Dario Argento – Il „Visconte“ di horror italiano

Längere Essays zu Themenkreisen
Antworten
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Dario Argento – Il „Visconte“ di horror italiano

Beitrag von Shadow »

Bild

Dario Argento wurde am 07.September 1940 in Rom geboren, als Kind von Salvatore Argento und des brasilianischen Ex-Models Elda Luxardo. In seiner Kindheit kam er schon früh mit dem Film- und Showbusiness in Verbindung. Sein Vater war damals für die Öffentlichkeitsarbeit der staatlichen italienischen Filmgesellschaft „Unitalia“ zuständig und wurde später Filmproduzent. Seine Mutter wurde nach ihrer Model-Karriere professionelle Fotografin und arbeitete als Propagandafotografin der Regierung, aber auch mit Berühmtheiten wie Sophia Loren und Gina Lollobrigida zusammen. Der kleine Dario trieb sich oft im Studio seiner Mutter herum und war beeindruckt von deren Arbeit und dem Drumherum des künstlerischen Entstehungsprozesses, der Schaffung spezieller Lichtstimmungen, das Arrangement der Szenerie und auch die Liebe zu kleinen Details.
Argento erinnert sich in einem späteren Interview, viele Ideen für seine Filme aus Kindertagen herübergerettet zu haben. Zum einen aus den italienischen Volksmärchen, die ihm seine Eltern und Verwandten erzählten, zum anderen gab es da wohl eine spezielle Tante, die ihm recht gruselige Gute-Nacht-Geschichten vorlas. Aus den Geschichten dieser Tante entsprang in ihm schon früh eine Vorliebe für die Geschichten der Gebrüder Grimm, Hans Christian Andersens und Edgar Allan Poe's. Viele von Argentos Gialli befassen sich mit frühen Kindheitstraumata, seine eigene war allerdings nach eigener Aussage normal.

Während seiner Schulzeit zeigte der eher introvertierte und als schwieriger Charakter geltende Schüler weniger Interesse für den Film. Allerdings fiel seine Begabung für das Schreiben auf, verfaßte er doch schon in der Schulzeit Artikel für Fanzines. Nach einem „Mißverständnis“ mit einem seiner Lehrer der katholischen Schule, auf die er ging, büchste er mit 16 Jahren von zuhause aus und schlug sich ein Jahr lang in Paris durch. 1957 kehrte er wieder nach Rom zurück und machte seinen Abschluß.
Auf das Studium hatte er allerdings keine Lust und arbeitete in den Folgejahren lieber als Kolumnist und Filmkritiker für die römische Zeitung „Paese Sera“, von 1964 bis 1968.
Gerade 1968 sollte sich für Argento als ausgesprochenes Glücksjahr erweisen. Der damals große Regisseur Sergio Leone hatte wohl einige seiner Kritiken, Ideen und Drehbücher gelesen (Dario hatte bis dato immerhin schon sechs geschrieben) und bot ausgerechnet den beiden relativ Unbekannten Dario Argento und Bernado Bertolucci an, ein Drehbuch für seinen nächsten Film zu schreiben. Heraus kam schlußendlich der bis heute unerreichte Edelwestern „C’era una volta il West“ (Spiel mir das Lied vom Tod) für den Argento und Bertolucci je 800 Dollar als Schreiberlinge erhielten. Die anfängliche Enttäuschung über so wenig Geld für so viel Arbeit wich jedoch schnell der Erkenntnis, hier Unmengen von Erfahrung mitgenommen zu haben, nahm sie der Altmeister doch zum Set mit und weihte sie in die Geheimnisse des Filmemachens ein. Ebenfalls 1968 traf Argento auf seine erste Frau Marisa Casale, ein Script-Girl, die er im gleichen Jahr heiratete. Zwei Jahre später, am 03. Januar 1970 wurde seine erste Tochter, Fiore, geboren.

1970 schließlich, nachdem er noch sechs weitere Drehbücher geschrieben hatte, wurde sein Traum endlich wahr und er konnte sein nächstes Drehbuch selbst als Regisseur verfilmen. Heraus kam sein Regie-Erstling „Uccello dalle piume di cristallo“ (Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe), Auftakt seiner Tier-Trilogie und Grundstein für die Verbreitung des italienischen Giallo-Cinema.

1972 trennte er sich von Marisa und hatte eine Beziehung zur Schauspielerin Marilu Tolo. 1974 kam er dann mit Daria Nicolodi zusammen, ebenfalls einer Schauspielerin und gleichsam Muse von Argento. Obwohl die beiden nie heirateten, hielt die Verbindung bis 1985. Am 20.09.75 wurde das gemeinsame Kind, Asia Aria Maria Vittoria Rossa, geboren, welche später unter dem kürzeren Namen Asia Argento ebenfalls ins Filmbusiness einstieg. Die Familienbande blieben auch weiterhin stark. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Claudio stand Argento desöfteren als Produzent zur Seite.

Seit dem 20. Juni 2001 ist Dario Großvater von Anna Lou, der Tochter von Asia.

Dario schrieb bis heute 40 Drehbücher, führte in 22 Filmen Regie, produzierte 18 Streifen, wirkte in 11 Filmen selbst mit (wenn auch meist als Eigentümer der schwarzbehandschuhten Mörderhände) und hat in zwei Filmen zur Musik beigetragen. Desweiteren war er als Script-Berater an George Romeros „Dawn of the Dead“ beteiligt.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Re: Dario Argento – Il „Visconte“ di horror italiano

Beitrag von Shadow »

Ich bin ein Platzhalter
Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe



kommt noch... :sspannend:
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Beitrag von Shadow »

Il gatto a nove code
Alternativ: Die neunschwänzige Katze ; The cat o’nine tails

Italien, Deutschland, Frankreich 1971
Seda Spettacoli Spa., Rom – Terra Filmkunst GmbH, Berlin – Labrador Film, Paris

Filmlaufzeit: ca. 110 Minuten

Bild

Der ehemalige Reporter Franco Arno verlor bei einem Unfall sein Augenlicht und kann deshalb seinen Journalistenjob nicht mehr ausüben. Als Blinder ist er auf die Hilfe seiner jungen Nichte angewiesen. Er verdient sich trotzdem immer noch Geld bei der Zeitung, indem er Kreuzwort- und Bilderrätsel herstellt.

Als er eines Abends mit seiner Nichte spazierengeht, hört er vor einem medizinischen Institut zufällig eine seltsame Unterhaltung von zwei Männern in einem Auto mit. Später, in derselben Nacht, bricht jemand ohne ersichtlichen Grund in dieses Institut ein und verletzt dabei einen Wachmann schwer. Der neugierige Arno beschliesst darauf, ein wenig auf eigene Faust nachzuforschen und erhält dabei Hilfe von Reporter Carlo Giordani.

Bald folgt eine Serie von mysteriösen Morden, die mit dem Ereignis im Institut zusammenzuhängen scheint. Arno und Carlo finden neun verschiedene Hinweise, denen sie nachgehen müssen um das Rätsel um den geheimnisvollen Mörder und seine bestialischen Taten lösen zu können….


Der Film beginnt ruhig, beinahe gemütlich und dennoch leicht unheimlich mit eben jener im Covertext beschriebenen Szene des Spaziergangs von Arno mit seiner Nichte Lori. Durch seine Blindheit hat er ein entsprechend besseres Gehör und nimmt Wortfetzen aus dem Gespräch der Autoinsassen auf; er hört irgendwas von Erpressung und Verschwörung. Natürlich ist er nun etwas neugierig und bleibt stehen, um sich den Schuh zu binden. Er beauftragt seine Nichte, sich kurz die Personen im Auto anzusehen. Sie kann allerdings nur den Mann hinter dem Steuer erkennen, die auf dem Beifahrersitz verweilende Person bleibt im Dunkeln.
Etwas später werden wir Zeuge des ersten Mordes (so scheint es zumindest; kurze später erfahren wir aber, daß das vermeintliche Opfer noch lebt. Ob dies nun ein plothole in der Geschichte selbst ist, war mir auch nicht ganz klar). Ebenfalls sehen wir, per point-of-view Kamera, einen Einbruch in ein großes Bürogebäude. Anderntags erfahren wir, daß es sich um das Institut für Genetik handelt. Die Polizei, alarmiert durch einen Mitarbeiter der den niedergestreckten Wachmann fand, durchkämmt das ganze Gebäude. Es stellt sich allerdings schnell heraus, daß nichts fehlt. Draußen laufen sich derweil Arno und Giordani in die Arme, eher zufällig. Aber so weiß Arno immerhin, daß eingebrochen wurde und ein Reporter sich schon mit der Sache befasst. So nebenbei bekommen wir auch mit, daß Commissario Spimi und Reporter Giordani sich wohl recht gut kennen, denn der Komissar erzählt ihm die ganze Geschichte ohne großes Getue. Ein Paradies für Journalisten, das damalige Italien…

Im Institut werden wir derweil Zeuge einer Besprechung der Direktion mit den Chefwissenschaftlern. Professor Terzi, Chef des Institutes, beratschlagt sich mit den Drs. Casoni, Braun, Mombelli und Esson, was der unbekannte Einbrecher wohl gewollt haben mag. Man beginnt zu vermuten, daß es sich vielleicht um einen Fall von Wirtschaftsspionage handeln mag, zumal das abfotografieren von Dokumenten ja keine Spuren hinterlassen würde. Der Wissenschaftler Braun ist allerdings nicht dieser Meinung, und wir als Zuschauer beginnen zu vermuten, daß der Mann eventuell was zu verbergen hat. Zumal Braun als Deutscher von Horst Frank gespielt wird und jeder deutsche Kinogänger ja wußte: Franks Rollen waren nie astrein. Die Sitzung wird dann durch die Ankunft von Anna, des Professors Töchterlein, kurz unterbrochen. Die Aufmerksamkeit der anwesenden Herren liegt kurzzeitig nur bei ihr, kein Wunder: wird sie uns doch als typischer „steiler Zahn“ der ausgehenden Sechziger, beginnenden Siebziger vorgestellt.

Nach der Besprechung schauen wir kurz im Büro von Dr. Calabresi vorbei, der gerade Besuch von seiner Verlobten Bianca Merusi erhält. Eigentlich wollte er mit ihr essen gehen, muß dies aber aufgrund eines anderen Termins verschieben. Er sagt ihr aber, daß er über den vermeintlichen Einbruch einiges wisse. Er werde aber nicht zur Polizei gehen, da er hier einen Trumpf in der Hand habe, den er bei passender Gelegenheit auszuspielen gedenke.

Dummerweise kommt er aber nicht mehr dazu. Sein am Turiner Bahnhof stattfindender Termin entpuppt sich als Falle: jemand stößt ihn vor den einfahrenden Zug. Der wegen eines anderen Ereignisses anwesende Pressefotograf Righetto macht zufällig ein Foto von diesem vermeintlichen Unfall, justamente in dem Moment, als Calabresi vor den Zug stürzt. Tags darauf findet Lori dieses Foto in der Zeitung und erzählt ihrem Onkel Arno davon (es ist nämlich der Mann, den sie im Auto erkannt hatte). Der, alter Pressefuchs der er ist, geht zu Giordani und fragt ihn bei einem Treffen, ob denn das Foto nur einen Ausschnitt oder das gesamte Bild zeige.
Bild
Das Ermittlertrio: Lori, Arno und Carlo

Ein Anruf bei Fotograf Righetto macht klar: es handelte sich um einen Ausschnitt und bei Betrachtung des Negativs fällt auf, daß links auf dem Foto eine Hand zu sehen ist, die den armen Calabresi vor den Zug gestoßen hat. Es war also ein Mord. Giordani beauftragt den Fotografen, einen Abzug des Negativs herzustellen, welchen er sich gleich abholen will. Bei Ankunft in der Wohung des Fotografen findet er diesen allerdings tot und übel zugerichtet vor. Natürlich sind sowohl Foto als auch Negativ verschwunden und damit alle Beweise futsch.

Dennoch wollen die Spürnasen nicht aufgeben und beschliessen, eigene Ermittlungen anzustellen. Giordani wird von Arno ins Haus Terzi geschickt, vielleicht kann er ja was herausfinden, wenn er mit Anna anbandelt. Diesem Vorschlag ist unser tapferer Reporter natürlich nicht abgeneigt und er fährt sofort los. Um den Schein zu wahren, befragt er aber zunächst einmal den Professor selbst. Das Gespräch scheint eher unbefriedigend zu verlaufen, weshalb er nun versucht, mit Anna nähere Bekanntschaft zu schliessen.
Bild
Im Hause Terzi. Herrlich, dieser Barockstil, nicht?

Man beschliesst, eine kleine Ausfahrt zu machen. Anna darf fahren und zeigt dabei gleich mal, was sie drauf hat. Die sie überwachenden Polizisten kann sie nach einer äußerst rasanten Fahrt abschütteln und in einem Cafe auf einer Dachterasse (!!) erzählt sie Giordani von den Forschungen des Instituts und dem X-Y-Y Genom. Das bringt Giordani in Sachen Mordaufklärung zwar nicht unbedingt weiter, aber immerhin hat er nun eine Kontaktbasis, noch dazu eine äußerst angenehme. Desweiteren erzählt ihm Anna von den anderen Doktoren. Casoni, der schon mit 22 Jahren promovierte, der unauffällige Mombelli und Esson, der Engländer, welcher einen typisch britischen Humor habe. Ebenfalls erwähnt sie die Vorlieben des Wissenschaftlers Braun. Er wäre nämlich Stammkunde in einem gewissen Club.

Giordani besucht also diesen Club, wie sich herausstellt ein Schwulenetablissement, und befragt dort Braun. Wie für den klischeehaften Deutschen üblich, bleibt Braun nebulös und undurchsichtig, als Zuschauer können wir uns nicht dem Eindruck entziehen, der Herr weiß mehr als er sagt. Wir lernen hier auch kurz Manuel kennen, offensichtlich Braun’s bevorzugte Püppi (sorry, aber so sieht er nun mal aus).
Auch Casoni und Mombelli werden von Giordani befragt. Casoni erzählt ihm nähere Details zu der X-Y-Y Gemon Forschung und Mombelli hat allgemein nicht viel zu sagen. Hier scheinen alle Wege in eine Sackgasse zu führen.

In der Zwischenzeit gehen Arno und Nichte Lori Frau Merusi, der Hinterbliebenen von Calabresi, einen Besuch abstatten in der Hoffung, etwas herausfinden zu können. Auch dieses Gespräch bringt nicht wirklich Neuigkeiten ans Tageslicht. Nur die Tatsache, daß Bianca eine Goldkette samt Anhänger mit einem Bild ihres verstorbenen Verlobten trägt, bleibt in Arnos Gedächtnis haften. Ansonsten ziehen Arno und Lori unverrichteter Dinge wieder ab.
Bild
Hitchcock läßt grüßen. Blick in das Treppenhaus bei Bianca Merusi.

