A very British one - The worlds of Hammer

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Shadow
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Re: A very British one - The worlds of Hammer

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The shadow of the cat (Schatten einer Katze)

Erstaufführung: 01. Mai 1961
Laufzeit: 78 Minuten
Regie: John Gilling

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Inhalt:
Die alte Lady Ella fällt einem durch Geldgier getriebenen Mordkomplott, eingefädelt von ihrem eigenen Ehemann, zum Opfer. Man vergräbt die Leiche und gibt sowohl der Polizei als auch der eben angereisten Nichte Beth an, die alte Dame sei verschwunden und niemand wisse, wo sie ist. Als noch weitere Verwandte eintreffen, erhärtet sich bei Beth’s Freund Michael der Verdacht, daß an der Geschichte mit der Vermißten etwas nicht stimmt.
Und er hat auch recht; der Mord wurde nämlich beobachtet: Tabatha, Ellas über alles geliebte Katze, hat das Verbrechen beobachtet und beginnt nun einen subtilen Rachefeldzug auf Samtpfoten gegen die Verschwörer…



"The shadow of the cat" war der erste von Hammer produzierte Thriller, der im Fahrwasser von Hitchcocks “Psycho” gleiten wollte. Dementsprechend gruselig steigt der Streifen nach den anfänglich verwirrenden credits (Hammer legte sich hier als Produktionsfirma den Tarnnamen B.H.P. zu. Warum dieses und was die Abkürzung zu bedeuten hat (British Hammer Productions?) entzieht sich meiner Kenntnis) auch ein: Ella, die vermögende alte Dame, liest ihrer Katze Tabby gerade aus Edgar Allan Poes „Der Rabe“ vor, als sie von einem zunächst Unbekannten, den wir aber gleich als ihren Diener Andrew identifizieren können, gemeuchelt wird. Die Katze Tabby beobachtet das Geschehen und gibt Fersengeld, bevor Andrew, Hausherr Walter und die Dienerin Clara die Leiche verscharren. Was dann aber folgt ist eine kongeniale Achterbahnfahrt zwischen Thriller, Gruselfilm und einer derart rabenschwarzen Komödie, wie es nur die Briten hinbekommen.

Die Mörder haben die Katze natürlich bemerkt und versuchen nun alles, sie aus dem Verkehr zu ziehen – doch das erweist sich als äußerst schwierig. Der Stubentiger scheint fast übernatürliche Sinneswahrnehmungen zu haben und ist den Bösen stets einen Schritt voraus. Und sie läßt die Mörder auch spüren, daß sie Bescheid weiß; so schaltet sie Laufe des Films einen nach dem anderen aus, auf wahrhaft hinterfotzige Art und Weise :devil: . Einzig zu Nichte Beth ist sie nett und ganz die schnurrende Liebheit in Person, die sich auch für Ella war. Es scheint, als ob Tabby ein gesteigertes Interesse daran habe, die wahren Gründe des Mordkomplotts, ein geändertes Testament von Ella, aufzudecken.

Die Katze selbst, so weiß es eine Anekdote zu berichten, war dabei nur ausgeliehen. Im Laufe der Dreharbeiten büchste sie jedoch aus und man suchte ein ihr ähnlich sehendes Tier, das dann im Anschluß an die Besitzerin „zurück“gegeben wurde. Angeblich hätte die Frau den Tausch nie bemerkt. Ansonsten verliefen die Dreharbeiten im Winter 1960 aber ohne weitere Zwischenfälle.

Auf den Regiestuhl setzte man John Gilling, der hier seine erste Arbeit für Hammer ablieferte (fünf weitere sollten noch folgen). Auch im Rest der crew tauchen eher ungewöhnliche Namen auf, die man nicht mit Hammer verbindet. Die Ausnahme bildet Roy Ashton, Hammers Mann für Makeup und Special-FX.

In der weiblichen Hauptrolle der Nichte Beth sehen wir Barbara Shelley, die „First Leading Lady of British Horror“, einen Beinamen, den sie nicht zu Unrecht trägt. Den für Fans vielleicht bekanntesten Auftritt als Anthea legte die Londonerin ein knappes Jahr vorher in dem Film „Village of the Damned“ (Das Dorf der Verdammten) hin, der heutzutage schon längst zu den Klassikern des Genres zählt. Hier spielt sie also nun die brave Nichte, die ihrem alten Onkel nichts Böses zutraut und sich im Laufe der Handlung mehr und mehr eines Besseren belehren lassen muß.
Als ihr Freund Michael tritt Conrad Phillips auf, der als polizeibegleitender Reporter als erster Verdacht schöpft und auch aus dem Verhalten der Katze die richtigen Schlüsse zieht. Natürlich braucht die Polizei Beweise für die Theorie des geänderten Testaments und glaubt vor allen Dingen die Geschichte mit der rachsüchtigen Katze nicht, sodaß er sich zunächst darauf beschränken muß, Beth vor etwaigen Angriffen der anderen zu schützen.
Die Mordbuben sind anfangs nur ein Triumvirat. Zum einen der großartige Andre Morell als Walter, der Kopf des Planes. Morell, uns noch bestens als Watson aus The hound of the Baskervilles bekannt, spielt den anfänglich eiskalten und dann von Verfolgungswahn getriebenen Patriarchen mit großer Überzeugungskraft, auch wenn er die meiste Zeit seiner screentime im Bett liegend verbringt. Als eigentlicher Mörder und späteres erstes Opfer der Katze ist Andrew Crawford als Diener Andrew zu sehen, der den undurchsichtigen, griesgrämig-finsteren Hausangestellten die passende Tiefe gibt: eine Type, der man von Anfang an nicht so recht über den Weg traut, selbst wenn man nicht wüßte, daß er ein Mörder ist. Seine Frau (so vermute ich) Clara wird dargestellt von Freda Jackson, die ihrer Typisierung aus The Brides of Dracula treu bleibt und ebenfalls recht un-vertrauenswürdig auftritt.
Die übrigen Familienmitglieder, die Walter gezwungenermaßen in seine Pläne einweiht, spielen eigentlich nur mit, damit die Bude voller wird und die Katze mehr zu tun hat. Da tritt auf Richard Warner, der ebenfalls in „Village of the Damned“ mitwirkte, als Walters Bruder Edgar, der nach und nach seine eigenen Pläne entwickelt. In seinem Schlepptau hat er seinen Sohn Jacob, dargestellt von William Lucas, der als ehemaliger Insasse von Dartmoor dazu bestimmt wird, nach Andrews Tod die Katze endgültig aus dem Weg zu schaffen. Jacob schließlich hat noch seine Frau Louise dabei, gespielt von Vanda Godsell, der wir drei Jahre später als Madame LaFage in „A shot in the dark“ wiederbegegnen. Hier nun spielt sie die anfänglich kühle Lady, die aber im Laufe der Zeit mehr und mehr einen Horror vor der unheimlichen Katze schiebt und dann einfach nur weg will (natürlich läßt sie ihr Mann, der mittlerweile auch die große Kohle riecht, nicht; ein Fehler, wie sich zeigen wird).

Der in den Bray Studios gedrehte Film lebt von seinen ruhigen Kameraeinstellungen, wobei es auch einige „spezial-shots“, die die Sicht der Katze darstellen, zu bewundern gibt. Ansonsten ist hier eher weniger der typischen Hammer-Grusel-Atmo zu finden, was dem Streifen aber keinesfalls zum Nachteil gereicht. Die wenigen wirklichen gruseligen Einstellungen funktionieren dennoch und ansonsten ist der geneigte Rezipient ohnehin mehr darauf aus, das „Gib’s ihnen, Tabby!“-Fähnchen zu schwenken und hat einen Heidenspaß dabei zu beobachten, was sich das Vieh wohl als nächstes für eine fiese Falle ausdenkt. :eat:

Trotz der stimmigen Mischung wurde der 81.000 Pfund teuere Streifen an den Kinokassen eher mäßig aufgenommen. Zwar kein Reinfall, aber eben von einem Blockbuster auch weit entfernt. Aus heutiger Sicht, zumindest für mich, eigentlich verwunderlich.


Fazit
"The shadow of the cat" ist einer von Hammers Filmen, bei denen ich einfach nicht verstehe, warum er nicht schon längst wenigstens auf DVD vorliegt. Leider war das Aufnahme-Tape, das ich ansah, auch schon recht abgenutzt und an vielen Stellen hätte mich ein klareres Bild gefreut. Solange aber die Label hier nichts weiter unternehmen, bleibt dieser Film ein seltenes und gesuchtes Stück; was ich schade finde, denn diese Perle darf nicht dem Vergessen anheimfallen und sollte unbedingt einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden! Die Mischung bei diesem Steifen paßt und so häufig habe ich bei einem Hammerfilm noch nie gelacht.

Update 2023: Zwischenzeitlich gibt es den Film in der "Hammer Box Vol. 6" als Blu Ray Limited Edition vom UK Label Indicator und wohl auch als DVD UK-Import, letztere allerdings zu Mondpreisen. Wer also die Indicator-Box zu einem vernünftigem Preis abstauben kann, sollte dies unbedingt tun. Ein bessere Chance, an diesen Film ranzukommen, wird es wohl so schnell nicht mehr geben.


P.S. in diesem Falle noch ein "Special post scriptum", die Hauptdarstellerin:

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Re: A very British one - The worlds of Hammer

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Paranoiac (Haus des Grauens)

Erstaufführung: 15. Mai 1963
Laufzeit: 77 Minuten
Regie: Freddie Francis

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Inhalt:
Auf der Beerdigung ihrer Eltern will Eleanor Ashby ihren Augen nicht trauen: Ihr Bruder Tony, der sich vor vielen Jahren in selbstmörderischer Absicht von einer Klippe gestürzt hat und dessen Leichnam nie gefunden wurde, steht leibhaftig vor ihr. Im Gegensatz zu Eleanor ist ihr Bruder Simon gar nicht erfreut, das totgeglaubte Familienmitglied wiederzusehen, denn der will das Erbe seiner Eltern nicht mit einer weiteren Person teilen. Und die Anzeichen häufen sich, daß der Fremde gar nicht der ist, der er vorgibt zu sein…


… und, um das vorwegzunehmen, ist er es auch nicht. Aber diese Wendung, die eigentlich keine ist, war dem Kinobesucher selbst damals wohl schon nach ein paar Filmminuten klar. Aber das macht eigentlich gar nichts, denn der Streifen bietet noch einige andere Wendungen und Überraschungen, die nicht vorherzusehen waren.

