Dandy Warhols, Super Furry Animals und Franz Ferdinand sind mit von der Partie. Zwischen den Liedern sind wir Zeuge von Lisas und Matts Liebes- bzw. Sexleben. Und das wird tatsächlich äußerst explizit dargestellt. Ich mußte mich mehrmals davon überzeugen, daß auf dem DVD-Cover wirklich die FSK16 Freigabe steht; so ganz kann ich es immer noch nicht glauben.
Ok, zugegeben; wer behauptet, die Kriterien der FSK für ihre Freigaben wirklich zu durchschauen, der lügt. Aber was einem hier geboten wird, hätte sogar ich mit einer KJ belegt. Bei den Liebesspielchen der beiden Protagonisten fehlt nichts, was in einem Porno nicht auch geboten wird. Sicherlich, die "Verachtung der Würde", die einem Porno allgemein nachgesagt wird, fehlt hier; deswegen wahrscheinlich auch die niedrigere Freigabe. Dennoch, die gezeigten Bilder und Praktiken sind eindeutig, nicht retuschiert und die Kamera ist sich auch für Nahaufnahmen nicht zu schade.
Damit ich richtig verstanden werde: ich verurteile das nicht! Ich wundere mich nur über die Freigabe. Auf der anderen Seite läßt das Hoffnung auf mehr Liberalität für die Zukunft in der Freigabepraxis aufkommen. Und vielleicht schaffen wir es ja eines Tages doch, diese selbsternannte Geschmackspolizei ganz aufzulösen.
Zurück zum Film. Wie aus dem beiligenden Booklet zu erfahren, sind die Dialoge größtenteils reine Improvisation. Wenn dem wirklich so ist, dann haben es die Schauspieler gut gemacht, denn das fällt nicht auf. Allerdings ist lustvolles Stöhnen auch nicht gerade Dialog, nicht wahr? Trotz allem, man hat sich Mühe zu geben, einen erotischen Film zu machen, ohne dabei allerdings billig zu wirken. Und das ist schon anerkennenswert. Was mich alllerdings etwas gestört hat ist die Tatsache, daß es in England wohl immer noch hip ist, sich Lines zu ziehen. Hätten die Protagonisten mal einen Joint geraucht würde das gar nicht weiter stören und sogar noch ins Bild passen. Aber, mein lieber Herr Winterbottom, Kokain ist völlig out.
Die DVD von Sony (respektive Stardust) präsentiert den Film in ordentlicher Bild- und Tonqualität. Beim Bild konnte man im Prinzip auch nicht viel falsch machen: der Streifen wurde mit DV gedreht und bei etwas über einer Stunde Laufzeit (ein Schelm, wer bei den 69 min böses denkt ) stellt sich die Frage nach Kompressionsverlusten nicht. Auch der Ton ist gut gelungen. Die Konzertausschnitte stechen dabei deutlich heraus. Kein Wunder, wurde der Ton der Livemitschnitte doch direkt von den Mischpulten abgenommen.
Als Extras gibt es Interviews mit den beiden Darstellern und dem Regisseur, eine Fotogalerie und den unvermeidlichen Trailer. Geht so.
Was mich an der Scheibe allerdings verwundert: das Menu ist auf französisch. Seltsam, bei einem englischen Film . Vielleicht wollte man damit den "Cannes-Arthouse-Charakter" (wie auch das offizielle Filmplakat suggeriert) irgendwie unterstreichen. Vielleicht ist aber auch nur eine Schrulligkeit. Wer weiss das schon.
Fazit:
Durchaus kontrovers. Über die Sexszenen mag man trefflich diskutieren, die Musik ist allerdings gut gelungen und fügt sich auch schön ein. Einzig das Blabla über die Antarktis hätte man sich meiner Meinung nach schenken können. Es bringt den Film weder vorwärts, noch trägt es zur eigentlichen Handlung bei.