Kurz danach kommt Bianca eine Idee. Vielleicht hatte ihr Verlobter, gründlicher Wissenschaftler der er ja war, eine Notiz gemacht, mit wem er sich an seinem Todestag treffen wollte. Nachdem sie vergeblich die Wohnung auf den Kopf gestellt hat, fällt ihr das immer noch am Bahnhof parkende Auto ein. Eventuell findet sich ja dort was. Mit einem Taxi läßt sie sich also zum Bahnhof chauffieren und ist dort erst einmal gezwungen abzuwarten, bis sich der Streifenpolizist, der den vierten oder fünften Strafzettel an den Wagen hängt, verzieht.
Diese kleine Nebenepisode ist im Übrigen einer von ein paar eingestreuten Späßchen, die sich Argento mit uns erlaubt. Sie dienen gleichzeitig auch ein bisschen zum Durchatmen und schmunzeln, auf daß die Spannungskurve wieder etwas abfalle bevor sie erneut aufgebaut wird. Auch in der deutschen Synchro, die teilweise an die Beklopptheit der seligen Rainer Brandt Synchronisationen erinnert, ist dies noch zu hören. Der Komödieneffekt blitzt aber glücklicherweise immer nur kurzzeitig und vereinzelt auf, ansonsten würde er die durchaus ernste und düstere Atmosphäre des Films zerstören.
Bianca begibt sich also im Wagen auf die Suche und wird auch prompt fündig. Unter einem Magneten haftet ein Zettel mit dem Datum des Todestages von Calabresi und der Aufschrift „17.00 Uhr; Treffen mit…“. Der Rest ist vom Magneten verdeckt (aber hallo, was denn sonst! Andernfalls wüßten wir ja jetzt schon, wer der Mörder ist und könnten abschalten). Bianca liest natürlich den ganzen Zettel und beschließt, dieses wichtige Dokument zu verstecken. Ihr Anhänger mit integriertem Geheimfach erscheint ihr dabei als nützlich. Im Handschuhfach findet sie eine Rolle Tesa (next joke; offensichtlich ist Argento der nicht ganz von der Hand zu weisenden Meinung, Tesafilm zum Flicken kleiner Wehwehchen gehöre zur Grundausstattung italienischer Autos) und versteckt den zusammengefalteten Zettel also im Anhänger. Dummerweise wird sie dabei aus der Entfernung beobachtet. Was nun passiert ist klar: sie wird das nächste Opfer des geheimnisvollen Mörders. Vorher kann sie aber noch Arno anrufen und ihm von dem Zettel berichten. Da sie aber nicht erwähnt, wo sie ihn versteckt hat, finden weder Reporter noch Polizei diesen wichtigen Hinweis.

Etwas später werden wir Zeuge, wie der böse Bube offensichtlich Milchtüten, die vor einer Wohnungstür stehen, vergiftet. Schnell stellt sich heraus: es handelt sich um Giordanis Milch. Er hat aber momentan keine Zeit, sie zu trinken, denn er bekommt Damenbesuch: Anna steht vor der Tür und begehrt Einlaß. Es stellt sich heraus, daß sie nur zu einem Zweck hergekommen ist: Sex! (Was dachtet ihr denn? Wir sind in den Siebzigern!) Man macht es sich also auf dem Sofa bequem und kommt zur Sache; natürlich nicht explizit, ist ja kein Porno.
Bild
Inspektor Colombo rät: wenn’s nach dem Sex um die Hüfte zieht, einfach Trenchcoat drüber.

Danach will Giordani nun doch etwas Milch zum Stärken trinken, bekommt aber vorher noch einen Anruf von Arno. Dieser berichtet ihm aufgeregt, daß der Mörder es wohl nun auf sie beide abgesehen habe, denn er sei gerade noch einem Gasanschlag entkommen. Er habe seine Nichte nun in Sicherheit gebracht und rät Giordani, aufzupassen. Diesem geht in einem Anflug von Intelligenz auf, daß hermetisch verschlossene Milch eigentlich nicht auslaufen darf und kann Anna gerade noch am Trinken hindern. Der Schnüffeltest zeigt: die Milch ist vergiftet (wie riecht vergiftete Milch eigentlich?). Nun nimmts Giordani persönlich und er geht daran, zusammen mit Arno systematisch alle Spuren zu verfolgen (es sind neun, was ihn zu der Bemerkung veranlaßt, man habe es wohl mit einer neunschwänzigen Katze zu tun. Endlich, ich dachte schon, die bringen den Filmtitel überhaupt nicht mehr unter….).
Da er von Anna weiß, daß sie mit ihrem Vater über’s Wochenende weg fährt, erscheint ihm die Gelegenheit günstig, einen seiner Hauptverdächtigen, Prof. Terzi, unter die Lupe zu nehmen. Da er aber weder gelernter Einbrecher noch Schloßknacker ist, greift er auf die Hilfe seines alten Bekannten und Kleinkriminellen Gigi zurück.
Bild
„Wie? Was soll das heissen, ich hätte ohnehin ‚ne Verbrechervisage?“

Die beiden steigen also in Terzis Villa ein und Giordani findet auch prompt ein Tagebuch des Professors. Darin steht auch ein dunkles Geheimnis, allerdings bringt das Giordani nicht wirklich weiter. Immerhin weiß er jetzt, daß bei Calabresi und Merusi auch nicht alles so war, wie es den Anschein erweckte und das reicht immerhin für eine Titelgeschichte in seiner Zeitung. Der Mörder ist damit aber immer noch nicht überführt und weiter hinter ihm und Arno her.

Arno erinnert sich wieder an die Goldkette der Merusi und schließt messerscharf, daß sie darin vielleicht den Zettel mit dem belastenden Namen aufbewahrt habe. Dummerweise ist sie aber schon auf dem Friedhof. Macht aber nichts, sagt Arno, sie ist bestimmt noch nicht verscharrt. Es wäre doch eine gute Idee, mal nachts den Friedhof zu besuchen und nachzusehen, kann ja nichts schaden. Zögerlich stimmt Giordani zu.
Bild
Wer des nächtens auf Friedhöfen herumschleicht, bekommt wenigstens Gruselatmo gratis dazu.

Man findet Merusi’s Gruft und Giordani macht sich an die Sarg-Öffnungs-Arbeit, während Arno Schmiere steht. Ganz recht, der Blinde steht Schmiere! Arno steht also draussen und treibt Giordani zur Arbeit an, dem das zwar gar nicht recht ist aber andererseits weiß er auch, daß dies ihre letzte Spur ist. Schließlich ist es geschafft, der Sarg ist offen und Giordani kann das Medaillon an sich nehmen.
Bild
Pfui! Grabräuber.

Die beiden finden den Zettel, können aber wegen der Dunkelheit nichts rechtes erkennen. Egal, Hauptsache man hat ihn. Giordani schließt also den Sarg wieder und wir sehen im Hintergrund, wie Arno vom Eingang der Gruft weggezogen wird und die Grufttür zufällt. Natürlich, der Mörder hat die beiden beobachtet und ihnen nachgestellt. Giordani ist in der Gruft gefangen und sein Freund offensichtlich tot. Die Lage scheint aussichtlos. Doch da öffnet sich die Grufttür plötzlich wieder und ein etwas benommener Arno stolpert herein. Wie sich herausstellt, ist sein Blindenstock nicht einfach nur ein Stock sondern ein Stockschwert; ein Stock mit einer einfahrbaren langen Klinge also. Im Getümmel hat er den Mörder wohl ziemlich verletzt, denn wir sehen Blut von dieser Klinge tropfen. Arno hat aber auch schlechte Nachrichten. Erstens hat der Mörder ihm den Zettel entrissen und zweitens hat er Arno wissen lassen, er habe Lori entführt und wenn die beiden die Polizei verständigen würde er sie töten.

Dennoch haben unsere tapferen Hobbydetektive keine Wahl. Giordani bittet seinen Kumpel Commissario Spimi um Mithilfe. Er hat auch schon aufgrund des Tagebuchfundes einen Verdächtigen: Professor Terzi. Man stürmt also das Haus des Professors und durchsucht die ganze Bude nach Lori; ohne Erfolg. Plötzlich kommt Anna die Treppe herunter, ihre Hand blutet. Giordani beschuldigt sie, hinter all dem zu stecken. Schließlich habe sie damals die Milch auch nicht gleich getrunken, weshalb sie von der Vergiftung derselben wissen mußte. Und jetzt blutet auch noch ihre Hand, wohl von dem Zusammentreffen mit Arnos Stock. Und da ist ja auch noch das Geheimnis aus dem Tagebuch des Professors. In diesem Moment kommt der Professor herunter und hat Glasscherben einer zerbrochenen Vase in der Hand. Es wird klar: daran hat sich Anna geschnitten. Sie ist zu recht höchst sauer auf Giordani und schimpft lautstark, wie sich mit so einem windigen Hund habe einlassen können.
Dafür haben aber weder Giordani noch Arno Zeit. Wenn Lori nicht hier ist, dann eben im Institut. Auch dieses wird nun zusammen mit der Polizei auf den Kopf gestellt, erfolglos. Als Giordani entnervt aufgeben will, tropft ihm plötzlich Blut auf den Hemdkragen. Aha, das Dach! Daher weht also der Wind. Giordani stürmt das Dach und trifft dort sowohl auf Mörder als auch auf Lori, die gefesselt aber wohlauf in einem Raum liegt. Nach einer wilden Verfolgungsjagd und diversen Prügeleien quer über das ganze Flachdach (bei der wir natürlich endlich auch die Beweggründe des Mörders erfahren) läuft der Killer schließlich Arno in die Arme. Der nagelt ihn mit seinem Stockschwert fest und will wissen, was mit Lori ist. Der Killer sagt, er habe Lori umgebracht und Arno würde sie nie wiedersehen (Toller Spruch, du Depp). Die hinzugekommenen Polizisten rufen Arno noch zu, das stimme nicht und Lori gehe es gut. Im darauffolgenden Gerangel zwischen Arno und dem Mörder wirft dieser ihn aber durch ein Oberlicht in einen Fahrstuhlschacht. Der Mörder rauscht in die Tiefe, schlägt unten auf und ist tot. Ende.

„Die neunschwänzige Katze“ ist Dario Argentos zweiter Spielfilm und versteht sich inoffiziell als Mittelteil einer sogenannten Tier-Trilogie: im Filmtitel ist jeweils auch der Name eines Tieres vorhanden (Vogel, Katze, Fliegen). Das ist aber auch schon alles, was diese „Trilogie“ verbindet; inhaltlich steht jeder Film einzeln für sich. Argento gab diesen Gedanken nach dem dritten Teil aber wieder auf, da er feststellte, daß zu dieser Zeit immer mehr B-Movies ebenfalls irgendein Tier in den Filmtitel einbauten. Dieser Modeerscheinung wollte er aber verständlicherweise nicht folgen. Glücklicherweise, denn sonst wären seine Filme schnell im Sumpf der 70er Italo-Massenproduktion verschwunden.

In Deutschland wurde dieser Streifen, passend zu den auslaufenden Sechzigern, marktschreierisch mit dem Namen von Edgar Wallace in Verbindung gebracht; galt dieser doch damals als DAS Zugpferd für Kriminalgeschichten aller Art. Dies zeigt auch sehr schön das damalige deutsche Filmplakat, welches sogar dreist behauptet, die ursprüngliche Story stamme von Wallace:
Bild
Dies ist allerdings grundfalsch, Wallace hat mit dieser Geschichte überhaupt nichts zu tun! Tatsächlich stammt die Geschichte aus der Feder von Dardano Sacchetti und Liugi Collo. Die beiden beschlossen einen Giallo zu schreiben, der als Basisgeschichte irgendwas mit neuerer wissenschaftlicher Forschung zu tun haben sollte. Zufällig entdeckte Sacchetti einen Fachartikel in einer amerikanischen Wissenschaftszeitschrift, der sich mit dem sogenannten X-Y-Y Genom beschäftigte. Der Artikel beschrieb eine Studie an amerikanischen Gefängnisinsassen die aufgezeigt hatte, daß über 50% der Häftlinge anstatt eines normalen X-Y Genoms eben jenes X-Y-Y Genom hatten. Die Forscher schlossen damals messerscharf, daß diese genetische „Fehlentwicklung“ ursächlich verantwortlich für die bösen Taten der Verbrecher sein müsse. Natürlich ist das völlig an den Haaren herbeigezogen, aber allzu leichtgläubige Wissenschaftshörigkeit, zumal sie auch eventuell noch in zeitgemäße Politik passt, ist eine Problematik, die sich vom Altertum bis heute durch die Zeit zieht.
Die Autoren schrieben also ihre Rumpffassung und besuchten dann Argento in seiner Villa. Obwohl diesem anfänglich Giallos nicht so recht zusagten, konnte er sich dennoch für diese Story begeistern und schrieb das passende Drehbuch dazu, in einer Rekordzeit von 48 Stunden – ohne Pause für Essen oder Schlaf.
Was Argento nun noch brauchte, sozusagen als Zugpferd für Geldgeber, war, neben der Tatsache, daß sein Erstling schon kommerziell erfolgreich war, ein großer Name im Produktionsstab. Vielleicht jemand, der ihm noch einen Gefallen schuldig war. Da traf es sich, daß er bei einem Filmdreh seines Vaters mit Ennio Morricone bekannt wurde. Man fand sich wohl symphatisch, denn Morricone sagte zu, er werde bei Darios erstem komplett eigenem Film die Musik beisteuern. Es kostete Argento also quasi nur einen Anruf, um das Versprechen des damals schon großen Komponisten einzufordern. Und Morricone hielt Wort: er steuerte nicht nur den wunderbaren Titelscore bei, sondern schrieb die gesamte Filmmusik. Da auch schon damals klar war, daß der Spannungsaufbau gerade bei Thrillern mit der Musik stehen und fallen kann, war schon mal viel gewonnen.
Auch mit den Schaupielern hatte Argento Glück (oder die Produktionsgesellschaft ein gutes Händchen, wie man’s nimmt). Knollennase Karl Malden war zu dieser Zeit durchaus schon ein bekanntes Gesicht, vorwiegend natürlich in Übersee. Von „Endstation Sehnsucht“ über „Faust im Nacken“ bis hin zu dem fabelhaften „Cincinnati Kid“, in welchem er an der Seite von Steve McQueen brillierte, war Malden eine feste Größe der damaligen Zeit. Die deutschen Zuschauer wurden wohl schon alleine durch Horst Frank in die Lichtspielhäuser gezogen, war er doch zuvor in mehreren Django-Filmen zu sehen und auch in einigen „echten“ Wallace Streifen. Ebenso war der Charakterkopf aus „Winnetou 2“ bekannt und drehte im gleichen Jahr, 1971, den in Deutschland recht erfolgreichen „Und Jimmy ging zum Regegnbogen“, die Adaption eines Simmel Romanes. Auch Catherine Spaak und Pier Paolo Capponi waren zumindest in Italien keine Unbekannten, auch wenn sie bis dato eher in B-Movies zu sehen waren. Ihrer Popularität tat das aber keinen Abbruch. Zuletzt dann noch James Franciscus in der Rolle des Giordani, der den Zuschauern als Brent in „Rückkehr zum Planet der Affen“ oder als Clayton Stone in „Verschollen im Weltraum“ bekannt war. Leider muß aber auch gesagt werden, daß Franciscus Popularität nach der neunschwänzigen Katze rasch sank und er in der Folgezeit nur noch in mehr oder weniger mittelmäßigen Produktionen und in Fernesehfilmen dahindümpelte.