Nachdem der tote Klavierspieler schon recht gut beim Publikum angekommen war, entschloß man sich bei Hammer, diesem Trend zu folgen und die Schiene der Psychothriller weiter auszubauen. So griff man also auch bei Paranoiac zunächst auf Altbewährtes zurück: das Drehen in schwarz-weiß (zwecks der Stimmung), wenigstens ein Familienmitglied, das dem Wahnsinn nahe scheint und dessen Irrsinn von den anderen auch bewußt forciert wird und mehrere storyimmanente Wendungen, die unmöglich vorauszusehen waren und plötzlich alles in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen. Eigentlich generell die Grundrezepte für einen erfolgreichen Thriller, zumal das Thema „Fremder taucht als verschollenes Familienmitglied wieder auf und wird der Erbschleicherei verdächtigt“ in den 60er Jahren ohnehin en vogue war.

Dieses Thema, beziehungsweise die Erweiterung desselben, hat man mit diesem Streifen ganz hervorragend hinbekommen. Obwohl als deutscher Titel „Haus der Irrsinnigen“ besser gepaßt (aber wahrscheinlich zu viel verraten) hätte. Die Geschichte, mal wieder von Jimmy Sangster geschrieben, ist schlicht genial konstruiert und wartet mit immer neuen Fallen auf. Zunächst werden die Figuren nach Schema F etabliert: die psychotisch gestörte Eleanor (der der Selbstmord ihres Bruders vor acht Jahren immer noch zu schaffen macht), die strenge Tante (die nach dem tödlichen Unglück der Eltern die Erziehung übernommen hat), der saufende Bruder (der alles andere als ein gutmütiger Trinker ist und der dem Zuschauer von Haus aus nicht ganz geheuer vorkommt) und schließlich noch die Pflegerin von Eleanor (mit französischem Akzent und einem irgendwie hinterfotzigen Gesichtsausdruck; mit anderen Worten: ihr trauen wir noch weniger als dem Alkoholiker-Bruder, der ganz offensichtlich das komplette Erbe antreten will). Hinzu kommt dann noch ein akkurater Vermögensverwalter, der im saufenden Bruder schlicht einen pöbelhaften Alki sieht und dessen Sohn, der wiederum eine ganz spezielle Beziehung zum saufenden Bruder hat. Letztlich dann noch der totgeglaubte Sohn, eigentlich ein Fremder, der aber immerhin Eleanor aus ihren Depressionen herausreißt.
Aus diesen Personen webt Sangster ein kompliziertes Gespinst von Beziehungsgeflechten, die von Abhängigkeiten über Betrug bis hin zu inzestuösem Verhalten (der Stachel im Fleisch der BBFC) führen. Es muß aber auch festgehalten werden, daß die Idee für diesen Reigen des Wahnsinns nicht originär von Sangster stammt. Die Geschichte ist eine, wenn auch sehr lose, Adaption von Josephine Teys Roman „Brat Farrar“, dessen Rechte Hammer bereits 1954 erwarb.

Für die Regie wurde Freddie Francis ausgewählt, der in der Vergangenheit bereits als Kameramann seine Qualitäten unter Beweis stellte. Wie sich herausstellte, eine durchaus gute Wahl, denn Francis brachte neben einem Gespür für stimmige Inszenierung auch noch das Gefühl für den richtigen Blickwinkel mit. Dies läßt sich besonders in einigen Szenen beobachten, die mit speziellen Linsen gedreht sind und so den Blick des Betrachters auf das Bildzentrum schärfen, während die Ränder zunehmend unscharf werden. Eine fast klaustrophobische Sichtweise, die allerdings manchmal auch etwas übertrieben wirkt.

Unter den Schauspielern sticht in besonderem Maße Oliver Reed in der Rolle des Trinkers Simon Ashby hervor. Der Mime liefert hier eine hervorragende Leistung ab und seine Darstellung wirkt in jeder Einstellung stimmig. Mich persönlich hat nur etwas angestoßen, daß Simon offensichtlich unfähig ist, halbwegs vernünftig Auto zu fahren. Das kann aber auch an der Rolle liegen; zum einen ist er meist betrunken, zum anderen ist ein Jaguar E-Type auch nicht gerade das am leichtesten zu lenkende Vehikel. Von diesen Randerscheinungen abgesehen ist Reeds Charakter aber sicherlich der vielschichtigste und über lange Strecken undurchschaubarste.
Die strenge und ebenfalls recht unangenehm scheinende Tante Harriet wird von Sheila Burell gespielt. Die filmisch eher selten in Erscheinung tretende Aktrice verdiente ihr Geld hauptsächlich mit Auftritten in TV-Serien und war zuletzt 2005 in der ultralanglebigen Serie „Emmerdale Farm“ zu sehen.
Eleanor wird von der in diesem Streifen eher unscheinbaren Janette Scott dargestellt, deren Figur zwar eine tragende Rolle in der Geschichte einnimmt, die aber auch insgesamt am wenigsten ausgeleuchtet wird. Scott trat zuletzt 1967 in der Komödie „Bikini Paradise“ im leading part auf, danach war es 40 Jahre lang still um sie. Erst 2008 hatte sie wieder einen Filmauftritt: in der Komödie „New York für Anfänger“ spielt sie neben so illustren Namen wie Simon Pegg, Megan Fox und Gilian Anderson.
Als letzte Hausbewohnerin tritt dann noch Liliane Brousse als Pflegerin Francoise auf. Die Schauspielerin war in insgesamt nur 12 Filmen zu sehen. Nach Paranoiac arbeitete sie ein Jahr später erneut für Hammer, diesmal drehte sie unter Michael Carreras „Maniac“. Nach einem wiederum einem Jahr später folgenden Auftritt in einem Fantasystreifen wurde es still um sie.
In weiteren Rollen sehen wir als Tony den Franzosen Alexander Davion, der drei Jahre später noch einen Auftritt in einem Hammer-Streifen absolvierte. Auch ein bekanntes Gesicht ist Maurice Denham als Vermögensverwalter Kossett.

Die stimmigen Innensets wurden wieder einmal in den Bray Studios zusammengebaut, obwohl deren Unterhalt mittlerweile eine teuere Angelegenheit war. Für die Außenaufnahmen wich man diesmal auf Isle of Purbeck in Durset aus, wo man das gute Wetter während der Drehzeit im Hochsommer 1962 zu nutzen wußte.

Natürlich gab es auch bei diesem Film wieder Schwierigkeiten mit der britischen Zensurbehörde; ein leidiges Thema. Wie oben erwähnt, hatten die Moralapostel enorme Bedenken wegen des angedeuteten Inzests, weshalb hier einige Szenen geändert werden mußten. Auch bei den locations hatten die Herren etwas auszusetzen. Die Idee, daß einige shocking-Handlungsteile in einer Kapelle spielen sollten, gefiel ihnen gar nicht und sie schlugen deshalb eine Art Familiengruft vor. Dies wäre aber einem Überraschungsgag im Film zuwieder gelaufen und so konnte sich Hammer mit einer verwitterten Hauskapelle schließlich durchsetzen, allerdings ohne Anzeichen des Christentums: Kreuz und Altar mußten weichen.


Fazit
Paranoiac ist zweifellos ein Kleinod unter den Thrillern. Der Streifen wartet nicht nur mit einer spannenden Geschichte auf, die bis zum (meiner Meinung nach etwas abrupten) Ende interessant bleibt, er weist auch schon Grundzüge späterer Genres wie des Giallo oder des Slashers auf. Von diesen horriblen Einlagen abgesehen bietet er eine psychologisch tiefe Story, die an keiner Stelle langweilig wird und an den Bildschirm fesselt. Gewürzt mit atmosphärisch dicht inszenierten Bildern ist dieser Genre-Mix aus Thriller, Gruselfilm und Krimi für den Filmfreund allemal mehr als nur einen Blick wert.
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Re: A very British one - The worlds of Hammer

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The damned (Sie sind verdammt)

Erstaufführung: 19. Mai 1963
Laufzeit: 95 Minuten
Regie: Joesph Losey
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Inhalt:
Der Südenglandurlaub des Amerikaners Simon Wells wird zu einer unangenehmen Angelegenheit, als er von einer Rockerbande unter der Leitung von King ausgeraubt und zusammengeschlagen wird. So kommt er jedoch in Kontakt mit der Bildhauerin Freya, die im abgelegenen Strandhaus ihres Bekannten, des Wissenschaftlers Bernard, arbeitet. Bernard wiederum arbeitet unbekannterweise in einem geheimen Labor unterhalb seines Hauses, wo er seit neun Jahren eine Gruppe von Kindern unter Ausschluß der Öffentlichkeit großzieht. Bewacht wird das Labor vom Militär unter Leitung von Major Holland, der das gefährliche Projekt schon fast mit pathologischer Verschwiegenheit behandelt.
Als Wells noch einmal mit dem Mädchen Joan zusammentrifft, die ihm den Ärger eingebracht hat, bringt er die ganze Rockergang Kings gegen sich auf. Sie fliehen in das Strandhaus, bleiben dort aber nicht unentdeckt. Als es zum Konflikt kommt, flüchten Joan und Simon in das Militärgelände, und werden letztlich unterhalb der Klippen von den Kindern aus dem Wasser gerettet. Rockerboß King, der den beiden gefolgt ist, landet ebenfalls in dem Labor mit den Kindern. Was sie nicht wissen: die Kinder sind ein Experiment über das Überleben der Menschheit nach dem Atomkrieg und strahlen tödlich radioaktiv...