Ironischerweise findet Dario selbst diesen Film eher schwach und er gefällt ihm eigentlich nicht mehr. Allerdings anerkennt er wohl, daß der Streifen selbst heutztage noch desöfteren in den Videotheken ausgeliehen wird (und auch auf DVDs verkauft wird). Es verwundert ihn einerseits zwar, andererseits sagte er in einem Interview dazu schulterzuckend und mit verschmitztem Grinsen: “Allora….. was soll’s. Die Geschmäcker sind halt verschieden.“

Argento probierte in diesem Film einiges an Kamera- und Schittechniken aus, die später desöfteren, auch in Filmen anderer Regisseure, Verwendung fanden. Hervorzuheben sind da natürlich die gerade für den Giallo typischen Point-of-view Aufnahmen, die die Geschehnisse aus der Sicht eines Protagonisten, in diesem Fall des Mörders, zeigen. Desweiteren kam hier auch erstmals die Schnitt-Rückschnitt-Schnitt Technik zum Tragen. Was sich fürchterlich kompliziert anhört, ist eigentlich recht banal aber dennoch wirkungsvoll. Beispielhaft sei die Szene herausgegriffen, in der sich Arno an Giordani erinnert. Wir sehen zuerst Arno und Lori in Arnos Wohnung. Als Lori ihm sagt, ein gewisser Giordani habe den Artikel über Calabresis Tod geschrieben sagt er: „Ah ja…Giordani“. Kurzer Schnitt auf Giordani im Büro, schneller Schnitt auf den nachdenkenden Arno und Lori, kurzer Schnitt auf Giordani, schneller Schnitt auf Arno, Schnitt auf Giordanis Büro und die Geschichte läuft hier weiter. Diese Schnittfolgen sind häufiger bei Erinnerungen zu beobachten. Die Art, damit den Schauplatz der Geschehnisse zu wechseln, ist durchaus reizvoll, zumal Argento dieses Stilmittel auch nicht überstrapaziert.
Auch erweist Argento den Altmeistern in manchen Einstellungen seine Referenz. Die Treppenhausszene, die oben im dritten Filmbild zu sehen ist, erinnert nicht von ungefähr an Hitchcock. Auch die teils kräftig-satte Farbgebung, die in manchen Einstellungen hervorblitzt, darf als Referenz an Altmeister Mario Bava gesehen werden. Dieses Eintauchen in die Farben sollte Argento in späteren Werken noch perfektionieren und seinen Filmen damit einen beinahe surrealen Touch verleihen.
Nicht unerwähnt bleiben darf auch das Set-Design. Manchmal sitzt man staunend davor und fragt sich, wo zum Teufel die Designer bloß all diese Stücke aufgetrieben haben. Manche Wohnungen in dem Film ließen Antiquare vor Entzücken hüpfen und einiges ist auch für das Auge des Laien einfach nur schön anzusehen.

Natürlich wurden bei einem solchen Streifen auch Special-FX eingesetzt. Eine interessante, weil kaum beachtete Geschichte hierzu, erzählt Argento in einem Interview. In eine der letzten Szenen, als der Mörder den Fahrstuhlschacht hinunterstürzt, versucht er noch, sich an den Drahtseilen festzuhalten um so seinen Fall abzubremsen. Natürlich muß das Brennen wie Hölle und folgerichtig sehen wir auch Rauch aus den Händen aufsteigen; verbranntes Fleisch eben. Heutztage wurde man es sich hier einfach machen, wie Argento richtig bemerkt, und einfach am Computer per CGI ein paar Rauchwölkchen dazumalen (oder, wie ich an dieser Stelle anmerken darf, ganz darauf verzichten. Das actiongeile Publikum gibt ohnehin einen Scheiß auf Realismus und würde das Fehlen dieses Verbrennungsrauches noch nicht mal bemerken. Man täte wahrscheinlich besser, die Hände per CGI immer weiter in bluttriefende Fleischklumpen zu verwandeln. Ist zwar schwachsinnig, aber die Gorehounds würden jubeln). Damals aber machte man sich noch die Mühe echter Tricks. So erhielt der Stuntman Zündreibeflächen in die Hände gepappt. Man filmte also das durch seine Hände laufende Seil, welches er leicht (!) umfasste. Durch die Reibung des Stahlseils an der Zündfläche entstand dann der gewünschte „ich verbrenn mit grad die Flossen“-Effekt. Voila, so einfach kann Filmtrickserei sein.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Beitrag von Shadow »

4 mosche di velluto grigio
Alternativ: Vier Fliegen auf grauem Samt ; Four flies on grey velvet

Italien, Frankreich 1971
Seda Spettacoli Spa., Rom – Universal Productions, Paris

Filmlaufzeit: ca. 96 Minuten
Bild

Roberto, Drummer in einer Rockband, fühlt sich von einem Unbekannten verfolgt. Eines Tages kann er ihn zur Rede stellen. Bei einer Auseinandersetzung tötet er den Verfolger versehentlich. Dabei wird er allerdings beobachtet. Am nächsten Tag erhält er einen Umschlag mit einem Foto seiner Tat. Nun fängt für Roberto der Ärger erst an; er gerät in einen Strudel aus Mord und Psychospielchen.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger beginnt Argentos letzter Teil seiner Tier-Trilogie ziemlich laut. Mit schmissiger Rockmusik unterlegt, startet der Streifen bei einer Probe von Robertos Band. Hier hat er bereits mit den ersten Fliegen zu kämpfen (scheint wohl heiß in Rom zu sein), welche aber noch nichts mit den titelgebenden Fliegen zu tun haben. Dennoch wird hier gleich mal der erste Schmunzler eingebaut, als Roberto eine Fliege mit Hilfe des Hi-Hat seines Schlagzeugs sauber erschlägt. Auch sehen wir hier zum ersten Mal Robertos unbekannten Verfolger. Dieser scheint schon länger hinter ihm her zu sein, denn Roberto reagiert auf den Anblick des Stalkers ziemlich genervt. Nichtsdestotrotz scheint heute der Tag der Entscheidungen zu sein, denn Roberto nimmt die Verfolgung des Mannes auf. Er folgt ihm bis in ein altes Theater hinein, wo er ihn zur Rede stellen will.
Bild
Stopp mal Freundchen, wir hätten da was zu bequatschen!

Im Zuge der nun folgenden Auseinandersetzung zückt der Fremde ein Messer, um sich den lästige Fragen stellenden Roberto vom Leib zu halten. Nun, wie die Engländer sagen würden, „in the course of events“ ersticht Roberto den Mann, allerdings eher versehentlich. Roberto wird auch schnell gewahr, daß er nicht alleine mit dem Verfolger im Theater ist. Hat doch irgend jemand sogar einen Scheinwerfer auf die beiden gerichtet, auch, wie wir schnell erkennen, um ein besseres Licht fürs fotografieren zu haben. Roberto versucht, den Zeugen zu erkennen, doch er ist durch den Scheinwerfer geblendet und kann nicht recht sehen, wer ihn da beobachtet hat.
Bild
Der Zeuge. Ist nur ‚ne Maske, aber doch irgendwie unheimlich, gell?

Am nächsten Tag liest Roberto in der Zeitung, daß die Leiche eines Unbekannten aus dem Fluß gefischt wurde. Beinahe zeitgleich erhält er Post: in einem Umschlag findet sich ein Foto seiner Tat und der Ausweis des Toten. Nun weiß er immerhin, daß der Mann Carlo Marosi hieß. Roberto ist darüber sehr beunruhigt, sieht aber noch keinen Anlaß zur Sorge, zumal keinerlei Erpresserschreiben oder sonstiges in dieser Art dem Umschlag beiliegt.
Am gleichen Abend ist bei Roberto und seiner Frau Nina eine kleine Party angesagt, zu der einige Freunde eingeladen sind. Darunter so illustre Gestalten wie ein Lyriker, der Horror-Sex-Crime Gedichte verfasst und ein Weltenbummler, der gerade aus Saudi Arabien zurückgekommen ist (scheint sich wohl um einen Teil der damaligen italienischen Intellektuellen-Szene zu handeln). Jener Weltenbummler erzählt, in aller scheußlichen Ausführlichkeit, von einer Hinrichtung, welcher er in Saudi Arabien beiwohnen durfte. Es handelte sich hierbei um die klassische Köpfung, die ja tatsächlich bis in die heutigen Tage hinein in manchen arabischen Ländern munter praktiziert wird. Roberto hört die Erzählung mit an, zeigt sich aber äußerlich unbewegt während einige anwesende Mädels ihren Ekel ob dieser Schilderung offen bekennen. Roberto aber hat eh anderes im Kopf. Gerade eben hat er zwischen den Schallplatten ein weiteres Foto seiner Tat gefunden. Schnell läßt er es heimlich verschwinden, wird dabei aber von Amelia, seiner Haushälterin, beobachtet. Doch, wie es sich für eine gute Maid gehört, sagt die Dame nichts weiter.

Später, in der Nacht, hat Roberto Alpträume. Offenbar ist die Köpfungs-Story seines Bekannten doch hängengeblieben, denn er träumt, er wäre der Verurteilte und der Scharfrichter holt schon mit dem Schwert aus. Erschreckt erwacht er: da war ein Geräusch. Roberto geht im Wohnzimmer nachsehen, kann aber nichts finden. Plötzlich legt sich eine Schlinge um seinen Hals und zieht sich zu. Eine Flüsterstimme läßt Roberto wissen, daß er jederzeit getötet werden könne, aber noch nicht jetzt. Der Erpresser will offenbar erst noch ein bisschen spielen. Dann verschwindet der Unbekannte genauso lautlos, wie er kam. Allerdings hat er Pech: als er am Zimmer von Amelia vorbeikommt, erkennt diese ihn, hält sich aber schlauerweise im Hintergrund. Durch den Radau geweckt, steht Nina im Zimmer und fragt Roberto, was in aller Welt eigentlich los sei und warum er so komisch wäre. Schließlich packt Roberto aus: er erzählt von dem Stalker Marosi, seiner Tat und der Zwickmühle, in die er geraten sei. Praktisch veranlagt, wie Frauen halt mal so sind, rät Nina ihm, schnellstens zur Polizei zu gehen. Das kann er aber nicht, wie er ihr mit zunehmender Ungeduld erklärt. Schließlich habe er jemanden auf dem Gewissen und dafür würde er locker mal eben fünfzehn Jahre einfahren. Nun ist auch Nina mit ihrem Latein am Ende und kann nur noch empfehlen, daß er sich vielleicht an einen Freund wende.

Tags darauf folgt Roberto ihrem Rat und besucht seinen Freund Godfrey, den alle nur Gott (engl. „God“) nennen. Dieser haust am Stadtrand in einfachen Verhältnissen in einer Art intellektuellen Künstler-Kolonie, der auch ein Typ angehört, der auf den Namen „Der Professor“ hört. Roberto trifft ihn in einer Hängematte faulenzend und fragt ihn, wo Gott sei. Die Antwort ist ebenso logisch wie vorhersehbar: „Gott ist überall“. Nachdem wir diesen Gag ausgiebig belacht haben, verrät der Prof, daß Gott unten am Fluß angelt. Roberto geht also zu ihm, um ihm seine Nöte zu klagen und hoffentlich Rat zu erhalten.

Bild
„Du mußt mich nicht Gott nennen. Sprich mich mit meinem Vornamen an: Allmächtiger.“

Godfrey hört sich seine Geschichte an und beordert den Professor für einen Tageslohn von 800 Lire, auf Roberto aufzupassen (dieser Betrag war übrigens damals schon lächerlich, der Prof geht allerdings trotzdem auf den Handel ein). Roberto hat zwar erhebliche Zweifel an den Fähigkeiten des Profs als Bodyguard, stimmt aber dennoch zu.
Wieder zuhause erfährt Roberto von seiner Frau, daß deren Cousine Dalia zu Besuch käme. Roberto paßt das in der gegenwärtigen Situation gar nicht so recht, aber Nina sagt ihm, so sei Dalia halt mal; sie komme, wie sie wolle. Notgedrungen akzeptiert Roberto also den Besuch der Verwandten.

Zwischenzeitlich macht Haushälterin Amelia einen Telefonanruf: sie spricht mit dem Erpresser/Einbrecher, den sie ja erkannt hat und auch besser zu kennen scheint, sonst hätte sie kaum seine Nummer. Sie kommt mit ihm überein, sich in einem Park zu treffen; offenbar denkt sie ihrerseits an Erpressung. Amelia geht also in besagten Park und wartet auf den Erpresser. Die Zeit vergeht, es wird abend und die Besucher haben den Park schon verlassen. Amelia wird die Warterei nun auch zu viel und sie beschließt, ebenfalls zu gehen. Doch der Erpresser ist bereits hier und verfolgt sie. Amelia hat nun berechtigterweise Angst um ihr Leben und versucht zu entkommen.
Bild
Als Irrgarten angelegte Grünanlagen geben tolle Kameraeinstellungen ab.

Schlußendlich läuft sie aber in eine Sackgasse und der Erpresser, der von nun an Mörder genannt werden darf, meuchelt sie nieder.

Am Abend ist wieder mal Party bei den Tobias’ angesagt (so der Nachname des Ehepaars Roberto und Nina). Ninas Cousine Dalia ist auch anwesend und folgt eher desinteressiert den Ausführungen des morbiden Lyrikers Andrea, der sich in eine Frankenstein-Porno Geschichte versteigt. Dalia aber beobachtet lieber heimlich Roberto. Hmm, denkt sich der geneigte Zuschauer. Kann es sein, daß sie ein Auge auf ihn geworfen hat? Ihn, den Mann ihrer Cousine? Pfui, wie unmoralisch!

Tags darauf sehen wir einen Mann in einem Cafe einen Anruf machen. Es ist, man glaubt es kaum, Carlo Marosi. Der Typ war nämlich gar nicht tot, sondern hat mit Hilfe eines Trickmessers nur so getan. Sinn und Zweck der Aktion sollte wohl sein, Roberto in Angst und Schrecken zu versetzen. Nun scheinen ihn aber Gewissensbisse zu plagen, denn der Mord an Amelia steht schon in der Zeitung. Daß nun wirklich jemand bei der ganzen Sache draufgeht hat er nicht gewollt und vereinbart ein Treffen mit dem Mörder, um mit ihm die Lage zu besprechen. Natürlich ist er nun eine Gefahr für den Mörder und im giallo-typischen point-of-view Stil werden wir Zeuge, wie jener nun Marosi endgültig um die Ecke bringt.

Da Amelias Tod nun schon die Spatzen von den Dächern pfeifen und die Nachforschungen des Profs nichts zutage gefördert haben, rät Godfrey Roberto nun doch die Hilfe eines professionellen Ermittlers in Anspruch zu nehmen. Am besten wäre da wohl ein Privatdetektiv. Er kenne da auch einen preiswerten und so wird Roberto am nächsten Tag in dessen Büro vorstellig.
Bild
„Hachgottchen… ich bin ein detektivierender Detektiv.“

Arrosio, so der Name des „Private Eye“, erweist sich als tuckiger Schwuler, der bestens das Klischee bedient und seinem neuen Klienten auch gleich mal verrät, daß er all seine bisher bearbeiteten 88 Fälle nicht lösen konnte. Daher sei es nun schon alleine nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit an der Zeit, daß er diesen Fall lösen werde. Roberto ist nicht überzeugt (der Zuschauer im Übrigen auch nicht) geht aber dennoch auf einen Auftrag ein. Vielleicht findet Arrosio ja was.

Als Roberto wieder nach Hause kommt, erwartet ihn der immer noch um sein Haus herumlungernde Professor. Die Polizei sei da und er rate Roberto, schnellstens zu verschwinden. Dieser tut aber genau das Gegenteil und es stellt sich heraus, daß die Polizisten da sind um Nina abzuholen. Offensichtlich soll sie die Leiche von Amelia identifizieren oder eine Aussage zu dem Fall machen, das wird in dieser Einstellung nicht ganz klar. Auf jeden Fall sagt Nina, daß ihr es langsam zu gefährlich werde und sie einstweilen, bis sich die Lage wieder beruhigt hat oder Roberto endlich auf ihren Vorschlag „wegzugehen“ eingeht, zu ein paar Bekannten aufs Land zu ziehen. Roberto ist davon zwar einerseits nicht begeistert, sieht aber andererseits auch den Vorteil, daß seine Frau wenigstens in Sicherheit ist, wenn sie ab vom Schuß ist.

Roberto bleibt also allein im Haus zurück – aber halt, Dalia ist ja auch noch da. Wir erfahren nun, daß sie tatsächlich spitz auf Roberto ist (denkwürdiger Dialog hierzu: „Nina ist nicht nur meine Cousine sondern auch meine beste Freundin. Trotzdem stört es mich nicht, mit dir zu bumsen.“ Es leben die 70er Jahre!) und auch Roberto einem kleinen Nebenabstecher nicht abgeneigt scheint.
Bild
Was ein echter Giallo ist, kommt nicht ohne blanke Titten aus.

Zwischenzeitlich ist Detektiv Arrosio fleißig am ermitteln. Er verfolgt mehrere Spuren und ist offenbar mit Eifer bei Sache, will er seinem Klienten doch beweisen, was er drauf hat. Er bittet Roberto zunächst um alle Fotos und Schreiben, die dieser vom Erpresser/Mörder erhalten hat. Desweiteren möchte Arrosio so viele Familienfotos wie möglich haben. Roberto weiß zwar nicht wieso, gibt sie aber dennoch heraus. Der Detektiv beginnt nun mit der akribischen Spurensuche.

Bild
Schon Sherlock Holmes wußte: ein guter Detektiv hat immer ein Lupe zur Hand

Er scheint auch über irgendwas zu stolpern, denn erstens hören wir ihn murmeln „Nein, diese Ähnlichkeit…“ und zweitens besucht er tags darauf eine psychiatrische Klinik. Dort begehrt er bei einem Arzt Auskunft über einen ehemaligen Patienten, der offenbar an psychotischer Schizophrenie litt und ein Problem mit seinem Vater hatte. Der klassische Irre also. (Daß die ärztliche Schweigepflicht in Italien scheinbar nicht viel Wert hat, steht auf einem anderen Blatt). Wir beginnen zu ahnen, daß der Detektiv auf einer heißen Spur ist, wurden wir doch im bisherigen Verlauf öfters mal Zeuge von Flashbacks des Mörders, in welchen dieser seinen unzufriedenen Vater hört und sich selbst in der Gummizelle sieht (als POV-Shot, natürlich). Unser Private Eye ermittelt also weiter, wird mittlerweile aber schon vom Mörder beobachtet.
Bild
Herrliches, argento-eskes Farbspiel ganz ohne Farbfilter.

In einer Szene sehen wir Arrosio zu Besuch bei einem Bekannten/Informanten. Offenbar handelt es sich hier um eine weitere Paradetucke erster Güte; der Sinn der Szene erschließt sich zumindest mir allerdings nicht, hat sie doch mit dem weiteren Fortgang der Geschichte nichts zu tun. Wir sehen auch noch, wie irgend jemand eine Spritze mit einer bläulichen Flüssigkeit aufzieht. In der nächsten Einstellung ist unser Detektiv in der U-Bahn unterwegs, augenscheinlich hat er sich an die Fersen des Mörders bzw. Verdächtigen geheftet. In einer Station sieht er den Mörder aussteigen und verfolgt ihn bis zu einer Toilette. Darin kommt es dann zum Showdown, bei dem Arrosio allerdings den Kürzeren zieht: er wird das nächste Opfer des Mörders, der ihn mit Flüsterstimme noch zu seinem Scharfsinn gratuliert. Arrosios letzte Worte „Mist. Das wäre doch der erste Fall gewesen, den ich gelöst hätte.“

Roberto weiß von alldem noch nichts. Er trifft sich gerade mit Godfrey und dem Professor. Die Szenerie ist ausgesprochen skurril: es handelt sich offensichtlich um eine Sarg-Ausstellung oder eine Messe der Leichenbestatter. Während Godfrey Profiling-Arbeit im Hinblick auf den geheimnisvollen Mörder leistet, dürfen wir zwischenrein immer mal wieder die neuesten und abgefahrensten Sargmodelle bewundern.

Bild
Modell „Iron Maiden“. Filmdialog dazu:
Kunde: „Ich weiß ja nicht, erscheint mir irgendwie ein bißchen eng.“
Verkäufer: „Das sieht nur so aus, mein Herr. Bisher ist noch keiner meiner Kunden wiedergekommen und hat sich beschwert.“


Tags darauf sehen wir Roberto bei einer Probe mit seiner Band. Dalia, die über die Situation mittlerweile Bescheid weiß, packt derweil in Robertos Anwesen ihre Koffer. Offenbar wird ihr entweder der Boden langsam zu heiß oder sie hat schlicht anderes zu tun. Von einem Geräusch aufgeschreckt, nimmt sie an, der Mörder sei wieder in das Appartement eingedrungen und sie versucht, Roberto anzurufen. Der Bandmanager bescheidet ihren Gesprächswunsch allerdings abschlägig; die Band sei gerade mitten in einer Aufnahme. Er verspricht aber, Roberto Bescheid zu sagen. Dalia muß dies wohl oder übel akzeptieren. Sie schleicht durch die Wohnung auf der Suche nach…ja was? Dem Mörder? Einem Ausweg? Einem Versteck? So genau wissen wir das nicht; es stellt sich aber heraus, daß sie sich angstvoll in einem Schrank auf dem Dachboden versteckt. Durch einen offenen Spalt in den Schranktüren sieht sie draußen im Zimmer den Mörder herumschleichen, der sie wohl nicht findet und wieder abzieht. Dalia kommt aus dem Schrank heraus, läuft um eine Ecke zur Treppe und genau dem Mörder in die Arme, der sie auch prompt gar grausig niedermetzelt.
Bild
Der Moment des Todes: Dalia sieht dem Mörder direkt ins Gesicht.

Zwischenzeitlich ist Robertos Aufnahme beendet und er versucht Dalia telefonisch zu erreichen, allerdings erfolglos. Noch nimmt er dies schulterzuckend hin, sieht aber kurz darauf eine Meldung in der Zeitung die besagt, daß ein bekannter Privatdetektiv tot aufgefunden wurde. Nun ist er doch etwas aufgeschreckt und eilt nach Hause. Zu spät allerdings: Dalia ist bereits tot. Bei der anschließenden Leichenschau macht ihm ein Kriminaler ein Angebot. Es gebe da eine neue, erfolgversprechende Methode. Man habe herausgefunden, daß der letzte Anblick des Opfers sich quasi in die Netzhaut einbrenne und es gebe ein Verfahren, dieses Bild sichtbar zu machen. Damit könnte der Mörder vielleicht überführt werden. Eile sei allerdings geboten und so stimmt Roberto der Prozedur zu. Das folgende Ergebnis fällt allerdings ziemlich verblüffend aus.

Bild
Vier Fliegen….endlich wird der Filmtitel untergebracht.

Noch immer über das Abbild der vier Fliegen rätselnd, die Dalia als letztes gesehen hat, steigt Roberto in sein Auto, um nach Hause zu fahren. In seinem Wagen findet er einen Zettel, dessen Botschaft besagt, er sei der nächste. Nun (endlich, wie ich meine) hat Roberto aber endgültig die Schnauze voll und bewaffnet sich mit einer Pistole. Er hat vor, in seiner Wohnung auf den Mörder zu warten und ihn notfalls über den Haufen zu schießen.

Wir sehen nun also Roberto in seinem Appartement sitzen, in der obligatorischen dunklen und stürmischen Nacht. Roberto hat noch einen kleinen Trick auf Lager: er verlängert die Drähte des Lichtschalters derart, daß er das Licht auch von der anderen Raumseite aus einschalten kann und wartet im Dunkeln. Als er merkwürdige Geräusche vernimmt wird ihm wohl doch ein wenig mulmig, denn er ruft Godfrey an, um um Unterstützung zu bitten. Das Gespräch wird allerdings vorzeitig getrennt; irgendwer hat wohl die Leitung gekappt. Das letzte was von Godfrey zu hören ist, ist der Satz „Ich komme, so schnell ich kann.“ Roberto sitzt nun also wieder allein im Dunkeln, als sich jemand an der Tür zu schaffen macht.
Roberto nimmt die Waffe in den Anschlag, die Tür geht auf und herein kommt ein Bekannter. Roberto ist anfangs verblüfft, dann legt er aber die Waffe beiseite und weist seinen Bekannten an, sich schleunigst zu verziehen; immerhin könne der Mörder jeden Moment kommen. Plötzlich fällt Robertos Blick auf einen bestimmten Gegenstand und schlagartig wird ihm bewußt, hier den Mörder vor sich zu haben. Im allgemeinen Gerangel kann der Mörder dummerweise auch noch Robertos Pistole an sich bringen und er schießt ihm erstmal in die Schulter. Nun folgt das bei Krimis übliche „why have I done this“ und uns wird klar, daß wir es hier mit einem amtlichen Irren zu tun haben. Er schießt Roberto noch ins Bein, als plötzlich Godfrey die Szenerie betritt und den Mörder überwältigt. Dieser kann aber fliehen. Godfrey kümmert sich um seinen Freund und Roberto sagt ihm, nun sei ihm auch sein immer wiederkehrender Alptraum mit der Köpfung klar. Es sei nicht sein Kopf, der da rolle, sondern der des Mörders. Wie zum Beweis dieser Voraussage werden wir in einer letzten Zeitlupeneinstellung Zeuge, wie der Mörder bei seiner Flucht mit voller Wucht mit seinem Wagen hinten auf einen LKW knallt. Der Wagen schiebt sich halb unter den Laster, der Mörder stirbt blutig. Ende.


Im Gegensatz zum direkten Vorgänger fällt an „Vier Fliegen“ schon stärker der spätere Argento-Stil auf, was den Verlauf der Handlung angeht. Die gradlinige Kriminalgeschichte mischt sich mit Traumsequenzen von Roberto und Flashbacks des Mörders und lassen den Streifen so öfters mal einen Haken schlagen. Beibehalten wurde der öfters mal eingestreute Humor, allerdings fällt er hier teilweise etwas schwärzer aus. Von der oben beschriebenen Szenerie der Bestattermesse abgesehen, fällt noch der Briefträger als „running gag“ auf. Ninas im gleichen Haus wohnende Nachbarin beschwert sich bei ihr, daß der Briefträger immer absichtlich dieses „scheußliche und widerliche Pornozeugs“, welches eigentlich dem gegenüber wohnenden Nachbarn gehört, bei ihr versucht zuzustellen. Offenbar wolle er sie nur sehen und sie sich nackt vorstellen. Der Briefträger ist also allem Anschein nach ein kleiner Perversling. Auch die Gestalt des „Professors“ sorgt ab und an für Heiterkeit und nicht zuletzt auch Arrosio, obwohl dessen übertrieben schwuchteliges Verhalten doch ein bißchen zu überzogen scheint. Argento selbst winkt beim Vorwurf, Schwule lächerlich zu machen, allerdings ab. Auch den Vorwurf der Homophobie (schließlich kam im Vorgänger Horst Frank als Schwuler auch nicht gerade gut weg) wehrt er ab. In einem Interview sagte er zum Thema Arrosio: „Der Detektiv ist der einzige, der den Fall löst, er ist klüger als die anderen. Vielleicht ist er lustig, aber er ist ein guter Mensch“. Nicht zuletzt war es auch die Idee des Schauspielers Marielle, die Rolle so anzulegen.

Mit der Kamera sind Argento auch hier wieder ein paar schöne, einprägsame Momente gelungen. Mit zum Besten gehört natürlich die im vierten Szenenbild zu sehende Szenerie des Park-Irrgartens, aber auch gleich am Anfang bietet die Verfolgung des Stalkers einige schlicht schöne Momente (kameratechnisch, versteht sich). Und auch der Mord an Dalia ist in Einstellung und Schnitt hervorragend umgesetzt.

Was den Ton angeht, zeichnete sich hier wiederum Ennio Morricone für den Score verantwortlich. Mal mit Ausnahme des Titelstücks hat der Altmeister wieder tief in die Klangkiste gegriffen und einen dramatischen, beinahe träumerisch guten Score geschaffen, der sich bestens in den Film integriert. Merkwürdigerweise war Argento aber ganz und gar nicht mit Morricones Arbeit zufrieden. Dies führte gar zum Streit und schließlich ging man getrennte Wege. Argento sollte zukünftig mit der Progressive-Rockband „Goblin“ zusammenarbeiten (wobei er auch hier wieder ein äußerst glückliches Händchen mit seiner Auswahl bewies). Erst über 20 Jahre später, Mitte der 90er, arbeiteten Argento und Morricone wieder zusammen, dann an „La sindrome di Stendhal“.
Auch von Dialogen her paßt die Choose; von einigen Wortwitzchen abgesehen bleibt die Stimmung ernst und die Dialoge mehr oder weniger der Handlung angepasst. Einzig in der deutschen Synchro wurde an einer Stelle, nämlich am Monolog des Psychiaters, gnadenlos gepatzt. Hier wollte man es wohl zu gut mit der Übersetzung machen und gibt dabei unbewusst einen Hinweis, den wir an dieser Stelle eigentlich nicht hören wollen.

Was die Schauspieler angeht, war die Lage nicht ganz so klar. Für den damaligen Vertrieb zeichnete sich Paramount Pictures verantwortlich und wie bei den vorlauten Amerikanern üblich, sicherten sich diese ein Mitspracherecht bei der Besetzung zu. Für die Hauptrolle sollte unbedingt ein Amerikaner mit hohem Bekanntheitsgrad her; dummerweise hatten alle in Frage kommenden keine Zeit oder waren vorher durch ausgesprochene Flops eher negativ aufgefallen. Argento verpflichtete schließlich Michael Brandon für die Rolle des Roberto, der in seinen Augen die Idealbesetzung darstellte. Damit bewies er kein so gutes Händchen. Brandon, hier in seiner erst zweiten Hauptrolle, stolpert eher uninspiriert durch die Handlung und vermittelt dem Zuschauer nicht unbedingt das Gefühl, sich in die Person Roberto hineinversetzen zu wollen.
Mimsy Farmer, die Darstellerin der Nina, war da schon ein anderes Kaliber. Vorher bereits bekannt durch Auftritte in Serien wie „Lassie“, „Perry Mason“ und „F.B.I.“ sowie in Filmen wie „Gier nach Lust“ und „Kurier des Zaren“ war Farmer ´71 bereits eine etablierte Schauspielerin. Dennoch bin ich der Meinung, daß sie hier unter ihrem Können spielt, mal von einer Szene abgesehen. Gleiches gilt auch für Bud Spencer alias Godfrey, welcher sowohl vor als auch nach „Vier Fliegen“ sehr erfolgreich im Filmbusiness war. Spencer hätte durchaus eine tragendere Rolle in diesem Streifen gut zu Gesicht gestanden.
Ebenfalls ein bekanntes Gesicht war der Franzose Jean-Pierre Marielle in der Rolle des Detektivs Arrosio. Er war zwar eher im Komödienfach unterwegs (und hatte dabei auch schon mit dem großen Louis De Funes gedreht) und konnte wohl auch in dieser Rolle nicht ganz den komödiantischen Aspekt ablegen, dennoch darf seine Performance durchaus als gelungen und in sich stimmig angesehen werden. Zuletzt war Marielle im Übrigen in „Der da Vinci Code“ zu sehen.
Auch der Schauspieler mit dem sprechenden Namen Calisto Calisti, der hier den Carlo Marosi mimt, war den damaligen Kinogängern durchaus ein Begriff, wenn auch eher von der Westernsparte her. Oreste Lionello, welcher den Professor darstellt, kannten die Zuschauer eher aus…sagen wir mal….seichteren Filmchen. Zwar spielte er später nochmal an der Seite von Bud Spencer (in „Hector, Ritter ohne Furcht und Tadel“), aber es tauchen in seiner Vita auch Filme auf mit solch klingenden Namen wie „Schneefickchen und die Sex-Zipfelzwerge“. Francine Racette schließlich, die hier als Cousine Dalia auftritt, hat insgesamt überhaupt nur in 11 Filmen mitgewirkt. Sie beschränkt sich eher darauf, Donald Sutherlands Ehefrau zu sein.
Zusammenfassend kann man also von einem Glücksfall mit der Besetzung sprechen, sind doch einige alte Hasen und angesehene Mimen mit an Bord.