"These are the damned", wie der Film mit vollem Titel heißt, ist ein weiterer Ausflug Hammers in die Science-Fiction, der allerdings sehr wirklichkeitsnah umgesetzt ist und daher auf den ersten Blick wie ein gesellschaftskritisches Drama erscheint. Die ganze Szenerie ist auch eher darauf ausgelegt, Phänomene der Jetzt-Zeit mit einem gruseligen Einschlag zu zeigen, so daß sich der Streifen noch am ehesten in die „mad scientist“-Ecke stellen läßt. Regisseur Losey, mittlerweile vom Vorwurf des Kommunisten-Kollaborateurs befreit, verfilmte hier eine Geschichte nach dem Roman von H.L. Lawrence, die einem ob ihrer Realitätsnähe das Fürchten lehrt. Besonders das harte und jegliche Hoffnung zerstörende Ende trägt einen guten Teil dazu bei, die Zuschauer mit einem mulmigen Gefühl aus den Kinosälen zu entlassen.

Dabei stand die Verfilmung zunächst unter dem Stern der Streiterei um das bestmögliche Drehbuch. Dieses wurde ursprünglich von Anthony Hinds geschrieben, stellte Losey aber nicht zufrieden, weswegen er seinen eigenen Autor Barzman hinzuzog. Mit diesem aber zerstritt er sich bald, weshalb Evan Jones das Eisen aus dem Feuer holen mußte. Hammer war von dieser ständigen Umschreiberei nicht begeistert, lies Losey aber gewähren. Der konnte zwar weitere seiner ihm vertrauten Mitarbeiter in das Projekt einbringen und sogar das Gesamtbudget um satte 25.000 Pfund überziehen, mußte sich aber dann bei den Schauspielern geschlagen geben – die wurden ihm vom Studio vorgegeben.

Das war aber gar nicht mal die schlechteste Wahl, im Gegenteil. In der Hauptrolle des amerikanischen Touristen Simon ist MacDonald Carey zu sehen, der trotz seines eher schottisch klingenden Namens tatsächlich gebürtiger Amerikaner aus Sioux City in Iowa ist. Der eher im TV zu findende Carey macht seine Sache recht gut, auch wenn seine Rolle desöfteren arg ins Klischee abdriftet.
Ihm zur Seite, in der Rolle der Rockerchef-Schwester Joan, ist Shirley Ann Field zu sehen. Der Engländerin, die schon 1960 an der Seite von Kalle Böhm in „Peeping Tom“ stand, gebührt dabei die Auszeichnung der „deutlich parlierendsten Akteurin“ des Films, von mir höchstpersönlich vergeben. Aber auch rein schauspielerisch kann sie ihrer Figur gut eine charakterliche Tiefe verleihen, die ihre Person zwischen gelangweilter junger Dame und sich von ihrem Bruder verfolgt fühlendes Mädchen pendeln läßt.
Dieser Bruder, Rockerboß King, wird verkörpert von Oliver Reed. Dessen darstellendes Talent ist auch in diesem Streifen über jeden Zweifel erhaben, wobei ihm seine Rolle natürlich entgegenkommt. Der Vergleich mit Alex, dem Böse-Buben-Boss aus „A clockwork orange“ drängt sich einen beim Ansehen förmlich auf. King ist aber nicht nur besser gekleidet als seine Bandenmitglieder (die tragen das übliche Lederoutfit, er hingegen Krawatte und Tweedjacket), auch sein Hang zur Bosheit, einfach weil es ihm gefällt, wird deutlich. So wird er in einer Szene von der Künstlerin Freya gefragt, wie er nur so grausam sein kann. Seine Antwort:“I enjoyed it, my dear lady“ – wohlerzogen und frech zugleich.

Die weiteren Hauptdarsteller sind zum einen die Schwedin Viveca Lindfors als Künstlerin Freya, die zunächst durch ihren harten englischen Dialekt auffällt. Die vielbeschäftigte Akteurin trat in 140 Filmrollen auf und eine ihre letzten Rollen war die der Archäologin Catherine Langford in Roland Emmerichs „Stargate“. In The damned spielt sie eine unabhängige Künstlerin, die etwas merkwürdige Plastiken und Statuen schafft.
Zum anderen ist da noch Alexander Knox als Wissenschaftler Bernard, der sich im Film selbst als „public servant“ bezeichnet und nach außen hin den Anschein des kleinen Beamten erweckt, der eben eher zufällig für ein streng geheimes Militärprojekt der Regierung arbeitet. Der Kanadier wirkt dabei immer recht überzeugend und offenbart die wahre Persönlichkeit seiner Rolle erst nach und nach; bis hin zum schockierenden Filmende, bei dem, soviel kann man verraten, die Bösen triumphieren.

Und genau das macht diesen Streifen so sehenswert – „there is no hope at the end of the day“. Die engstirnige Einstellung des Chefwissenschaftlers führt letztlich zu einer Tragödie, die für den amerikanischen Markt fast noch geändert worden wäre. Man befürchtete, daß die MPAA mit dem Charakter des Wissenschaftlers so nicht einverstanden wären und drehte sogar noch einen alternativen take, der aber glücklicherweise nicht zum Einsatz kam. So ist das ausgesprochen düstere Ende bis heute in seiner ursprünglichen Form zu sehen, was ein wenig wundert, bedenkt man, daß der Film in der Hochzeit des kalten Krieges entstand und trotzdem ganz entschieden die Frage aufwirft: Wie weit darf die Wissenschaft eigentlich gehen? Nach diesem Streifen zu urteilen offenbar grenzenlos, ein gefährlicher und abstruser Gedanke.

Durch die Budgetüberschreitungen kamen die Gesamtkosten des Films am Ende auf etwas mehr als 170.000 Pfund, eine stolze Summe. Regisseur Losey wollte aber unbedingt noch einige recht spektakuläre Hubschrauberszenen unterbringen, und sowas kostet halt nun mal. Auch die Außenaufnahmen, diesmal im Badeort und Küstenstädtchen Weymoth, sowie an den Steilküsten von Portland Bill (beides in der Grafschaft Dorset) mußten bezahlt werden. Das Endergebnis rechnet sich aber, denn die Atmosphäre des einerseits sonnigen Südens von England und andererseits die kühl anmutende, laborartig fremde Bunkerwelt der Kinder wirkt sehr stimmig.


Fazit
Ein absolut sehenswerter Film wird uns hier von Hammer geboten, der nur wenig mit den bis dato von den Briten veröffentlichten Stoffen zu tun hat. Aber gerade das macht ihn so interessant und er wirkt im direkten Vergleich mit anderen Schwarzweiß-Produktionen des Studios viel größer. Auch die Tatsache, daß hier die Elemente des Phantastischen fast gänzlich in den Hintergrund treten und eine Geschichte erzählt wird, die sich justamente wirklich so zutragen könnte, hebt den Film heraus. Obwohl er einige Längen gerade bei den Dialogen in puncto „Zwischenmenschliches“ aufweist, ist er ansonsten grandios und der interessierte Fan sollte ihn sich keinesfalls entgehen lassen.
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Re: A very British one - The worlds of Hammer

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Maniac (Die Ausgekochten)

Erstaufführung: 20. Mai 1963
Laufzeit: 86 Minuten
Regie: Michael Carreras
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Inhalt:
Die 15jährige Annette Beynat wird auf dem Heimweg vergewaltigt. Ein Freund beobachtet dies und ruft ihren Vater zu Hilfe. Dieser nimmt blutige Rache an dem Täter und ermordet ihn in blinder Wut mit seinem Schneidbrenner, wofür er als gemeingefährlicher Wahnsinniger in einer Nervenheilanstalt eingesperrt wird.
Vier Jahre später kümmert sich nun seine Frau Yvonne um ihre Stieftochter Annette. Gemeinsam betreiben sie ein abgelegenes Gasthaus in der Camargue. Alles ändert sich jedoch, als der amerikanische Maler Jeff Farrell dort nach einem Streit mit seiner Exfreundin absteigt. Zunächst flirtet er mit Annette, doch dann fängt er eine Beziehung mit ihrer Stiefmutter an. Gemeinsam hecken Sie einen Plan aus. Sie wollen Yvonnes Ehemann Georges zur Flucht aus der Anstalt verhelfen. Im Gegenzug soll er das Gasthaus auf seine Frau überschreiben und untertauchen. Die Flucht gelingt, doch Georges hat andere Pläne.



Man könnte, wenn man wollte, die Kritik zu diesem Film in nur einem Satz zusammenfassen: Just another Hammer-Thriller, written by Jimmy Sangster. Im Prinzip wäre damit eigentlich alles gesagt, doch ganz so einfach wollen wir es uns ja nun doch nicht machen. Trotzdem fällt eine ausführlichere Rezension dieses Streifens nicht leicht, wie sich im Folgenden darstellen wird.

Ursprünglich lag das Drehbuch zu Maniac bereits Mitte 1961 fertig vor und der Film wurde im darauffolgenden Jahr gedreht, noch vor Paranoiac. Trotzdem kam er erst nach diesem in die Kinos, wenn auch nur unwesentlich danach. Warum dies so war, darüber herrscht Schweigen. Würde ich spekulieren, meinte ich, daß Hammer Paranoiac vielleicht für die bessere Arbeit hielt und mit diesem die Publikumsreaktionen auf diese Stoffe erst einmal testen wollte. Da es aber vorher schon andere Thriller gab, zieht dieses Argument nicht. Vielleicht wollte Michael Carreras als Sohn des obersten Hammer-Chefs auch einfach nicht, daß er der Bevorzugung verdächtigt würde und ließ daher erstmal anderen den Vortritt. Man sieht schon, es ist knifflig. Vielleicht waren die Gründe aber auch viel banaler, schließlich führe ich als Erstaufführungsdatum immer das Premieredatum, unabhängig vom PremierenLAND an. Und hier zeigt sich der Unterschied: während Paranoiac in den USA Premiere hatte und erst im Januar 1964 in Großbritannien veröffentlicht wurde, ist es bei Maniac umgekehrt – dessen Premiere fand in GB statt und er startete im Oktober 1963 in den USA.