Insgesamt gesehen schneidet der Streifen aber im Vergleich zum direkten Vorgänger doch etwas schwächer ab. Dies lag nicht zuletzt sicherlich auch daran, daß Argento beim Dreh nicht ganz bei der Sache war. Es selbst sagt, daß sowohl Vorbereitung und Dreh durch Veränderung in seinem Privatleben überschattet wurden (Scheidung, Sorgerechtsstreit um Tochter Fiore). Auch wurde er durch den Erwartungsdruck von Außen experimentierfreudiger im Bezug auf Filmstil, Farbgebung, Musik und Schauspieler. Offenbar wollte er aber zu viel auf einmal umsetzen und manchesmal paßt das Ergebnis eben nicht so recht zu einem Giallo.
Was also letztendlich übrigbleibt ist ein Mischmasch aus vergangener, reinrassiger Krimi-Giallo-Erzählweise und ein kleiner Vorgeschmack auf das kommende, bedeutend bessere Schaffen von Argento.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Die Halunken

Beitrag von Shadow »

Le cinque giornate
Alternativ: Die Halunken ; The five days of Milan

Italien, 1973
Seda Spettacoli Spa., Rom

Filmlaufzeit: ca. 116 Minuten
Bild
Im März 1848 bricht in Mailand ein Aufstand aus, der die österreichischen Truppen zum Rückzug zwingt. Während der fünf Tage des Aufstandes geraten der Gelegenheitsdieb Cainazzo und sein Freund Romolo zwischen die Fronten und erleben die wildesten Abenteuer. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit den Beiden.

Wir starten mit einem Blick in ein Mailänder Gefängnis, in dem Cainazzo mit einigen anderen Häftlingen (wir hören, daß sich hier wohl auch „dreckige Österreicher“ befinden) in einer Großraumzelle sein Dasein fristet. Offenbar wurde er eines kleinen Verbrechens schuldig befunden, sonst wäre er wohl anders untergebracht. Gleich eine der ersten Szenen in diesem Film ist typisch für die weiterhin bestimmende Mischung aus Komik, Brutalität und historischer Ernsthaftigkeit. Cainazzo wird von einer Ratte belästigt (historisch korrekt; Mitte des 19.Jahrunderts wimmelte es in Gefängnissen von diesen Viechern) und erschlägt sie mit einem Fausthieb (recht brutal). Dann wirft er die Ratte achtlos hinter sich und sie landet mitten im halboffenen Mund eines schlafenden Mitgefangenen (ziemlich komisch). Dieser ist naturgemäß ob des toten Viehs nicht recht erbaut und erkundigt sich lautstark, welcher seiner Mithäftlinge diesen Anschlag auf ihn verübt habe. Logischerweise nimmt niemand die Schuld auf sich. Zwischenzeitlich hören wir in Gesprächen anderer Gefangener, daß die „Patrioten“ planen, mit einer Kanone ein Loch in die Gefängnismauer zu schiessen, sodaß einer der ihren fliehen kann. Es dauert auch nicht lange und mit einem gewaltigen Knall verabschiedet sich ein Teil der Außenmauer. Cainazzo nützt die Gunst der Stunde und klettert über den eigentlich zu befreienden Patrioten hinweg in die Freiheit.

Bild
In Freiheit! Aber wer kommt denn da?

Cainazzo hat zunächst nur ein Ziel: er will Zampino, den ehemaligen Chef einer kleinen Bande, zu der auch Cainazzo gehörte, aufsuchen. Zampino schuldet ihm nämlich noch Geld aus einem Einbruch. Er hat sich aus dem Staub gemacht während Cainazzo erwischt und eingebuchtet wurde. Er sucht also seine alte Bande auf und erfährt von einem der Mitglieder, der sich selbst Professor nennt, daß der alte Bandenchef sich mittlerweile selbst „Freiheit“ nennt und zu einem Patrioten geworden ist. Cainazzo interessiert sich aber nicht für Politik; davon versteht er nichts. Er will nur sein Geld. So kleidet er sich im Unterschlupf der Bande neu ein und beschließt, Zampino zu suchen. Der Professor rät ihm noch, eine Fahne mitzunehmen, schließlich sei es in diesen revolutionären Tagen besser, Farbe zu bekennen. Damit er seine Ruhe hat, geht Cainazzo darauf ein, greift aber, da eben politisch blauäugig, zur österreichischen Fahne. Sein Kumpel erklärt ihm, dies sei die falsche also nimmt er die nächste aus dem Schrank, diesmal die schweizerische. Auch die passt aber nun mal nicht und so nimmt er zwei weitere Fahnen aus dem Schrank und fragt entnervt, welche die richtige sei: blau (französische Trikolore) oder grün. Nachdem man ihm die richtige Fahne gegeben hat, zieht er durch die Straßen von Mailand auf der Suche nach Zampino. Allerdings nicht ganz unbemerkt; da er mit italienischer Flagge herumläuft halten ihn die Leute für einen patriotischen Kämpfer und alsbald hat sich eine Schar hinter ihm versammelt, die ihn für ihren neuen Duce hält.
Bild
Drah di net um, der Mob geht um.

Cainazzo bemerkt dies allerdings erst in einer Pinkelpause und gibt schleunigst Fersengeld, da er nicht so recht weiß, was diese Leute eigentlich von ihm wollen.
Irgendjemand steckt ihm, daß sein Kumpel „Freiheit“ nun zu einem Führer der Patrioten geworden ist und er ihn wohl im Rathaus antreffen könne. Cainazzo begibt sich also dorthin und wird Zeuge einer Diskussion zwischen den Patrioten und den Vertretern von Klerus und Adel. Die Patrioten werfen den anderen dabei Korrumpierbarkeit vor und klagen sie an, gemeinsame Sache mit Radetzky zu machen. Insbesondere der Klerus sei wohl nur an der Machterhaltung interessiert, weshalb er auch ohne zu Zögern mit dem Papst paktiere.

Bild
Debatte im Haus des Volkes.

Cainazzo begreift hier gar nichts und da Zampino nicht anwesend ist, geht er wieder. Auf der Straße wird er von einem anderen Patrioten (zwischenzeitlich halten fast alle Cainazzo auch für einen solchen) über die Demokratie aufgeklärt. Er versteht das ganze zwar nicht recht, ist aber eher der Anarchie zugeneigt. In seiner Suche bringt ihn das aber nicht weiter.
Ein paar Straßen weiter hört er Schüsse und beschließt, sich sicherheitshalber in einer Bäckerei zu verstecken. Der Bäcker, Romolo, ist über den Eindringling etwas verwundert und in einer fast komischen, wortlosen Szene versucht er, Cainazzo wieder hinauszuscheuchen. Dieser geht dann auch wieder und kann draussen gerade noch hinter einem Fass in Deckung gehen, als Artilleriefeuer die Bäckerei auseinanderfetzt. Zurück bleibt ein sichtlich verwirrter Romolo.
Bild
Das Brot ist zwar jetzt heiß, aber …. war hier grad nicht noch ein Haus?

Bevor eine weitere Kanonenkugel einschlägt holt Cainazzo Romolo aus dem Haus heraus. Dieser ist für seine Lebensrettung recht dankbar und will sich nun an Cainazzo, den er immer nur „Carna“ nennt, dranhängen.
Einschub: um diesen CaRna-CaIna Wortwitz zu verstehen, muß man wissen, daß Argento das damals in Mailand herrschende Chaos auch sprachlich umsetzte. So werden in der Originalfassung fünf verschiedene italienische Dialekte gesprochen; kaum einer versteht den anderen, gleichsam einem babylonischen Wirrwar. Romolo, der aus Rom kommt, hat wohl Probleme mit den Mailänder Dialekten.
Cainazzo passt das anfangs gar nicht so recht, schätzt er Romolo doch richtig ein. Dieser mag zwar das Herz auf dem rechten Fleck haben, ist aber dennoch ein ziemlicher Simpel, was Cainazzo in die große-Bruder-Rolle drängt. Dennoch zieht er nach anfänglichem Widerstand mit und Romolo darf ihn auf seiner Suche nach Zampino begleiten.
Kurz darauf sehen die beiden in einer weiteren Straße eine surreale Szenerie: aus einem Palazzo heraus wird eine Barrikade gegen die Österreicher errichtet, aus Kutschen, Möbeln und anderem hochwertigen und teurem Zeug. Die Aufsicht über diese Arbeiten führt ein recht dandyhafter Architekt, gekleidet in feinstes blaues Samttuch samt passendem Zylinder. Die Sachen gehören einer mailändischen Komtess, die Cainazzo und Romolo entdeckt und diese prompt zum Mithelfen beim Aufbau der Barrikade verdonnert.

Bild
Die Komtess hat einen Plan und alle müssen mitmachen.

Etwas pikiert folgen beide den Anweisungen des Architekten, der die „großen starken Männer“ dazu verdonnert, einen Diwan nach unten zu schaffen. „Einen was?“ „Na ein Sofa; so ein großes weißes Ding zum Draufsetzen.“ Nachdem sie den Diwan heruntergetragen haben, machen sich die beiden allerdings schnellstens wieder aus dem Staube. Zum Arbeiten sind sie nun nicht hier und außerdem wollen sie immer noch versuchen, sich aus dieser ganzen Revolutionsgeschichte herauszuhalten.
Einige Straßen weiter treffen sie auf eine wimmernde Frau, die in einem Hausgang liegt und um Hilfe ruft. Die Arme ist hochschwanger, kurz vor der Niederkunft und schafft es nicht mehr in ihre Wohnung. Natürlich können unsere beiden Helden sie hier nicht so liegenlassen und bieten sich an, die Dame in ihre Wohnung zu tragen; zum Pech der beiden liegt diese in der obersten Etage. Dort angekommen klagt die Dame ihnen ihr Leid: ihr Mann wäre nicht da, sie würde jeden Moment gebären und brauche dringend Hilfe. Die beiden könnten sie jetzt nicht im Stich lassen. Cainazzo und Romolo sind entsetzt, hatten sie doch bisher nichts mit Geburtshilfe zu tun und haben auch keinerlei Ahnung davon, was zu tun sei. Sie wollen gehen und Hilfe, am besten weibliche, holen. Das herzzereissende Klagen der Frau läßt sie aber innehalten und sie beschliessen zu helfen. Allerdings müsse die Frau sie schon anleiten, denn, wie gesagt, sie haben keine Ahnung. Man tifft also alle notwendigen Vorbereitungen was Anlaß zu einigen slapstickhaften Einlagen gibt. Schlußendlich hat man es dann aber doch geschafft, heiße Tücher, ein Klistier und eine desinfizierte Schere zurechtzulegen.
Bild
Alle Mann auf Position – fertig zur Geburt.

Nach einigem Hin und Her ist’s dann geschafft: die Frau bringt einen Jungen zur Welt und alle sind zufrieden.
Beim Hinausgehen fällt den beiden auf, daß im gesamten Haus niemand mehr ist. Auch die Straßen sind plötzlich wie ausgestorben. Ein paar Ecken weiter steht man unvermittelt wieder vor der Barrikade der Komtess; auch hier ist niemand. Seltsam. Als die beiden sich der Barrikade nähren, psstet sie jemand an und teilt ihnen im Flüsterton mit, sie sollen auf die Knie gehen. Verwundert kommen die beiden dem nach und als nächstes sehen wir Dutzende Musketenläufe, die über den beiden hinwegzielen. Die erste Salve kracht und nun haben auch Cainazzo und Romolo begriffen, daß sich hinter ihnen ein Trupp Österreicher befindet. Schnell schlüpfen sie durch die Barrikade (passenderweise durch die Türen der Kutsche) ins italienische Lager. Hier herrscht hektische Betriebsamkeit. Während die einfachen Bürger eine Salve nach der anderen gegen die anstürmenden Österreicher abfeuern, nimmt die Komtess erstmal ihren Nachmittagstee ein; auf offener Straße in gediegener Atmosphäre. Diese wahrhaft groteske Szene gemahnt den Betrachter fast ein wenig an die Filme Fellinis.
Unsere Helden müssen sich nützlich machen, sie werden zum Laden der Musketen eingeteilt. Großspurig zeigt Cainazzo Romolo, wie es richtig gemacht wird: immer gut viel Pulver in den Lauf. Als daraufhin logischerweise eine Muskete in der Hand des Schützen explodiert, schieben sie schnell die Schuld auf einen anderen und geben Fersengeld. Trotz dieses Zwischenfalls sind die Italiener siegreich und tragen die Komtess im Triumphzug in den Palazzo, wo die offensichtlich nymphomane Dame beschliesst, ihre Landsleute unabhängig von Stand und Herkunft mit Beischlaf zu belohnen.
Cainazzo und Romolo haben andere Sorgen. Immer noch auf der Suche nach Zampino will Cainazzo dem Römer ein bisschen von der Diebeskunst beibringen. Also steigen sie in einen Palazzo ein, um etwas Beute zu machen. Allerdings haben sie wieder Pech: es ist nichts mehr von Wert zu finden, andere Plünderer waren schneller. In der Bibliothek treffen sie letztlich auf den Besitzer, einen Adeligen samt seiner äußerst merkwürdigen Nichte. Dieser ist aber nicht an Strafverfolgung interessiert, vielmehr erklärt er den beiden die Wahrheit hinter der Revolution. Er sagt ihnen, daß sie, die einfachen Leute, ohnehin nur Schachfiguren in diesem Spiel sind. Die Revolution könne nicht erfolgreich sein, erklärt er, und letztenendes würden sie nur einem anderen Herrn dienen.

Bild
Politischer Unterricht in der Bibliothek.

Schließlich wird es Cainazzo zuviel der Lektionen und die beiden verschwinden unter dem irren Gelächter des Adligen wieder. Da der Palazzo nun als Schlafplatz ausfällt, müssen sie wohl oder übel auf der Straße nächtigen. Am nächsten Tag werden sie unsanft von Bajonetten geweckt. Eine kleine Schar unter Führung eines scheinbar zu republikanischen Idealen konvertierten Adeligen, seines Zeichens ein Baron, rekrutiert die beiden kurzerhand als „Freiwillige“ für seiner Rotte Aufständischer. Er erklärt ihnen gönnerhaft, sie dürften ihn mit „Duce“ ansprechen und weist sie an, ihm zu folgen. Zwar haben unsere Helden darauf keine große Lust, aber es bleibt ihnen keine andere Wahl. Denn, so erklärt Cainazzo, es sei nun mal so, daß die Führer die Befehle geben und die einfachen Leute dem zu folgen haben. Außerdem, führt er weiter aus, wolle er nun doch wissen, was eigentlich hinter dieser ganzen Revolutionssache stecke, seine Neugierde ist nun geweckt und er wolle sich das alles mal genauer ansehen.
Bild
Nein, ich bin nicht Karl Marx. Auch nicht Maximilian Schell. Ich bin der Baron.

Also ziehen die beiden mit und werden prompt in den Sturm auf ein Amtsgebäude verwickelt, das von den Österreichern gehalten wird. Nach einigen Schießereien schwenken die Kaiserlichen schließlich die weiße Flagge und die Patrioten ziehen jubelnd in das Gebäude ein und nehmen die Österreicher gefangen. Drinnen sehen sie dann fünf gehenkte Italiener, augenscheinlich verurteilte Gefangene oder sonstige, aus Sicht der Österreicher, Revolutionsverbrecher. Darüber geraten die Italiener derart in Wut, daß sie alle Kaiserlichen töten. Fassungslos verfolgen Cainazzo und Romolo dieses barbarische Treiben. Nun wähnen sich die Revoluzzer einem großen Etappensieg nahe, haben allerdings nicht damit gerechnet, daß sich die Nachricht des Tötens von Soldaten, die sich ergeben haben, schnell bei den Österreichern herumspricht. Rittmeister Kraus reitet mit seinen Leuten los, um diese Barbarei zu rächen und es kommt auf dem Platz vor dem Gebäude zu einem kurzen, aber blutigen Gemetzel, bei dem so gut wie alle Italiener abgeschlachtet werden.

Bild
Nach dem Gefecht: der Piazza ist ein Schlachthaus.

Während des Getümmels sieht Cainazzo seinen Freund Romolo fallen. Nach der Schlacht kann er ihn nirgendwo finden und nimmt nun an, sein Freund sei getötet worden.
Für ihn geht das Leben allerdings weiter. Erstens muß er immer noch Zampino finden und zweitens hat er Hunger. Da trifft es sich, daß in einem Haus ein paar Straßen weiter ein „Fest des Volkes“ stattfindet, bei dem es auch reichlich zu speisen gibt. Cainazzo und ein Weggefährte wollen sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und gehen in das Haus hinein. Dort werden sie von einem Diener empfangen, der Cainazzos Kampfgefährten gleich wieder fort schickt, weil dieser stinke und ungewaschen sei. Cainazzo hingegen wird in eine Dienerkluft gesteckt und es beginnt ihm langsam zu dämmern, daß dieses „Volks“fest bestenfalls ein Euphemismus sein kann. Im Bankettsaal will er sich ein Stückchen Geflügel stibitzen, als er draussen Stimmen hört. Schnell flüchtet er unter den Tisch und wird nun Zeuge des Festes: nicht das Volk feiert hier, sondern der Adel, das Militär und der Klerus. Cianazzo hört einige der Unterhaltungen mit an, schläft aber dann unter dem Tisch ein, wo er am nächsten Tag von einer Magd gefunden wird. Schnell macht er sich aus dem Staub.
Etwas später sehen wir ihn, wie er gerade von einigen Leuten verprügelt wird. Er hat sich kritisch über die Ziele und die Art der Revolution geäußert und ein paar Patrioten haben beschlossen, ihm ihre Argumentation handgreiflich verständlich zu machen. Rettung in letzter Sekunde erfolgt durch einen hinzugekommenen Mann, der die Patrioten warnt, daß eine Horde Österreicher gleich um die Ecke kommen würde. Die Patrioten flüchten und der Unbekannte hilft Cainazzo wieder auf die Beine: es ist Romolo. Irgendwie hat er es geschafft, dem Schlachtfeld zu entkommen und war seither auf der Suche nach Cainazzo. Man freut sich über das Wiedersehen als Cainazzo plötzlich Zampino in einer Kutsche entdeckt. Schnell läuft er ihm hinterher, um eine Ecke herum – und knallt mit dem Kopf genau gegen die Füße eines Gehenkten. Ein Schild weist ihn als Verräter aus und auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind ein Handvoll Patrioten gerade dabei, seine Witwe ebenfalls zu bestrafen. Mit einer List gelingt es Cainazzo und Romolo, die Dame aus den Händen der Marodeure zu befreien. Zum Dank bietet diese ihnen Essen und Wein, was unseren hungrigen Helden ganz gut zu pas kommt.
Bild
„Nun geh schon und mach die Tante an!“ „Bloß wie? Wie, frag ich dich.“

Die leicht überkandidelte Lady findet offenbar an Romolo Gefallen, war ihr verstorbener Gatte doch schon in den Sechzigern und körperlich wohl nicht mehr so ganz auf der Höhe. Während sich Cainazzo also den Bauch vollschlägt, bandelt Romolo mit der Witwe an, was ihn schließlich in ihr Bett führt.
Tags darauf beschliesst Cainazzo, alleine weiterzuziehen und beauftragt die Witwe, gut für Romolo zu sorgen. Er hat die Schnauze voll vom Mailänder Wahnsinn und will nur noch nach Hause in sein Heimatdorf. Den Plan, Zampino zu suchen, hat er aufgegeben. Nachdem er einige Stunden durch die Stadt gestreift ist, auf der Suche nach einer Möglichkeit diese zu verlassen, trifft er wieder auf Romolo, der ihn gesucht hat. Cainazzo sei schließlich sein Freund und diesen lasse man nicht allein. Die beiden biegen um eine Ecke und laufen prompt dem Trupp des Duce Baron in die Arme. Dieser freut sich über das Wiedersehen, hatte er doch geglaubt, sie seien im Gemetzel mit den Österreichern umgekommen. Daran, daß die beiden absichtlich desertiert sein könnten, denkt er nicht im Mindesten.
Sein Trupp hat einen Tipp bekommen: ein Österreicher hat wohl ein Verhältnis mit einer Mailänderin. Der Tippgeber ist niemand anderes als der Verlobte der Mailänderin, der wohl selbst zu feige ist, seine Braut zur Rede zu stellen. Cainazzo findet das zum Kotzen und während der Baron mit seinen Leuten das Zimmer des Liebespaares stürmt, verprügeln er und Romolo den feigen Verlobten. Der Baron hat zwischenzeitlich den österreichischen Offizier getötet und beschliesst nun, die Mailänderin ebenfalls zu bestrafen. Da sie mit dem Feind geschlafen habe sei es nur recht und billig, wenn sie es nun auch mit einem Italiener treibe. Eine kleine Vergewaltigung steht also ins Haus. Der Trupp des Barons nimmt dies schweigend hin, einzig Romolo ist damit überhaupt nicht einverstanden. Es kommt zum Handgemenge mit dem Baron in dessen Folge Romolo ihn die Treppe hinunterwirft. Der Baron ist sofort tot, Romolo wird von dessen Truppe auf der Stelle verhaftet und weggebracht. Auch Cainazzo hat Pech: er fällt den Österreichern in die Hände.

Bild
Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so schlau als wie zuvor.

Während er auf sein Verhör wartet erfährt er von einem Mitgefangenen, daß er eigentlich sagen könne, was er wolle, er werde ohnehin erschossen. Cainazzo ist davon nicht begeistert, schließlich wolle er nur nach Hause und habe mit der ganzen Revolutionssache nichts zu tun. Doch seine Bewacher stellen sich taub und schließlich wird er zum Kommandanten gebracht. Dort stellt er zu seiner Überraschung fest, daß ihm das Gesicht des Kommandeurs wohl bekannt ist: es ist niemand anderes als Zampino aka „Freiheit“. Der freut sich über das Wiedersehen mit seinem alten Kumpel und erklärt ihm, daß er schon länger heimlich für die Österreicher arbeite. Cainazzo widert das zusehendes an: ein Freiheitskämpfer auf der Seite der Unterdrücker? Wo bleibt da die Moral? Solche Fragen stellen sich heutzutage nicht, erklärt Zampino. Man müsse in diesen wirren Zeiten sehe, wo man bleibe und das Beste aus der Situation machen. Für einen cleveren Kopf wie Cainazzo hätte Zampino durchaus Verwendung; ganz wie in alten Zeiten. Doch Cainazzo hat einfach keine Lust mehr; er will nur noch nach Hause. Zampino läßt ihn frei.

Cainazzo geht nun in Richtung seines Heimatdorfes. Da die Österreicher geschlagen abgezogen sind, ist der Weg jetzt frei. In einem Innenhof einer Straße wird er Zeuge eines Erschießungskommandos: Romolo wird wegen Mordes an dem Baron gerade hingerichtet. Cainazzo kann das nicht verhindern und auch sonst nichts mehr für seinen Freund tun. Traurig geht er weiter um ein paar Straßen weiter bei einer Siegesfeier der Revoluzzer zu landen. Diese sind sichtlich stolz auf ihre Taten und einfache Leute werden aufgefordert vorzutreten und ihre eigene, ganz persönliche Geschichte der Revolution zu erzählen.
Bild
„Ich soll auch was sagen? Dann halt mal deinen Zylinder fest, der geht dir nämlich gleich hoch.“
Nachdem einige Leutchen das Hohelied der Patrioten gesungen haben, betritt auch Cainazzo die Bühne und aller Augen heften sich gespannt auf ihn. Einer der Politiker drängt ihn, nun seine Eindrücke zu schildern. Cianazzo lächelt und sagt :“Was ich denke? Die haben uns beschissen! Die hier (er zeigt auf die anderen auf dem Podium). Die haben uns beschissen!“
Ende.


„La cinque giornate“ ist so ganz anders, als alles, was man von Dario Argento bisher kennt. Nachdem der Regisseur vorläufig keine Lust mehr auf das Thrillergenre hatte, weil es seiner Meinung nach ausgereizt war (zum Glück irrte er hier gewaltig und begab sich auch alsbald wieder in die düsteren Abgründe der Psyche zurück), war es ihm eine Herzensangelegenheit, dieses Stück italienischer Geschichte zu verfilmen. Gab es ihm doch gleichzeitig Gelegenheit für einen zynischen Seitenhieb auf seine eigene Generation.
Er wollte damit einen Kommentar abgeben, sowohl zu den politischen Umwälzungen der 60er und 70er Jahre als auch zu der Janusköpfigkeit seiner eigenen Generation. In einem Interview sagte er dazu: „Der Film ist ein innenpolitischer Kommentar. Da waren die Leute, meine Generation, '68er, die gingen in der Gegend 'rum und erzählten, daß alle Menschen gleich sind, oh, wir sind doch alle Brüder aber ich bin der Boss, trotzdem sind wir alle Brüder. Nun gut, der Film soll so etwas wie ein Stimmungsbild dieser Zeit sein und ihrer Veränderungen. Jetzt sitzen Leute meiner Generation in wichtigen Positionen, sie haben Macht und doch funktionieren sie nur in dem alten System. Wir waren antiautoritär, und nun das.“

Für seine System- und Gesellschaftskritik bediente sich Argento eines realen, geschichtlichen Ereignisses: des historischen Mailänder Märzaufstandes, der in Italien berühmten „cinque giornate“. Zurück geht dieses Ereignis bis in die Zeit von Napoleon. Nach dessen Niederlage wurden 1815 die Lombardei, Venetien und Mailand im Wiener Kongreß dem österreichischen Kaiserreich zugesprochen. In den späteren Revolutionswirren kam es dann auch in Mailand zum Aufstand gegen die österreichischen Besatzer, die unter dem Kommando von Feldmarschall Radetzky stand. Am 18. März 1848 begann der Aufstand: die Mailänder begannen Barrikaden zu errichten und die Österreicher mit allen Mitteln zu bekämpfen. Vor allem Arbeiter und Kleinbürger kämpften und schließlich schloß sich die Landbevölkerung dem Aufstand an. Dies zwang die österreichische Armee am 24.03.1848 zum Rückzug. Die Mailänder jubelten allerdings zu früh: noch im August des gleichen Jahres kam Radetzky mit seinen Truppen wieder und besetzte die Stadt. Erst nach über einem Jahrzehnt sollte Mailand tatsächlich befreit werden.

Die italienische Filmkritik ließ damals kein besonders gutes Haar an dem Streifen. Man warf Argento vor, der Film sei zu unausgegoren. Er selbst konterte, er sehe sich politisch als Teil des linksanarchistischen Flügels. Und diese Einstellung behielt er bis heute: „Ich hab' was gegen die Macht und ihre Verteilung, ich bin antiautoritär, vor allen Dingen bin ich antipaternalistisch; ich mißtraue den Institutionen, der Obrigkeit.“, sagte er dazu in einem Interview. Eine gar nicht mal so falsche Einstellung, wie ich als Schreiber dieser Zeilen persönlich anmerke.

Obwohl es sich diesmal nicht um einen Giallo handelt, blieb Argento seinem bereits teilweise gefestigten visuellen Stil bei. Obwohl er nur spärlich mit Farbfiltern arbeitete (wie in Bild 1 oben zu sehen) wirkt die Szenerie teils recht bunt, was natürlich nicht zuletzt am verwendeten Technicolor-Verfahren liegen dürfte. Auch sein persönlicher Liebling, die Farbe Rot, taucht wieder sehr häufig auf. Auf Fahnen, als Blut natürlich und nicht zuletzt in einem in seinen Filmen immer wiederkehrenden Motiv, den roten Vorhängen. Obwohl er die Vorhänge sonst als visuelles Motiv für das Geheimnisvolle nimmt, da jede Vorstellung mit dem Heben eines Vorhangs beginnt; hinter jedem Vorhang befindet sich also quasi etwas Neues, spielt diesmal auch ein kritischer Unterton in diesem Motiv mit. Deutlich wird dies in der Schlußszene als Cainazzo durch ein Meer von Fahnen zum Podium geht, sich quasi einen Weg durch eine Flut von roten Vorhängen bahnt. „Die Menschen sind glücklich, deshalb wedeln sie mit ihren Fahnen; aber immer, wenn Menschen auf die Straße gehen, und "Viva Italia", "Lange Lebe Deutschland" oder so etwas brüllen, dann ist das immer ein gigantischer Betrug. Überall in dem Film hängen rote Vorhänge herum, diese ganze Revolution ist reines Theater, alles ist falsch, selbst die Fröhlichkeit.“, begründet Argento dieses Bild.
Ebenfalls wieder von Partie ist der hitchcock-eske shot in das Treppenhaus der schwangeren Frau, als Cainazzo und Romolo feststellen, daß es noch ein weiter Weg nach oben ist. Grundsätzlich läßt sich ein von dem Deutschen Fritz Lang beeinflußter Stil des Expressionismus in einigen Aufnahmen feststellen, was Argento auch bestätigt und in seinen späteren Filmen weiter ausbauen wird.

Die Musik wurde diesmal von Giorgio Gaslini komponiert und in Szene gesetzt, der Argento auch noch in „Profondo Rosso“ zu Seite stehen sollte. Das Titelthema erinnert dabei nicht von ungefähr stark an „Fratelli D’Italia“, die italienische Nationalhymne.