Als Regisseur wurde, wie erwähnt, Michael Carreras eingesetzt. Und dies zeigt auch gleich einen eklatanten Schwachpunkt des Films auf. Michael war eigentlich ein Produzent und obwohl er das Filmgeschäft durch die Arbeit mit seinem Vater von der Pike auf kannte, gehört zu einem Regisseur halt auch etwas mehr – nämlich künstlerisches Talent und ein Auge für Bildkompositionen. Michael lieferte hier seine erste Regiearbeit für Hammer ab und hat sich damit, zumindest meiner Meinung nach, verhoben. Normalerweise lebt ein Thriller von „engen“ Einstellungen, die das Gefühl von Beklemmung und Angst noch verstärken sollen und die vom script vorgegebene Handlung unterstützen. Carreras stattdessen aber ergötzt sich geradezu am widescreen-Format und nutzt dies fast folgerichtig für zwar sehr schöne, aber die Handlung nicht voranbringende Landschaftsaufnahmen aus. Für einen Doku- und Naturfilmer wäre das eine klasse Arbeit, bei einem Thriller erscheint es mir eher fehl am Platze und riecht nach Füllszenen, was wiederum eine dünne Handlung vorgaukelt. Dem ist aber nicht so, Sangsters Drehbuch ist recht gelungen und folgt dem vertrauten Schema: Bösewicht – böse Tat – Zuschauer glaubt, Bescheid zu wissen – mehr Bösewichter – noch eine böse Tat – Zuschauer hat alles durchschaut – völlig überraschender, aber in sich logischer plottwist – Zuschauer ist überrascht. Das System funktioniert mal wieder, kann ich nur konstatieren.

Obwohl sich unter den Schauspielern niemand finden mag, der besonders hervorsticht, machen sie ihre Sache doch alle anständig genug, um ihre Rollen glaubhaft darzustellen. Als der amerikanische Künstler und Lebemann Jeff tritt Kerwin Matthews auf, dessen hoher Nikotinkonsum sogar einem Raucher auffällt. Der ehemalige Lehrer trat schon einmal bei Hammer auf (Pirates of Blood River]) und spielte vorher bereits den Sindbad im Klassiker „The 7th voyage of Sindbad“. Die dort auftretenden Monster und Figuren wurden ja bekannterweise von Special-Effects-Guru Ray Harryhausen entworfen und inszeniert. Diese Special-FX waren es, die Matthews überhaupt erst zum Film brachten und es muß für ihn eine große Freude gewesen sein, mit seinem Idol zusammenarbeiten zu dürfen.
Der weibliche Hauptpart ist zweigeteilt. Zum einen sehen wir Nadia Gray als Eve, die Frau des angeblich verrückten Mörders. Die gebürtige Rumänin konnte zu diesem Zeitpunkt schon auf 58 Filmauftritte zurückblicken und agiert daher routiniert; man kauft ihr die Rolle der eiskalten femme fatale bis zum überraschenden Ende hin jederzeit ab.
Stieftochter Anette wird von der geheimnisvollen Liliane Brousse gespielt, die wir schon aus Paranoiac kennen. Geheimnisvoll deshalb, weil es fast unmöglich ist, genaueres über die Schauspielerin herauszubekommen. In ihrem vorletzten Filmauftritt darf sie jedenfalls mal die Gute spielen; zwar wirkt sie aufgrund ihres Äußeren immer etwas undurchsichtig und geheimnisumwittert, hier ist ihre Rolle aber klar definiert und bleibt stringent.

In weiteren Rollen taucht zum einen George Pastell als Inspecteur Etienne auf. Diesmal weder mit Glatze noch dunkel geschminkt, dafür aber permanent Hut tragend, mimt er den mißtrauischen Polizisten, der schließlich das ganze Ausmaß des Planes erkennt und zusammen mit einem Insider aufdeckt.
Als der „Maniac“ schließlich, Eve’s Mann Georges, ist Donald Houston zu sehen. Der Waliser, dessen letzter Filmauftritt als „Acrisius“ im fabelhaften „Kampf der Titanen“ (natürlich dem Original) stattfand, spielt die Rolle des vermeintlich Irren mit gehörig Verve und einem Hang zum Overacting, was besonders in der üblichen „Der Bösewicht erklärt sein Verbrechen und seine Motive“-Szene zum Tragen kommt. Seltsamerweise wurde der Mime nach-synchronisiert, was vielleicht eine kleine Erklärung für das overacting ist.

Obwohl ein Großteil des Films in den MGM-Studios in Borehamwood in der Grafschaft Hertfordshire entstand, sind die Landschaftsaufnahmen mehrheitlich in Frankreich entstanden. Man fuhr dafür, der Geschichte entsprechend, tatsächlich in die Camargue, wo sich einer Anekdote nach Kerwin Matthews in seinen späteren Lebenspartner Tom Nicoll verliebte, mit dem er bis zu seinem Tod 2007 zusammenbleiben sollte.

Fazit
"The Maniac" ist ein gradliniger Thriller, der, Sangster-typisch, fast am Ende des Films mit noch einem twist daherkommt, der so nicht vorhersehbar war. Die Zeit bis dahin ist einerseits mit einem spannenden Aufbau gefüllt, der andererseits aber auch stellenweise zu lang und banal gerät. Bis die Geschichte richtig in Fahrt kommt, dauert es etwas und man hat zugegebenermaßen etwas Mühe, am Ball zu bleiben. Wenn man aber die ersten 40 Minuten durchsteht, wird man vom Finale und dem Finale nach dem Finale wieder versöhnt. Im Rückblick bleibt dann ein guter Film, der nur etwas gestrafft hätte werden müssen, um in Hammers obere Liga aufzusteigen.
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Re: A very British one - The worlds of Hammer

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Kiss of the Vampire (Der Kuß des Vampirs)

Erstaufführung: 11. September 1963
Laufzeit: 85 Minuten
Regie: Don Sharp

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Inhalt:
Auf ihrer Hochzeitsreise durch Europa landet das junge Paar Gerald und Marianne auf dem Maskenball eines Schlossherrn, der sich als Anführer einer Vampirsippe erweist. Dieser hat es auf die schöne Marianne abgesehen und entführt sie. Gemeinsam mit Vampirjäger Professor Zimmer will Gerald dem Vampir ein für allemal das Handwerk legen und seine Braut aus dessen Fängen retten.


Erneut wendete man sich bei Hammer den Geschöpfen der Nacht zu. Nach den Erfolgen von Dracula und dem inoffiziellen Nachzügler The brides of Dracula wollte James Carreras das Thema weiter ausbauen und gab bei Anthony Hinds ein weiteres Vampir-Skript, sozusagen ein „Dracula 3“, in Auftrag. Hinds hatte erkannt, daß es für einen guten Vampirfilm weder einen Dracula noch einen van Helsing brauchte und schrieb unter seinem Pseudonym John Elder selbst ein weiteres Drehbuch – heraus kam The kiss of the vampire. Hierzu wollte Hinds auch gleich eine Idee recyceln, die schon bei Dracula’s Bräuten im Gespräch war, dann aber auf Intention von Peter Cushing wieder entfernt wurde: die Vernichtung der Vampire durch andere böse Mächte, in dem Fall durch Vampirfledermäuse.

Am Anfang überrascht uns der Film durch den Einsatz eines Oldtimers, der trotzdem in die Zeit zu passen scheint, ist es doch mehr ein motorisierter Kutschenwagen als ein wirkliches Automobil. Wir befinden uns also im ausgehenden 19. Jahrhundert und so ein Gefährt ist in manchen Gegenden eine Sensation. Witzig allerdings dann der Grund der Panne unseres Hochzeitspärchens: ihnen geht schlicht der Sprit aus – mitten im Wald natürlich. Hieraus entspinnt sich dann der Handlungsfaden, das Pärchen bezieht zunächst Unterkunft im örtlichen Grand Hotel (wobei dieser Begriff eher schmeichelhaft für die gezeigte Dorfherberge ist). Erst dann beginnt die eigentliche Vampirgeschichte um Dr. Ravna und seine Spießgesellen.
Auffallend ist hierbei die Vermischung zweier Storyelemente: zum einen die klassische Vampirgeschichte, zum anderen erweist sich der Vampirclan aber auch als eine okkultistische Sekte, die Dr. Ravna als Meister tituliert und sich auch sonst recht vampir-untypisch verhält. Einzige Ausnahme bilden Ravnas Sohn und die zur Vampirin gemachte Tochter des Hotelbesitzers, die als richtige Vampire auftreten – neben Oberbösewicht Ravna selbst. Das gibt dem Ganzen eine neue Richtung; die Blutsauger sind nicht rein auf Nahrungssuche oder Rache beschränkt wie bisher, sie wollen ihre Kultur, die sie der christlichen überlegen sehen, etablieren. Ihr einziger Gegenspieler (der wohl auch als einziger weiß, was wirklich hinter all dem steckt) ist Professor Zimmer, quasi der van Helsing Ersatz.

Als Regisseur engagierte man Don Sharp, der vorher noch nie einen Horrorfilm gesehen hatte (und das ist für einen zu diesem Zeitpunkt 40jährigen schon bemerkenswert) und sich daher zunächst einmal von Hinds ein paar Hammer-Horrorfilme vorführen lies. Ihm gefiel zwar einerseits war er sah, er erkannte allerdings auch schnell, daß das Studio versuchte, die jeweils vorhergehenden Filme zu toppen, indem man an der Gewaltschraube drehte. Er schlug vor, für diesen Film einen etwas anderen Weg zu gehen, nämlich die Gewalt nur anzudeuten um dann im Finale mit voller Wucht zuzuschlagen. Das gefiel auch Hinds und so wurde am 7. September 1962 mit den Dreharbeiten begonnen.

Für die männliche Hauptrolle holte man wieder Edward de Souza, der den part des Gerald auch gut ausfüllt. Mann hatte mit ihm ja schon Erfahrung in Phantom of the Opera gemacht; nun sollte er eine Rolle übernehmen, in der er vom einfachen Ehemann zum Kämpfer mutiert. Obwohl de Souza diese Verwandlung trefflich gelingt, habe zumindest ich gewisse Schwierigkeiten damit, ihm das völlig abzukaufen. Zweifellos schuldlos daran, hat der Schauspieler einfach zu weiche Gesichtszüge, die im krassen Gegensatz zu manchen Charakterzügen der Rolle stehen. Aber das ist nur eine Nebensächlichkeit, in Summe macht er seine Sache recht gut.
Ihm zur Seite steht Jennifer Daniel als Marianne. Die Blondine, die später viel in Fernsehserien auftrat, wirkt als junge Ehefrau recht glaubhaft obwohl ihre Handlungsweisen, sicher dem script geschuldet, manchmal etwas merkwürdig anmuten (z.B. die Spionage im Hotelzimmer). Dennoch kauft man ihr das arme Hascherl, das in die Fänge des Bösen gerät, ab.

Der Böse ist in diesem Fall Noel Willman als Dr. Ravna. Der gebürtige Ire verkörpert den part des eleganten und eloquenten Obervampirs mit genau der richtigen Mischung aus Charme und Bosheit, obgleich seine böse Seite eher lau wirkt (im direkten Vergleich zu den Herren Dracula und Meinster zumindest). Das kann natürlich aber auch wieder am script liegen, schließlich ist er ja eher Herr einer Sekte denn ein Fürst der Blutsauger.
Ihm zur Seite stehen Barry Warren als Sohn Carl Ravna und Jacquie Wallis als Tochter Sabena Ravna. Während Warren, der übrigens ein Jahr zuvor in Lawrence of Arabia gleich drei Rollen einnahm (zwei britische Offiziere und einen arabischen Scheich), mit Carl noch eine recht aktive Rolle hat – immerhin darf er neue „Mitglieder“ mit seiner hypnotischen Klaviermusik verführen – beschränkt sich die Rolle der Sabena eher darauf, schmückendes Beiwerk zu sein und höchstens zur Ablenkung der Männer eingesetzt zu werden.
Das Gegengewicht zu dem Vampirclan ist Clifford Evans als Professor Zimmer. Der Mime, den wir noch aus The curse of the werewolf als Don Alfredo kennen, kann seine Vampirjägerrolle hier gänzlich anders anlegen als der klassische van Helsing. Zimmer ist ein grantelnder, trinkender Schrat, der zwar wissenschaftlich beschlagen ist, aber auch ein persönliches Hühnchen mit Dr. Ravna zu rupfen hat; immerhin ist seine Tochter der Vampirsekte zum Opfer gefallen und er mußte ihr persönlich einen Spaten (diesmal nicht einen Pflock) ins Herz rammen, um sie zu erlösen.

Die Nebenrollen werden besetzt von Peter Madden als Hotelier Bruno, der aus „Draculas Bräute“ bekannten Vera Cook als seine Frau Anna und schließlich Isobel Black als deren Tochter Tania, die in die Fänge des Clans geriet und nun, Ravna völlig hörig, ebenfalls auf dem Schloß lebt. Black ist im Übrigen, gegensätzlich zu ihrem Namen, der Quoten-Redhead dieses Films.

Die Drehorte sind (natürlich) wieder Bray Studios und der gern genutzte Black Park. Die Dreharbeiten endeten kurz vor November 1962 und der geneigte Leser wird sich nun wundern, warum der Film erst so viel später in die Kinos kam. Der Grund war wieder einmal, man fragt sich seufzend „Wen wundert’s“, die BBFC. Diesmal dauerte der Kampf mit den Zensoren monatelang aber allem Anschein nach gewann das Studio diesmal; zumindest lehne ich mich mit dieser Behauptung mal aus dem Fenster, denn der Film enthält einige deftige Szenen: die Schaufel-in-die-Tote-rammen und das sichtbare Ausbrennen eines Vampirbisses seitens Professor Zimmers sind zwei solcher blutigen Sachen, die enthalten sind. Die Schlußsequenz, als Horden blutgieriger Feldermäuse über die Vampire herfallen hat es ebenfalls noch in sich, sowohl was das blutige Gemodder als auch das Zeigen von unzüchtig viel nackten Frauenbeinen – bis rauf zum Hintern – angeht. Natürlich, aus heutiger Sicht nach wie vor völlig harmlos, dürfte das aber das erzkonservative Board gehörig auf die Palme getrieben haben.
Dafür wurden die Zensoren dann wieder mit bunten Kostümszenen entschädigt, begleitet von einer von James Bernard eigens komponierten Walzermusik (diese Szenerie der tanzenden Pärchen beim Maskenball sollten übrigens später Roman Polanski als Inspiration für seinen „Tanz der Vampire“ dienen).


Fazit
Der Kuß des Vampirs, der als solcher im Film komischerweise nicht vorkommt, ist ein gelungener Vampirstreifen, der sich nicht im Schatten des großen „Dracula“ verstecken muß, sondern sehr gut eigenständig betrachtet werden kann. Von schwülstig über romantisch, von kitschig bis gruselig ist vom düsteren Beginn über die atmosphärische Mitte bis zum passabel getricksten aber guten Ende alles dabei, was der Fan mag. Der Erfolg des Streifens mag vielleicht auch dazu beigetragen haben, daß sich Christopher Lee, nachdem er gesehen hat, es geht auch ohne ihn, für den nächsten Vampirfilm von Hammer wieder das Cape umstreifte und in erneut in seiner Paraderolle auftrat.
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Shadow
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Re: A very British one - The worlds of Hammer

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The old dark house (Das alte finstere Haus)

Erstaufführung: 30. Oktober 1963
Laufzeit: 82 Minuten
Regie: William Castle
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Inhalt:
Der Amerikaner Tom Penderel soll einem exzentrischen Kunden, mit dem er als Freund gleichzeitig ein Appartement teilt (er des nächtens, sein Kumpel bei Tag), ein Auto in ein englisches Schloß liefern. Dort angekommen sieht er sich jedoch einer Familie von seltsamen Gestalten gegenüber, die sich alle aufgrund des Testaments eines Vorfahren im Haus aufhalten müssen, damit sie nicht enterbt werden.
Bei Toms Eintreffen ist sein Kunde bereits verschieden und Tom, der die Nacht in dem Haus zwangsweise verbringen muß, sieht sich bald in ein mordlüsternes Durcheinander verstrickt, in dem letztlich sogar eine Reihe von im Haus versteckten Bomben eine nicht unerhebliche Rolle spielen.



Wieder einmal versuchte man sich bei Hammer an der Neuinszenierung eines bereits verfilmten Stoffes, also an einem Remake. Diese Geschichte hier basiert auf dem Roman „Benighted“ von 1927, der von J.B. Priestley geschrieben wurde. Bereits 1932 wurde der Stoff dann von James Whales verfilmt, als recht düstere Horrorgeschichte mit Boris Karloff in der Hauptrolle. Bei Hammer bekam man nun mit, daß sich William Castle bereits mit der Neuinszenierung des Stoffes beschäftigte und trat an ihn heran, um das Projekt gemeinsam zu realisieren. Alsbald wurde der Vertrag geschlossen und die Dreharbeiten in den Bray Studios konnten im Mai 1962 beginnen
Dabei wurde die im Erstling noch eher düstere und nur mit subtilem Humor gewürzte Story gehörig auf lustig getrimmt, ganz nach den Ratschlägen des Buchautors. Heraus kam ein Film, der so gänzlich anders funktioniert als Whales’ Streifen; ganz nach dem Motto: Lachen ist gesund. So wurde aus der ursprünglich dunklen Story eine hanebüchene, absurde Komödie mit morbiden Elementen – ganz im Sinne von Hammer, die ursprünglich sogar ein U-Rating (Underage, auch für Kinder ohne Vorbehalte freigegeben) anstrebte. Heraus kam dann allerdings, nicht zuletzt auf Betreiben der BBFC und nach einigen Umschnitten, zunächst sogar ein X-Rating für die ungeschnittene und später dann das endgültige A-Rating für die Kinofassung

Diese Freigaben-Anekdote ist aber eigentlich weniger das Bemerkenswerte an diesem Film. Viel wichtiger erscheint dem Rezipienten, daß hier so gänzlich das gewohnte Hammer-Flair fehlt und dafür die Handschrift von Castle umso unverkennbarer ist. Kritiker sehen in diesem Streifen oft einen „Ausrutscher“, der bestenfalls als obskure Fußnote im Gesamt-Kanon von Hammer anzusehen ist. Ich denke das eher nicht, schließlich hat Hammer auch erfolgreich reine Filmkomödien gedreht und dieser Film ist zweifellos dazuzuzählen. Und als Komödie funktioniert er auch ganz hervorragend, die ganze Atmosphäre ist auf Gelächter ausgelegt und bis auf die Todesarten der Protagonisten, die schon recht schwarzhumorig in Szene gesetzt sind, ist der Streifen auch recht harmlos in puncto Horrorgehalt. Aber dieser schwarze Humor wiederum ist essentieller Bestandteil der Geschichte und wurde und wird in Großbritannien ohnehin besser verstanden als hierzulande. Bemerkenswert, daß der Amerikaner Castle hier so ein Gespür für die britische Seele beweist.