Auch schauspielerisch wurde in diesem Streifen einiges aufgefahren. Da ist zunächst natürlich Adriano Celentano, der den Cainazzo spielt. Der gebürtige Mailänder war 1973 schon sehr bekannt, sowohl musikalisch (der „italienische Elvis“) als auch im Filmbusiness. Sein trockener Humor kam der Rolle zugute, zumal er hier nicht allzu slapstickhaft auftreten mußte. Der ein Jahr ältere Enzo Cerusico, der den Romolo verkörpert, war bereits seit 1951 im Filmgeschäft tätig und den Zuschauern spätestens seit seiner Rolle als Zeitungsfotograf in Fellini’s „La dolce vita“ bekannt. Marilu Tolo glänzt als Komtess. Die laszive und keineswegs schüchterne Schönheit, mit der Argento eine einjährige, recht turbulente Beziehung hatte, spielte hier mit 29 Jahren ihre bereits einundfünfzigste Filmrolle und war den Zuschauern aus vielen Filmen gemischter Genres ein Begriff, darunter solche Perlen wie „Candy“ oder „Themroc“. (Ganz nebenbei: 1983, mit 39 Jahren, erfüllte sie vielen Fans einen Herzenswunsch und sog sich für die italienische Novemberausgabe des Playboy aus). Weiterhin erwähnenswert ist neben den stark an Marx erinnernden Sergio Graziani, der die Rolle des Barons einnahm und sonst insgesamt auf eine recht überschaubare Karriere zurückblicken kann noch Glauco Onorato als Zampino. Ebenfalls ein alter Hase im Italofilmgeschäft, spielte er hier in seinem dreiunddreißigsten Film mit und sollte zwei Jahre später noch einmal mit Argento zusammenarbeiten. A propos Argento: auch dieser mimt eine kleine Nebenrolle. Er ist als einer mit einer Kopfverletzung bandagierter Geselle des Barons zu sehen.

Zusammenfassend und abschließend läßt sich feststellen, daß Argento uns hier einen Film präsentiert, der so rein gar nichts mit seinen sonstigen Regiearbeiten gemeinsam hat. Er zeigt aber damit auch deutlich, daß er mehr kann als „nur“ Giallo oder Italo-Horror. La cinque giornate ist ambitioniertes Italokino mit dem feinen Hauch Schnoddrigkeit und Respektlosigkeit vor Obrigkeiten, die so typisch für diese Zeit war. An vielen „klassischen“ Argento-Fans, die ihn vor allen wegen seiner Schocker kennen, ist dieser Film bisher vorbeigegangen (wahrscheinlich deswegen, weil sie einen solchen Inhalt gar nicht mit Dario verbinden würden). Sie sollten sich den Streifen aber trotzdem nicht entgehen lassen. Hier wird wirklich großes Kino geboten und selbst bekennende Celentano-Hasser, denen der Italiener einfach zu UNkomisch ist, müssen kein Abgleiten in die totale Idiotie befürchten. Denn auch Celentano zeigt hier, daß er mehr kann als nur den pseudocoolen Deppen zu markieren. Allerdings hat Dario die Enttäuschung des Publikums, die solche Streifen nicht von ihm erwarteten und gewohnt waren, verstanden, so daß dieser Film der einzige seiner Art in Argentos Vita bleiben sollte.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Beitrag von Shadow »

Profondo Rosso
Alternativ: Rosso – Die Farbe des Todes ; Deep Red

Italien, 1975
Seda Spettacoli Spa., Rom – Rizzoli Film, Rom

Filmlaufzeit: ca. 123 Minuten
Bild

Ein seltsam leerer Platz, ein einsam beleuchtetes Diner mit bewegungslosen Gästen, davor zwei Menschen auf ihrem nächtlichen Streifzug. Urplötzlich beobachtet Marcus, einer dieser Nachtgestalten, einen entsetzlichen Mord an einem Fenster. Er eilt zum Tatort, durch einen Gang voller alptraumhafter Gemälde. Der Täter ist offenbar bereits verschwunden, doch irgendetwas glaubt Marc am Tatort gesehen zu haben, das den entscheidenden Hinweis liefern könnte. Was ist es, das er und der Zuschauer in jener Nacht gesehen haben? Ein plötzlich verschwundenes Gemälde? Marc und der Zuschauer machen sich auf die Suche nach dem Geheimnis dieser Nacht, nach einem lang zurückliegenden, furchtbaren Ereignis und auch nach der eigenen Erinnerung.


Dies ist der erste Film, der den später als „argentoesk“ bekannten Stil einführen sollte. Man merkt das bereits im Vorspann. Noch während die Anfangscredits, untermalt vom Titelscore der Band Goblin laufen, wird der Vorspann plötzlich unterbrochen. Wir werden Zeuge eines Mordes als Schattenriss. Als nächstes fällt ein blutiges Messer ins Bild auf den Boden und ein paar Beine treten hinzu. An der Kleidung können wir unschwer erkennen, daß es sich um ein Kind handelt. Argento gibt uns also gleich zu Beginn den entscheidenden Hinweis für die Beweggründe der späteren Taten: ein Ereignis in der Kindheit eines der Protagonisten. Die Fährte, die hier gelegt wird, ist zwar richtig, führt aber dennoch im weiteren Fortgang immer wieder zu falschen Schlußfolgerungen aufseiten des Zuschauers. Nach diesem Zwischenspiel laufen die Credits unvermittelt weiter.

Die eigentliche Handlung beginnt mit der Vorstellung des Hauptcharakters Marcus. Er ist Pianist und unterrichtet am Konservatorium. Wir sehen in bei einer Probe mit ein paar Musikern. Gleich darauf wechselt die Szenerie, eingeleitet durch die für Argento fast schon zum Markenzeichen gewordenen roten Vorhänge. Wir sind nun bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Parapsychologie dabei.
Bild
So sehen also Parapsychologen und Medien aus.


Professor Giordani stellt das Medium Helga aus Litauen vor. Sie gibt an, sie sei telephatisch begabt und könne Gedanken lesen. Zum Beweis demonstriert sie dies gleich bei einem Zuschauer, dem sie nachweist, daß er just in diesem Augenblick mit der Hand in der Hosentasche einen Schlüsselbung umfasst, welcher einen besonders langen Schlüssel beinhaltet. Dies ist erstaunlicherweise korrekt (und wir als Zuschauer lächeln müde, kennen wir solche Tricksereien doch aus unzähligen Zaubervorstellungen).
Doch plötzlich wird Helga ernst, bekommt sogar richtig Angst. Sie spürt, daß ein Mörder im Raum ist, der eine entsetzliche Tat begangen hat. Helga bekommt sich kaum noch in den Griff, so überwältigend ist das Böse, das von dieser Person ausgeht. In einer der hinteren Reihen entsteht Bewegung; eine Person verläßt den Saal Richtung Toilette. Da wir per point-of-view dabei sind, fällt uns sofort auf: Helga hat wohl doch recht und wir folgen nun dem Mörder. Dieser geht sich erstmal frisch machen, natürlich ist aber der Spiegel im Waschraum derart blind, daß wir die Person bzw. deren Abbild im Spiegel nicht erkennen können.

Am gleichen Abend sehen wir Helga in ihrer Wohnung. Sie erhält gerade einen Anruf des Professors, in dem es wohl um irgendwelche Buchdruckrechte geht. Nach dem Gespräch ist Helga etwas unruhig – sie spürt etwas. Da klingelt es an der Wohnungstür. Helga will öffnen gehen, da prallt sie plötzlich zurück. Die Gedanken, die sie von vor der Tür empfängt, weisen den Besucher als den Mörder von heute nachmittag aus. Doch es ist bereits zu spät: der Mörder tritt die Tür ein und fällt mit einem Schlachterbeil über das Medium her, bis diese schwerverletzt zu Boden geht.
Szenenwechsel.
Wir sehen Marc des nächtens über eine einsame Piazza laufen.
Bild
Wer die Referenz nicht erkennt, hat in Kunst gepennt.

Er trifft vor einem Brunnen auf seinen Kumpel Carlo, der völlig zugesoffen (betrunken würde dem Zustand nicht ganz gerecht) der Nacht zuprostet. Marc gesellt sich zu ihm und versucht ihn zu überzeugen, wieder auf die Beine zu kommen. Schließlich ist Carlo ja auch noch ein Musikerkollege, ein Pianist wie er. Carlo bevorzugt allerdings Jazz (im Gegensatz zu Klassikliebhaber Marc) und sieht sich auch mehr als der „Arbeiter“ am Klavier. Während er, der Proletarier, spielt um zu leben würde Marc, der Bourgeoisiest, leben um zu spielen, lallt Carlo Marc an. Bevor die beiden jedoch ihren philosophischen Diskurs weiter vertiefen können, gellt ein spitzer Schrei durch die Nacht. Marc ist etwas beunruhigt, aber Carlo ist der Meinung, da werde wohl gerade ein Mädel entjungfert und prostet der Unbekannten, viel Spaß wünschend, zu. Marc kommentiert dies mit einem Grinsen, dreht sich um und sieht eine verschreckte, hilfesuchende Frau an einem Fenster. Plötzlich saust aus dem Hintergrund ein Hackebeil auf den Kopf der Frau herab und ihr Schädel bricht durch die Fensterscheibe. Marc beschliesst, seinen Kumpel vor der Bar zurückzulassen und spurtet sofort los. Es trifft sich, daß der Mord in dem Haus stattfindet, in welchem er selbst wohnt, so hat er keine Schwierigkeiten ins Haus zu kommen (in die Wohnung ohnehin nicht; die Tür ist ja aufgebrochen). Er läuft durch einen Flur, der von allerlei schrecklichen Gemälden gesäumt ist (ja, die sind wirklich im Wortsinne schrecklich! Eines alptraumhafter als das andere) und gelangt so ins Wohnzimmer. Leider kann er die Frau, die sich als seine Nachbarin Helga entpuppt, nur noch tot bergen: sie hat sich den Hals im Fensterglas aufgeschlitzt. Als er aus dem Fenster sieht, kann er gerade noch eine schattenhafte Gestalt im Regenmantel erkennen, die um eine Ecke der Piazza verschwindet, während auf der anderen Seite Carlo noch immer betrunken vor der Bar sitzt und vor sich hin summt.
Natürlich holt Marc sofort die Polizei. Diese tut auch, was man so von ihr erwartet: die Detectives detektivieren, die Spurensicherung sichert Spuren und der Commissario befragt Marc, den Zeugen. Jener Kommissar ist übrigens, schauspiel- und rollentechnisch gesehen, die Goldene Himbeere in dem Streifen. Der Typ ist ein cholerischer Dummschwätzer, völlig überdreht dargestellt und man bekommt Angst bei dem Gedanken, daß solche schrägen Vögel im realen Leben bei der Polizei sein könnten.
Alsbald taucht auch die Presse am Tatort auf (woher die das bloß immer so schnell wissen?), vertreten durch die Reporterin Gianna. Diese ist der krasse Gegensatz zur empfindsamen Künstlerseele Marc: eine emanzipierte Kämpferin durch und durch. Wahrscheinlich ist sie deswegen, dank weiblicher Intuition, gleich ein wenig angezogen von Zeuge Marc. Sie stellt ein paar Fragen, macht einige Fotos, führt die unvermeidliche Freie-Presse-Diskussion mit einem Inspektor und zieht wieder von dannen. Der Kommissar beordert Marc in der Zwischenzeit in einen Streifenwagen, er soll zur weiteren Befragung aufs Revier mitkommen.

Was nun folgt ist, bei aller Liebe, der dämlichste Schnitt im ganzen Film. Gleich nachdem Marc im Polizeiauto eingestiegen ist, sehen wir ihn in der nächsten Szene wieder auf der Piazza. Offenbar war er bereits beim Verhör und ist nun wieder auf dem Rückweg nach Hause. Carlo ist auch noch in der Bar und Marc manövriert ihn hinaus mit der Bemerkung, er solle nun auch heimgehen. Vorher erzählt er ihm aber noch seine Erlebnisse und weist ihn auf einen besonderen Umstand hin: er sei sich sicher, daß irgendwas in der Wohnung von Helga verändert worden sei, vom Zeitpunkt seines ersten Eindringens und beim Hinausgehen mit der Polizei. Es scheint ihm, als sei eines der Gemälde aus dem Flur verschwunden, obwohl ihm die Polizei versicherte, nichts angefasst zu haben. Carlo, betrunken als der Philosoph von Rom bekannt, erklärt ihm, daß nicht alles so sei, wie es scheint und es immer eine Wahrheit hinter der Wahrheit gebe.
Bild
Carlo erklärt Marc die Lage und wir sehen eine typische Einstellung, die Argentos Vorliebe für Kunst dokumentiert.

Dies hilft Marc zwar nicht sonderlich weiter aber mehr ist aus Carlo in seinem geistigen Zustand ohnehin nicht rauszuholen. Er kann sich auf Nachfrage auch nur noch verschwommen an die Gestalt im Regenmantel erinnern, die er zwar gesehen hat, aber nicht wiedererkennen würde.

Tags darauf erhält Marc Besuch: es ist Gianna. Marc bedankt sich erstmal artig für die Tatsache, daß sie sein Foto mit dem Hinweis, er sei Mordzeuge, in der Zeitung veröffentlicht hat. Natürlich meint er dies sarkastisch und das soll als Beginn für die etwas – ehm – merkwürdige Romanze gelten, die sich zwischen den beiden anbahnt. Man geht erstmal einen Kaffee trinken, Gianna fährt. Auftakt für einen weiteren running gag des Streifens: Giannas fahrbarer Untersatz: ein 500er Fiat, der nur durch guten Willen zusammengehalten wird und fast schon James-Bond-gleich mit einigen Extras aufwartet: die Fahrertür läßt sich generell nicht mehr öffnen. Die Beifahrertür darf keinesfalls von innen verriegelt werden, sonst geht sie auch nicht mehr auf und die Insassen werden gezwungen, durchs Dach auszusteigen (was sie in Folge auch desöfteren tun). Dann gibt’s da auch noch ein Problem mit der Verstellung des Beifahrersitzes und der Sonnenblende, wie das nächste Szenenbild verdeutlicht.
Bild
Marc fühlt sich sichtlich unwohl als Beifahrer dieses – ahem – Autos.


Bei Kaffee erzählt Marc, daß er eigentlich Amerikaner ist. Er gibt auch ein paar Schwänke aus seiner Kindheit zum Besten und wir erfahren, daß das Verhältnis zu seiner Mutter durchaus auch schwierig war. Ebenfalls wird die Beziehung zwischen Marc und Gianna weiter vertieft, was in einem doch recht spaßigen Armdrück-Wettbewerb kulminiert. Da Gianna von Berufs wegen neugierig ist und Marc auch ein Interesse an der Aufklärung des Mordes hat, beschließt man, zusammenzuarbeiten.

Tags darauf sucht Marc nach Carlo. Dessen seltsamer Hinweis mit der Wahrheit hinter der Wahrheit läßt ihn nicht so recht zur Ruhe kommen und er fragt sich, was Carlo damit gemeint haben könnte. Ein erster Anlauf in der Bar bleibt erfolglos, der Barkeeper teilt ihm allerdings Carlos Wohnadresse mit. Dort angekommen trifft Marc auf Carlos Mutter, was den Zuschauer messerscharf schliessen läßt, daß Carlo wohl noch bei ihr wohnt und somit ein kleines Muttersöhnchen ist.
Bild
Ein Besuch bei Muttern.