Das Ensemble ist passend zur schrägen Story hervorragend besetzt. In der Hauptrolle des Fahrzeughändlers Penderel spielt der Amerikaner Tom Poston, der einen hier in mehr als einer Szene an Danny Kaye erinnert. Der ehemalige Akrobat hatte ohnehin ein Faible für das Komödiantentum, was ein Blick auf seine zahlreichen Auftritte, vor allem im TV, zeigt. Den Autohändler, der aus einer normalen Umgebung in den Wahnsinn um einen alten Piratenschatz hineinkatapultiert wird, stellt er so überzeugend dar, daß selbst der running gag mit der eingebauten Falltür vor der Haustür nicht langweilig wird. :grin:
Die verrückte Familie Femm wird angeführt von Robert, dargestellt vom überragenden Robert Morley. Der bekannte Charakterdarsteller, der angeblich sogar einen Ritterschlag der Königin für seine Verdienste um das englische Drama ablehnte, spielt mit sichtlichem Vergnügen die schräge Type. Seine Standhaftigkeit stellte der Schauspieler übrigens bei folgender Anekdote unter Beweis: er wurde gefragt, ob er an seiner alten Schule in Wellington ein Referat halten möge. Darauf erwiderte er, der einzige Grund, warum er in die Schule zurückkehren werde, sei, um diese niederzubrennen. Klare Einstellung; gefällt mir, der Mann :applaus: .
Ein weiter Hauptakteur ist Peter Bull, der in der Doppelrolle der Zwillinge Caspar und Jasper auftritt. Auch er vertritt hier die hohe Schauspielkunst, die sich vor allen Dingen in einer überdeutlichen Aussprache niederschlägt, die jeden Oxfordianer vor Neid erblassen lassen würde. Bull, der auch zahlreiche humoristische Bücher, teils mit autobiographischen Zügen, schrieb, ist einigen vielleicht noch als russischer Botschafter Alexeji aus Stanley Kubrick’s „Dr. Seltsam“ bekannt.
Den eindeutig irrsten, wenn auch harmlosesten der Femms, stellt Mervyn Johns dar. Petiphar, so der Name, glaubt allen Ernstes an die nächste Sintflut und hat entsprechend schon eine Arche gebaut, die bereits mit vielen Tierpaaren sozusagen „fertig befüllt“ im Garten steht. Natürlich braucht er auch noch ein menschliches Paar, er selbst sei ja schon zu alt für derart amouröse Geschichten. Zum einen will der Kauz Tom als männlichen Part hernehmen, das Weibchen soll gestellt werden von seiner Nichte Morgana.
Diese Morgana, womit wir bei den Frauen sind, wird gespielt von Fenella Fielding, die uns stark an Morticia Addams erinnert, nur mit kürzeren Haaren. Die 1927 geborene Schauspielerin liefert hier eine Performance als Tom anschmachtendes Weibchen ab, die sich gewaschen hat, denn es wird schnell klar, daß auch diese Dame gehörig einen an der Waffel hat.
Die Rolle ihrer Schwester Cecily fällt der Aktrice Janette Scott zu, die wir schon aus Paranoiac kennen. Hier fällt ihre Rolle ungleich lebhafter und aktiver aus, obgleich sie die einzig normale Person im Clan der Verrückten zu sein scheint. Natürlich ist sie in dieser Eigenschaft auch das Mädchen, in das sich Tom sofort verguckt, was ihm aber letztlich auch nicht zum Vorteil gereicht.
Die Mutter des Hauses schließlich, Agatha, wird dargestellt von Joyce Grenfell. Ihre Rolle fällt eher ruhig aus, obwohl natürlich auch sie nicht alle Latten am Zaun hat: sie strickt nämlich – und das scheinbar immer und endlos am Stück. Diese Strickerei wird ihr denn auch letztendlich zum Verhängnis; ihr Tod ist entsprechend absurd.
In einer tragenden Nebenrolle schließlich sehen wir noch Danny Green als Morgan. Er darf hier den größtenteils stummen direkten Nachfahren des Piraten Captain Morgan mimen, der Tom von Anfang an auf dem Kieker hat und ihm wegen dessen vermeintlichen Interesses an Morgana permanent nachstellt.

Beim Kinopublikum kam der Film eher verhalten an, viele hatten hier wohl mit einem gruseligeren Streifen gerechnet. Heutzutage lebt der Streifen natürlich größtenteils von der heimeligen und eher harmlosen Gruselkomödienatmosphäre, die den Filmen von Castle so zu eigen ist.


Fazit
Eine absurd-schräge und witzige Geschichte mit bestens aufgelegten Akteuren, die das Ansehen immer wieder lohnt. Der häufig auftauchende Vergleich mit dem Film von 1932 sollte allerdings nicht gezogen werden, da die Umsetzung der Geschichte einfach zu verschieden ist, um hier von einem wirklichen remake zu sprechen. Für sich alleine betrachtet, ist der Streifen mit seinem schwarzhumorigen Blödsinn ein Kracher vor dem Herrn.
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Shadow
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Re: A very British one - The worlds of Hammer

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Nightmare (Der Satan mit den langen Wimpern)

Erstaufführung: 19. April 1964
Laufzeit: 79 Minuten
Regie: Freddie Francis

Bild
Inhalt:
Seit einem traumatischen Kindheitserlebnis leidet Janet unter Albträumen, in denen sie von ihrer eigenen Mutter gequält und verfolgt wird. Diese sitzt jedoch seit vielen Jahren in einer Nervenheilanstalt, da sie ihren Ehemann, Janets Vater, ermordet haben soll. Als Janet nach einem dieser Albträume aus der Schule in ihr Elternhaus zurückkehrt, werden ihre Albträume schlimmer denn je und treiben das junge Mädchen an den Rand des Wahnsinns…



Mit dem titelgebenden „Nightmare“ öffnet der Film selbst und Hammer ein weiteres Mal die Türen in die Abgründe der Psyche. Stilgerecht in schwarzweiß inszeniert, stammt das Drehbuch für das psychologisch-kriminologische Verwirrspielchen wiederum von Jimmy Sangster, der diesmal auch als Produzent auftrat.
Der Film selbst teilt sich deutlich in zwei Hälften auf. In der ersten Hälfte geht es fast ausschließlich um Janet und ihre beginnende Psychose; ihre Angst, genauso wie ihre Mutter wahnsinnig zu werden. In fast exakt der Mitte des Streifens haben die Bemühungen, das junge Mädchen in den Irrsinn zu treiben auch Erfolg und Hälfte zwei beschäftigt sich mit den Tätern, wobei sich die grundsätzliche Story wiederholt: einer der Täter wird ebenfalls in den Irrsinn getrieben, diesmal allerdings aus anderer Motivation heraus. Das Geschehen detaillierter zu beschreiben, ohne massiv zu spoilern, ist unmöglich – von daher muß diese, zugegeben etwas nebulöse, Aussage an dieser Stelle genügen.
So spannend und gruselig der Film dabei auch ist, geht hier doch einiges auf Kosten der Logik daneben und man wird an manchen Stellen das Gefühl nicht los, Sangster hat sich beim Schreiben öfters verzettelt und in der Geschichte verfangen. Die meisten twists wirken unwahrscheinlich, der finale plot twist gar ziemlich aus der Luft gegriffen. Es wäre zwar möglich, daß sich die Akteure tatsächlich so verhalten, die Chance dafür dürfte im wahren Leben aber begrenzt sein. Darauf einen perfiden Plan auszurichten, wie es hier getan wird, erscheint in höchstem Maße fragwürdig und die letztlichen Ziele des Plans wären auf anderem Wege sicherer zu erreichen.

Dabei hat man aber technisch nichts falsch gemacht. Die Regie übernahm wieder Freddie Francis, der bei Paranoiac schon zeigte, daß er ein Gefühl für Thriller hat und vor allem die Bildsprache (filmed in Hammerscope!) beherrscht. Unterstützt wurde er dabei von Kameramann John Wilcox, den er seit den 40er Jahren aus gemeinsamen Filmproduktionen kannte. Wilcox Stil trägt nicht unerheblich zur bedrückenden und dunklen Atmosphäre bei.

Bei den Schauspielern hingegen sieht man weit und breit kein vertrautes Hammer-Gesicht, eine Seltenheit bei Filmen des Studios. Nachteilig wirkt sich dies allerdings nicht aus, eher im Gegenteil; dadurch entsteht eine gewisse Distanz zwischen Protagonist und Rezipient, die die Kälte der Darstellung noch unterstreicht.

In der Hauptrolle der Janet sehen wir die damals unbekannte Jennie Linden, die von Sangster und Francis in einer Theateraufführung entdeckt wurde und die eigentlich für diese Rolle vorgesehene Julie Christie ersetzte. Lindens Hintergrund als Theateraktrice ist während ihrer screentime auch deutlich sichtbar, denn in Gestik und Mimik agiert sie desöfteren etwas over-the-top. Das führt letztenendes dazu, daß ihre Figur zunehmend nervt und ihr Verhalten unglaubwürdiger wird.
Glücklicherweise wird dies durch die zweite weibliche Hauptrolle ausgeglichen. Moira Redmond als Grace überzeugt komplett, egal ob sie als fürsorgliche Freundin, schmachtende Loverin oder langsam Austickende auftritt. Redmond, deren bekanntester Auftritt ein Jahr später als Simone in Blake Edwards „A shot in the dark“ stattfand, trägt den Film über weite Strecken fast alleine nur durch ihre Präsenz.
Den männlichen Hauptpart übernimmt David Knight in der Rolle des Familienanwaltes und Vermögensverwalters Henry Baxter. Der Amerikaner ist auch mehr am Theater als im Film zuhause und so wirkt auch sein Spiel manchmal etwas unpassend. Dennoch kauft man ihm die Rolle des Planers eines perfiden Spielchens durchaus ab.
Bei den Nebenrollen bleibt einem zunächst Clytie Jessop in Erinnerung, die hier wahlweise als Mrs. Baxter und als unheimliche Frau im weißen Kleid auftritt. Ihre Darstellung der „Lady mit der Narbe“ ist wirklich unheimlich und wirkt nach. Francis hatte sie bei den Dreharbeiten zu „Schloß des Schreckens“ kennengelernt und sie kurzerhand für den part der unheimlichen Gestalt besetzt. Dem Genrefan ebenfalls bekannt sein dürfte Brenda Bruce, die hier Janets Lehrerin spielt. Bruce spielte als Dora eines der Opfer von Karlheinz Böhm in Michael Powells frühem Giallo „Peeping Tom.

Gedreht wurde wieder in den Bray Studios. Für die Außenaufnahmen der Schule hielt die Rückseite von Oakley Court her. Durch den strengen Winter während der Drehzeit hatte man Gelegenheit, eine echte Winterlandschaft zu filmen, was die Tristesse und Kälte des Streifens noch unterstreicht.

Überraschend die Urteile der Kritik, besonders aus der Moralistenecke der kirchlichen Filmkritiker. So schrieb der evangelische „Filmbeobachter“ seinerzeit, Jimmy Sangster „besitzt Einfallsreichtum und dramaturgisches Geschick in höchstem Maße“. Auch Francis kam gut weg, er sei „ein Regisseur, der Sangsters grausige Konstruktionen mit konsequenter Verbissenheit in düstere und unheimliche Bilder umsetzt“. Na hoppla, mag man da sagen, kündigt sich hier etwa ein Paradigmenwechsel an und die christlichen Kritiker sind in der aktuellen Zeit angekommen?
Zumindest bei den Protestanten sah es so aus. Der „katholische Filmdienst“ hingegen urteilte: „Ein Horrorfilm wie andere“ und wir atmen erleichtert auf, denn das Feindbild bleibt vorhanden. Mal wieder nichts verstanden meine Herren, denn dies ist kein Horrorfilm. Aber da könnte man genauso gut gegen Wände reden….


Fazit
Erstaunlicherweise, trotz der massiven Logiklöcher, funktioniert Nightmare beim Zuschauer recht gut. Denn die Löcher sind zwar vorhanden, aber bei weitem nicht so tief und groß wie die in manch heutigem Blockbuster. Man denkt zwar, es sei unrealistisch, daß sich die story so abspiele, kann aber die Möglichkeit, daß es eben doch so kommt, nicht von der Hand weisen. Letztlich siegt wieder das Gefühl der Hammer-Leute für Stil und Atmosphäre und kann damit einige Schwächen überdecken. Einzig das Schauspiel einiger Protagonisten konnte mich nicht recht überzeugen und ging mir zu sehr an die Grenze des overacting. Davon abgesehen aber bleibt ein Psychothriller, der zu den gruseligsten von Hammer zählt und der seine morbide Atmosphäre am besten im dunklen Zimmer in den Abendstunden verbreitet.
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Re: A very British one - The worlds of Hammer

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The evil of Frankenstein (Frankensteins Ungeheuer)

Erstaufführung: 08. Mai1964
Laufzeit: 85 Minuten
Regie: Freddie Francis

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Inhalt:
Baron von Frankensteins unorthodoxe Arbeitsmethoden haben die Bewohner eines Dorfes gegen ihn aufgebracht. Gemeinsam mit seinem Assistenten muß er nach Karlsbad fliehen, aus dem er 10 Jahre zuvor verbannt wurde. Nachdem er sein altes Schloß geplündert vorfindet und vom Polizeichef wiedererkannt wird, flieht er in die Berge. Dort entdeckt er, daß sein vor einer Dekade geschaffenes Ungeheuer noch am Leben ist - gefroren in Eis – und beschließt, es zu reanimieren.
Doch Zoltan, ein mysteriöser Hypnotiseur, der das Gehirn des Ungeheuers reaktivieren soll, will das Monster für seine eigenen Zwecke missbrauchen und setzt damit eine Reihe blutiger Geschehnisse in Gang.



Knapp sechs Jahre nach „Frankensteins Rache“ widmete man sich bei Hammer erneut dem Motiv des modernen Prometheus. Allerdings, und das sei vorab verraten, mit einer deutlichen Abflachung der Geschichte. Durch die Tatsache, daß dieser Film für Universal produziert wurde, ergab sich die Möglichkeit, viele Elemente aus dem Original-Frankenstein zu übernehmen, was sowohl das creature-design als auch die Setbauten im Laboratorium angeht. Ebenfalls betroffen war die Geschichte selbst, die in ihren Grundzügen doch sehr stark an das Original anlehnt. Man muß auch konstatieren, daß die Vermischung der storylines von Hammer und Universal für Verwirrung sorgt und man bei diesem Film nicht von einer Fortsetzung der Hammer-Filmreihe sprechen kann. Denn: die in der Rückblende erzählte Geschichte von der Schaffung der ersten Kreatur auf Schloß Frankenstein weicht in vielen Punkten vom ersten Film ab, man hat aus heutiger Sicht fast den Eindruck, hier würde eine neue Zeitlinie etabliert (und das sowas zu immer heftiger werdenden Widersprüchen in der immanenten Logik der Geschichte führt, weiß man nicht erst seit dem unseligen „Star Trek“-Neustart :ohmann: ). Der Schuldige für dieses Geschwurbel ist aber leicht zu identifizieren: Produzent Anthony Hinds, der sich hier mal wieder, hinter seinem Pseudonym John Elder versteckend, als Drehbuchschreiber verdingt hat. Die Schauspieler trifft an diesem verunglückten Remake sicher keine Schuld; eher im Gegenteil: sie tun alles dafür, um die vorhersehbare Story wenigstens halbwegs spannend zu erzählen.

An erster Stelle steht natürlich Peter Cushing als der Baron. Wie immer geht der Mime ganz in seinem Spiel auf und vergißt nicht, die Charakterzeichnungen seiner Figur bis in die letzten Schatten auszuleuchten. Frankenstein ist hier schwankend zwischen Wut und Resignation, weil er immer wieder vom dummen Pöbel verfolgt wird. Bei seinem Assistenten beschwert er sich wortreich über die Kleingeister, die alles zerstören, was sie nicht verstehen und von deren Ignoranz er sich verfolgt fühlt. Resigniert darüber, daß ihm immer wieder alles kaputt gemacht wird, ist die zufällige Entdeckung seiner früher geschaffenen Kreatur der reine Auslöser für das weitere Geschehen; aus eigenem Antrieb hätte er vielleicht kein neues Experiment begonnen, zumindest erweckt er den Eindruck.
Auch körperlich wirkt Frankenstein härter und durchtrainierter; der Actionanteil ist für Cushing recht hoch, was dem damals immerhin schon 51jährigem Schauspieler aber nur zum Vorteil gereicht. Lustig dargestellt wird dies in einer Szene, als Frankenstein per zusammengeknoteten Bettlaken aus den Räumlichkeiten des Bürgermeisters flieht. Die Frau des Stadtoberen wirft ihm dabei fast schmachtende Blicke hinterher und es ist zu erkennen, daß der Baron wohl trotz seines fast ausschließlich auf seine Arbeit gerichteten Interesses eine große Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht ausübt. :cool:

Cushing trägt den Film eigentlich alleine, die weiteren Rollen sind zwar mehr oder weniger für das Geschehen wichtig, dennoch verblassen die anderen Akteure. Das soll nicht heißen, sie würden schlecht spielen; sie treten einfach nicht recht in den Vordergrund, schauspieltechnisch gesehen, um als wirklich tragende Rollen wahrgenommen zu werden.
Als zweite größere Rolle sehen wir Peter Woodthorpe als hypnotisierenden und manipulierenden Professor Zoltan, dessen Rolle sich eigentlich auf ausgelebte Rachegelüste und ausgiebige Saufgelage beschränkt, obwohl er der Initiator mehrerer Morde ist. Woodthorpe erinnert dabei von Aussehen an Eli Wallach, spielt seinen part aber ansonsten recht passabel.
Als Frankensteins Assistent Hans ist Sandor Eles zu sehen. Der Ungar bleibt kaum in Erinnerung, da sowohl Sprech- als auch Screentime eher begrenzt sind. Die Figur des Hans wirkt auch eher unausgegoren und mit zunehmender Lauflänge vernachlässigt. Verglichen mit den früheren Assistenten ist der Charakter von Hans recht eindimensional; moralische Bedenken oder gar ein Hinterfragen des Tuns finden nicht statt.
Als taubstumme Bettlerin tritt die rothaarige (wer hätte das gedacht... :zwinker: ) Katy Wild auf. Sie führt Frankenstein und Hans in eine Höhle, wo die nach ihrer Flucht aus Karlsbad vor einem heraufziehenden Unwetter sicher sind. Schließlich entdeckt sie auch noch die ins Eis eingeschlossene Kreatur und Frankenstein nimmt sie dafür in sein „Team“ auf. Sie ist auch die einzige, die Zugang zur Kreatur findet; das klassische Zwei-Außenseiter-raufen-sich-zusammen Motiv. Wild spielt dabei im Rahmen der gesteckten Drehbuchgrenzen recht gut, einzig ihr makeup erscheint übertrieben blaß und damit etwas unnatürlich.
Die Kreatur, bzw. in Lesart des Films das Ungeheuer, wird dargestellt vom Wrestler Kiwi Kingston. Seine Rolle beschränkt sich darauf, unheilvoll durch den Film zu staksen und ansonsten groß und breitschultrig Angst und Schrecken zu verbreiten. Mimisch kann der Mann leider gar nichts darstellen, was aber dem makeup-Design geschuldet ist. Obwohl sich Roy Ashton viel Mühe gab, war die Vorgabe eben dergestalt, möglichst dem klassischen makeup nahezukommen. Erst nach hunderten von Konzepten waren die Produzenten einverstanden; übrig blieb aber eine Maske, die im Vergleich zu Karloff eher schal wirkt. Ashton hätte das sicher besser hinbekommen, hatte sich aber letztlich den Wünschen der Produzenten zu beugen. Der Nachteil dieser starren Maske war dann eben, daß für Mimenspiel kein Platz mehr blieb.

Für die Regie sprang Freddie Francis kurzfristig als Ersatz für Terence Fisher ein, der ursprünglich vorgesehen war, aber an den Folgen eines Autounfalls laborierte und so nicht arbeiten konnte. Francis arbeitete hier das erste Mal mit Farbe und hat das auch sehr gut hinbekommen. Er setzte auch durch, das Labordesign möglichst aufwendig zu gestalten, was einen nicht unbeträchtlichen Teil des insgesamt mit 160.000 Pfund veranschlagten Budgets kostete. Dafür machte man bei den Drehorten keine Experimente: Bray Studios, Black Park und Oakley Court bildeten das Triumvirat der üblichen locations.
In den USA wurde der Film recht gut angenommen, was aber sicherlich der inhaltlichen Nähe zu dem alten Universalstreifen zu verdanken ist. In England hingegen zeigte sich das Publikum enttäuscht ob des Bruchs der Filmreihe; man hätte einfach eher den Stil der Vorgänger erwartet und wohl auch eine echte Fortsetzung der Reihe. Der Film konnte zwar seine Kosten wieder einspielen, ein großer Erfolg war er auf der Insel aber nicht.


Fazit
The Evil of Frankenstein ist ein recht durchwachsener Streifen. Obwohl es einerseits Spaß macht, Peter Cushing wieder in der Rolle des Barons zu sehen, krankt der Film andererseits doch stark an seinem Remake-Bemühen des alten Universal-Films. Trotz einiger neu hinzugekommener Elemente stellt sich beim Betrachten vor allen Dingen der Kreatur, die schon bei Universal nichts mit Mary Shelleys ursprünglicher Figur zu tun hatte, ein Gefühl der Wiederholung ein. Und wer gehofft hatte, Hammer erzählt die Geschichte „seines“ Frankensteins weiter, sieht sich enttäuscht. Übrig bleibt ein Film, der sich kurz so beurteilen läßt: Schauspielerisch gut bis sehr gut, technisch auf hohem Niveau und alles richtig gemacht, storymäßig durchwachsen und deutlich unter dem Niveau seiner Vorgänger. Obwohl ansehbar, meiner Meinung nach nicht gerade eine von Hammers Sternstunden.
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Re: A very British one - The worlds of Hammer

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The Devil-Ship Pirates (Die Teufelspiraten)

Erstaufführung: 15. Mai 1964
Laufzeit: 82 Minuten
Regie: Don Sharp

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Inhalt:
Nach der Niederlage der spanischen Armada gegen die Engländer, entkommt das spanische Piratenschiff Diabolo. Kapitän Robeles landet an der englischen Küste und zwingt die Bevölkerung, die zunächst keine Ahnung vom Sieg der englischen Flotte hat, das Schiff zu reparieren.
Dorfschmied Tom organisiert den Widerstand gegen Robeles und seine Teufelspiraten, die mittlerweile mit brutaler Gewalt die Bewohner eingeschüchtert haben.



Hammers drittes Piratenabenteuer sollte leider auch gleichzeitig das letzte des Studios sein. Warum man aufhörte, Stoffe dieser Art zu verfilmen, ist nicht wirklich bekannt. Vielleicht dachte man, die Zeit dafür sei einfach abgelaufen und wollte sich verstärkt den phantastischen Stoffen widmen. Dies ist aber nur Spekulation.
Auf jeden Fall machte man sich im August 1963 daran, die Geschichte der spanischen Freibeuter zu inszenieren und verfuhr diesmal nach dem Motto: nicht kleckern, sondern klotzen. Alleine der originalgetreue Nachbau einer spanischen Galeone aus dem 16. Jahrhundert schlug mit gut 17.000 Pfund zu Buche – eine deftige Summe. Dabei ist die von Jimmy Sangster entworfene Geschichte eher so lala und kann nur mit wenigen Höhepunkten und noch wenigeren Überraschungen punkten. Obwohl technisch sauber gemacht, fehlt dem Streifen einfach ein gewisses Flair und er kommt insgesamt eher nüchtern und an manchen Stellen zu klischeehaft daher.

Die Schauspieler dafür verantwortlich machen zu wollen wäre aber keineswegs richtig, denn die machen ihre Sache recht gut. Allen voran steht Sir Christopher Lee als Piratenkapitän Robeles, der sein Schiff vorübergehend der Armada des spanischen Königs unterstellt hat, nach deren Untergang nun aber wieder sein altes Gewerbe aufnehmen will. Lee legt die Rolle des Schurken dabei recht glaubhaft an, im Gegensatz zu den Hollywood-Pendants fehlt seiner Figur jeglicher Hauch von Seefahrerromantik. Robeles ist ein eiskalter und berechnender Charakter, der kalt lächelnd über jedwede Leiche geht, um seine Ziele zu erreichen. Einzig im kurzen Gespräch mit dem Jungen „Smiler“ schlägt er etwas sanftere Töne an. Das erscheint aber im zeitlichen Kontext von 1963 normal; ein Charakter, der sich an einem Kind vergreift, hätte es nie durch die BBFC geschafft. Ansonsten aber ist Lee, nicht nur aufgrund seiner ohnehin jedermann überragenden Körpergröße, jederzeit Herr der Szenerie, sobald er diese betritt, daran ändert auch die eher unpassende Perücke mit dem braven Seitenscheitel nichts.
Für Lee gab es in diesem Film eigentlich nur einen Gegner, der Teile der Dreharbeiten für den Schauspieler zum Martyrium werden ließ: Kollege Ernest Clark in der Rolle des Sir Basil. Clark war kein Stuntman und Lee ihm in der Kunst des Fechtkampfes weit überlegen. Dennoch versuchte Clark sein Bestes; leider nicht gut genug, denn trotz aller Vorsicht schlug er Lee desöfteren vehement mit dem Florett auf die Finger, was sicherlich ziemlich geziept haben dürfte.

Als erster Offizier gibt es ein Wiedersehen mit Barry Warren als Don Manuel, den man noch aus seiner Rolle als Carl aus Kiss of the Vampire kennt. Warren spielt hier einen Offizier der spanischen Marine, der Robeles eigentlich nur vorübergehend zugeteilt wurde. Nach dem Untergang der Armada will er wieder nach Spanien zurück, Robeles aber läßt ihn nicht und will ihn mit auf Beutezüge nach Westindien nehmen. Derart in einen Gewissenskonflikt gedrängt, kollaboriert Don Manuel schließlich mit den Dorfbewohnern. Warren selbst verkörpert dabei die Rolle des in die Ecke gedrängten Ehrenmannes recht überzeugend.

Auf der Seite der Dorfbewohner sehen wir Andrew Keir als Tom, der nicht nur den Dorschmied mimt, sondern gleichzeitig den Organisator des Widerstandes gegen die Piraten. Der knorrige Schotte war durchaus kein Neuling im Genre, spielte er doch schon 1958 in mehreren Folgen der Serie „Ivanhoe“ ebenso mit wie in der Serie „Sir Francis Drake“. Auch die Hammer-Piratenfilme waren kein Neuland für ihn; ein Jahr zuvor war er an der Seite von Christopher Lee und Oliver Reed in „Pirates of Blood River“ zu sehen. In diesem Streifen nun ist seine screentime zwar begrenzt, aber wirkungsvoll – auch wenn sein Ende unrühmlich und schnell ist.
Als Sohn des Schmiedes tritt John Cairney als Harry auf, der ein Jahr zuvor im großartigen „Jason and the Argonauts“ glänzte. Hier spielt er nun einen kriegsversehrten jungen Mann, der schon einmal mit den Spaniern zu tun hatte und sie alle haßt, weswegen er Don Manuel zunächst auch einmal mißtraut. Trotz oder gerade wegen seiner Behinderung (er kann nur einen Arm benutzen) ist er der Held des Films, der zunächst seine Schwester, dann seine Verlobte und schlußendlich das ganze Dorf aus den Händen der Piraten befreit.

Neben Natasha Pyne als Harry’s Schwester Jane und Suzan Farmer als Sir Basil’s Tochter und Harry’s Verlobte Angela sehen wir auch Michael Ripper als Piraten Pepe wieder und zumindest mir fiel auf, sein vertrautes Gesicht während der letzten Filme vermißt zu haben. Hier ist Ripper wieder auf eine kleinere Nebenrolle beschränkt, aber selbst als eigentlich böser Pirat können wir uns der Wirkung seines verschmitzten Grinsens kaum entziehen.

Für die Regie wurde wieder Don Sharp engagiert, der hier seine zweite Arbeit für Hammer ablieferte. Der Dreh kostete den Tasmanier einiges an Nerven, kam es doch während der Aufnahmen auf der nachgebauten Galeone beinahe zu einer Katastrophe. Ursprünglich war das Schiff zu leicht, um darauf mit allem Equipment drehen zu können, daher wurde am Rumpf nachgearbeitet. Doch auch das reichte nicht: das Schiff bekam Schlagseite und Schauspieler, Crew sowie das gesamte Equipment stürzten ins Wasser. Nur dem Einsatz von Third Assistant Director Stephen Victor ist es zu verdanken, daß niemand umkam, sprang er doch beherzt ins Wasser und rettete ein in den Seilen unter Wasser verfangenes Crewmitglied. Das Equipment war natürlich verloren, glücklicherweise war man aber bei Llyods versichert und so fiel der finanzielle Schaden gering aus. Eine Anekdote erzählt, daß viele der am Unfall beteiligten Mitarbeiter angaben, eine Menge Bargeld bei sich gehabt zu haben, da der Verlust desselben auch durch die Versicherung gedeckt war. Ob hier nun Ersatz geleistet wurde und wer sich alles die Taschen füllte, ging aber im Nebel der Geschichte verloren. :tongue:


Fazit:
Die Geschichte um die spanischen Freibeuter, ihr Schiff „Diablo“ und ein ganzes Dorf in Geiselhaft ist technisch sauber inszeniert, leider aber etwas spannungsarm umgesetzt. Einige Szenen stechen als Höhepunkte klar heraus, sind aber insgesamt zu wenige um den Film als Ganzes tragen zu können. Was bleibt ist ein eher durchschnittlicher Abenteuerfilm, der hinter den Möglichkeiten des Studios zurückbleibt
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