Wie sich herausstellt, war Carlos Mutter mal eine berühmte Schauspielerin; ihre Wand ist voll mit Andekenfotos ihrer berühmten Werke. Die Lady scheint aber zwischenzeitlich nicht mehr ganz richtig im Kopf, sie hält Marc für einen Ingenieur und läßt sich auch nach mehrmaligem Einwurf seitens Marc, er sei Pianist, nicht davon abbringen. Nur mit Mühe kann sich Marc wieder aus dem Staub machen, nachdem er erfahren hat, daß Carlo nicht zuhause ist sondern sich wohl bei einem Freund, Massimo Ricci, aufhält, dessen Adresse er von Carlos Mutter erhält.
Bei Ricci angekommen erkennt Marc schnell, daß jener ein Homosexueller ist (interessanterweise wird dieser Ricci von Geraldine Hooper, einer Frau, gespielt). Er erzählt Marc, daß er sich Sorgen im Carlo mache, da dieser einfach zu viel trinke. Im Schlafzimmer trifft Marc dann Carlo auf dem Bett sitzend an, noch nicht ganz nüchtern. Carlo gibt sich geschlagen: nun habe Marc ihn also erwischt und wisse von seinem Geheimnis, das noch nicht einmal seine Mutter wisse. Die Homosexualität seines Kumpels ist Marc allerdings ziemlich egal, er ist nur daran interessiert, was Carlo vergangene Nacht sagen wollte. Nachdem sich Carlo erfrischt hat, ziehen die beiden ab und unterhalten sich auf der Straße weiter. Leider kann Carlo sich nicht mehr so recht an seine Sprüche erinnern; Marc steht also wieder am Anfang.

Später sehen wir Marc, wie er sich zwischendurch mal wieder seiner eigentlichen Arbeit, der Musik, widmet. Er sitzt also zuhause und klimpert und komponiert so vor sich hin, als plötzlich etwas Kalk von der Decke rieselt. Marc bemerkt dies noch nicht, wir haben allerdings in der Zwischenzeit mitbekommen, daß über Marcs Wohnung das Flachdach des Gebäudes ist und dort droben gerade der Mörder herumläuft. Natürlich liest dieser auch Zeitung und will nun Marc beseitigen, da er, wie für Mörder üblich, keine Zeugen wünscht. Irgendwann bemerkt Marc aber doch, daß etwas nicht stimmt und er wohl nicht mehr allein in seiner Wohnung ist. Denn: von irgendwoher ertönt ein Kinderlied aus einem Tonband (dazu läßt sich zum einen bemerken, daß es sich hierbei um eine Art Erkennungsmelodie des Mörders handelt zum anderen ist das transportable Tonband an sich eine Schau; man muß sich vor Augen halten: der Film ist von 1975, also noch vor der Zeit des Walkmans).
Bild
Marc macht sich verteidigungsbereit.


Er schnappt sich eine Statuette zur Verteidigung und steht langsam hinter dem Klavier auf, als plötzlich das Telefon klingelt. Marc hastet zum Apparat und zieht dabei schnell eine Zwischentür zu, die das Klavierzimmer vom Rest der Wohnung abtrennt. Am Apparat ist natürlich Gianna und Mark berichtet ihr atemlos, der Mörder sei nun in seiner Wohnung. Dieser meldet sich auch prompt per Flüsterstimme von jenseits der Zwischentür und läßt Marc wissen, daß er diesesmal noch Glück gehabt habe. Aber er (also der Mörder) werde Marc früher oder später erwischen.

Am nächsten Tag besorgt sich Marc eine Schallplatte (hey Kids: it’s Vinyl!) dieses Kinderliedes – offenbar hat er es irgendwie erkannt; musikalisches Gehör halt – und sucht den Professor auf. Dieser ist natürlich auch interessiert an der Aufklärung des Mordes an Helga und Marc hofft, er könne ihm mit dem Kinderlied irgendwie weiterhelfen da er einen Zusammenhang zwischen dem Lied und der Person des Mörders vermutet.
Bild
Hobbyermittler-Konferenz beim Prof.



Der Prof erzählt Marc von einer Flashback-Theorie, die für ihn als Mordmotiv in Frage kommt und kann sich erinnern, daß das Lied in irgendeinem Zusammenhang mit den vergangenen Ereignissen in der Villa Susa stehe. Jene ist so eine Art Geisterhaus, wie jede Stadt eins hat. Und wie in jeder Geistergeschichte, steckt auch in dieser eine Wahrheit. Genaues wisse er allerdings nicht, empfiehlt Marc aber die Literatur eines Buches über das Haus im Völkerkundemuseum. Marc folgt diesem Vorschlag und liest in der Bibliothek die Geschichte des Hauses nach (für einen Amerikaner scheint ihm die italienische Lektüre keinerlei Probleme zu bereiten). Es geht darin um ein schreckliches Verbrechen, das sich in der Villa ereignete. Nach dieser Tat gab es nur einen Nachmieter, der aber durch einen merkwürdigen Unfall zu Tode kam. Seitdem steht das Haus leer, nun schon über zehn Jahre, und man erzählt sich, daß es dort nicht mit rechten Dingen zugehe. Er findet in dem Buch auch ein Foto des Hauses und den Namen der Autorin. Das Foto reißt Marc kurzerhand raus (typisch Ami: nimm dir, was du brauchst und hinterlass Zerstörung….) und will nun die Autorin, eine gewisse Righetti, besuchen. Zuvor setzt er allerdings von unterwegs aus fernmündlich Gianna über seine Pläne in Kenntnis (nächster running gag: immer, wenn Marc von unterwegs aus anruft, hat er Probleme die Hintergrundgeräusche seines Standortes zu übertönen).

Wir, als Zuschauer, sind da schon einen Schritt weiter und bereits im Hause Righetti. Wir sehen die offenischtlich auf dem Land lebende Autorin, die gerade ihre Haushälterin verabschiedet, welche täglich nur stundenweise arbeitet. Als Righetti wieder ins Haus zurückkommt, macht sie eine verstörende Entdeckung:
Bild
Also DAS würde mich auch irritieren….


Uns ist sofort klar: murder is in da house. Nachdem die Sicherungen auch noch ausfallen und es dunkel in den Räumlichkeiten wird, ist Righetti etwas mulmig und sie bewaffnet sich mit einer Stricknadel (!). Plötzlich ein kreischendes Geräusch: etwas bewegt sich aus der Dunkelheit auf sie zu. Sie sticht mit der Nadel nach vorne und erwischt – einen ihrer Vögel, der irgendwie aus seinem Käfig entkommen ist (keine Sorge, das Vieh ist nicht echt). Noch während sie den Vogel entgeistert anstarrt, bekommt sie von hinten eins auf die Rübe. Der Mörder schleift sie dann anschliessend ins Badezimmer und ertränkt sie in der Badewanne, in welche er vorher heisses Wasser hat einlaufen lassen. So schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: ertränkt und verbrüht. Doch Righetti ist noch nicht ganz tot; mit letzter Kraft kann sie in den vom Wasserdampf angelaufenen Fliesen mit dem Zeigefinger eine Botschaft schreiben. Dummerweise ist das Badfenster gekippt; die frische Luft läßt den Wasserdampf schnell wieder verschwinden und damit auch den Hinweis.
Später am Abend trifft Marc am Ort des Geschehens ein. Es scheint wohl zu seinem Schicksal zu werden, immer nur Tote bergen zu können. Auch diesesmal ist er also zu spät; der Mörder ist längst über alle Berge.

Nun folgt ein etwas merkwürdiges Plothole. Marc verständigt nämlich nicht die Polizei sondern trifft sich lieber mit Gianna. Seine Beweggründe bleiben im Dunkeln; vielleicht will er sich nicht verdächtig machen oder das erste polizeiliche Verhör (welches, Holperschnitt sei Dank, nicht erwähnt wurde) war so unangenehm, daß er auf ein zweites Treffen mit dem verrückten Kommissar keine Lust hat. Jedenfalls spekuliert er im Auto mit Gianna herum, ob die Polizei die Leiche wohl schon gefunden hätte (wie denn? Righetti wohnt ab vom Schuß; weshalb sollten da mitten in der Nacht die Cops – die italienischen! – nach dem Rechten sehen?).

Tags darauf macht sich Marc auf die Suche nach der geheimnisvollen Villa Susa. Auf dem Foto in dem Buch sind vor der Villa stehende, spezielle Palmen zu sehen, was Marc auf die Idee bringt, in den örtlichen Gärtnereien nach diesem Baumtyp nachzufragen.
Zwischenzeitlich hat Righettis Haushälterin die Leiche entdeckt und die Polizei verständigt. Nachdem die Cops wieder abgezogen sind, steht der Professor vor der Tür (welcher von Marc telefonisch über den Mord informiert wurde) und gibt sich als Amtsperson aus. Offenbar will er nun auch Nachforschungen wegen Helgas Tod anstellen und verfolgt ähnliche Spuren wie Mark. Die Haushälterin kann ihm leider auch nichts Neues erzählen und ist bekümmert, daß sich am Tatort noch Blutspuren am Waschbecken befinden. Natürlich will sie diese sofort beseitigen und läßt heißes Wasser ins Becken laufen, um das Blut abzuwischen. Da läutet das Telefon und die Haushälterin geht ran. Dem Professor fällt in der Zwischenzeit auf, daß der Spiegel vom Wasserdampf beschlägt. Aus der eingezeichneten Position der Leiche schliesst er messerscharf, daß diese auf irgendwas gedeutet haben müsse und er läßt ebenfalls heißes Wasser in die Badewanne, damit auch die Kacheln, auf die die Tote gedeutet hatte, beschlagen (Schlauer Kopf, der Prof).
Bild
Righetti’s letzter Hinweis. (für die Nichtitaliener: Kürzel von „e’stato“ = „Es war…“)

Der Professor hat nun genug gesehen und zieht wieder von dannen. Marc ist in der Zwischenzeit mit seiner Suche weitergekommen: einer der Gärtner erinnert sich, vor Jahren einmal diese speziellen Palmen von den Kanaren für einen Kunden importiert zu haben. Er kann Marc sogar anhand der alten Rechnungen eine Adresse nennen. An der betreffenden Villa angekommen, stellt Marc fest, daß diese tatsächlich leer steht und er sucht den Verwalter auf. Er gibt sich als Kaufinteressent aus und erfährt noch ein paar Hintergrundgeschichten zu dem „Geisterhaus“. Der Verwalter hat aber keine Lust, Marc die Villa zu zeigen. Seine Tochter könne dies ja tun (diese ist aber, das sei an dieser Stelle festgehalten, ein minderjähriges Mädchen. Der Vater hat aber keinerlei Bedenken, sie mit einem ihm fremden Mann wegzuschicken. Der Typ scheint eine echte Erzieherpersönlichkeit zu sein…). Töchterlein geht also mit Marc und gibt ihm vor der Villa die Schlüssel. Mit hineingehen mag sie nicht, das ist ihr zu gruselig. Sie warnt auch Marc nochmals, das alte Haus sei gefährlich. Marc allerdings tut dies mit einem Lächeln ab und schickt das Mädchen wieder nach Hause. Er selbst geht nun im Haus auf Erkundungstour, was Argento Gelegenheit gibt, uns ausgiebig an seiner Vorliebe für Architektur, hier für den Jugendstil, teilhaben zu lassen. Im Laufe seiner Durchsuchung fällt Marc an einer Wand auf, daß wohl etwas über-verputzt wurde und er macht sich daran, die hinter dem Verputz liegende Wand sichtbar zu machen.
Bild
Was manche Leute so alles an die Wand schmieren….


Zum Vorschein kommt ein Kinderbild, welches eine schreckliche Szenerie zeigt und wir als Zuschauer beginnen zu ahnen, daß hier ein Zusammenhang mit dem Mord ganz am Anfang des Films besteht. Marc denkt wohl in ein ähnliche Richtung: hier ist ein Kind Zeuge einer Bluttat geworden und dieses düstere Bild ist wohl Ausdruck einer schuldkomplexbeladenen Psyche (zumindest nach C.G. Jung; das Bild zeigt eindeutig das Kind als Mörder. Ob als Mörder des Mörders oder des eigentlichen Opfers ist aber nicht ganz klar). Marc beschliesst, noch ein wenig weiter im Haus herumzuschnüffeln, als in einem oberen Stockwerk unheilvoll ein Fenster gegen den Rahmen schlägt. Es war aber nur der Wind…

Während Marc die Villa durchsucht, versucht der Professor ihn telefonisch zu erreichen um ihn von seinen neuesten Erkenntnissen zu berichten. Leider hat er keinen Erfolg, und so beugt er sich wieder über seine Forschungen als ihn das ungute Gefühl befällt, nicht mehr allein zu Hause zu sein (die scheinen irgendwie alle den sechsten Sinn zu haben). Schnell bewaffnet er sich mit einem Messer, das ihm wohl gewöhnlicherweise als Brieföffner dient (ganz schön derb; das Ding ist ein ausgewachsenes Jagdmesser) und weicht erschreckt an eine Wand zurück. Plötzlich öffnet sich die Zimmertür und ein gar merkwürdiges Wesen stürmt auf ihn zu.
Bild
Jetzt mal ernsthaft: das soll ein Kinderspielzeug sein? Welches kranke Gehirn entwirft denn solche Alptraumgestalten?



Der Prof holt aus und spaltet der Gestalt mit seinem Messer erstmal sauber den Schädel. Dabei stellt er fest: es war eine Puppe (und wir wissen, woher die Macher von „Saw“ eine ihrer Ideen geklaut haben). Er ist nun ziemlich erleichtert und lacht irre in die Wohnung hinein. Da trifft ihn ein Schürhaken am Hinterkopf und streckt ihn erstmal nieder. Der Mörder ist wieder da und geht auch beim Professor recht gründlich und abscheulich zu Werke. Schon alleine beim Zusehen bekommt man tierische Zahnschmerzen und der finale Tötungsakt erscheint beinahe wie eine Erlösung.

Marc ist inzwischen bei seinen Nachforschungen im Vorgarten der Villa angelangt, als das bewusste Fenster wieder klappert und die Glasscheibe herausfällt und Marc voll am Kopf trifft, was eine Schnittwunde im Gesicht zurückläßt. Marc sieht verblüfft nach oben, das Haus schaut böse zurück. Langsam beginnen auch wir Zuschauer zu glauben, daß es hier spukt. Marc will dennoch weitermachen, wird aber vom Zaun aus gerufen. Es ist der Verwalter, der sich wundert, wo sein potentieller Kunde denn so lange bleibt und daher mal nach dem Rechten sehen will. Da es mittlerweile eh schon dunkel ist und im Haus natürlich kein Strom vorhanden ist, bricht Marc vorläufig seine Nachforschungen ab.

Wieder zuhause dauert es nicht lange, bis Gianna bei ihm aufkreuzt. Sie sieht natürlich sofort die Schnittwunde und erkundigt sich besorgt, ob ihrem empfindsamen Künstlerfreund etwas zugestoßen sei, was Anlass für diverse gutmütige Kabbeleien zwischen den beiden und einigen gestreckten Filmminuten gibt. Dabei entdeckt Gianna ein Foto von Marcs Freundin (die er als „entferntere Freundin“ bezeichnet) aus den USA und wirft es in den Papierkorb mit der Bemerkung, sie müsse wohl eine Art Model sein und diese Beziehung sei nun beendet.
Einschub: dies ist ein kleiner, autobiografischer Insiderwitz, welcher hier eingebaut wurde. Gianna wird ja von Daria Nicolodi dargestellt, die seit knapp zwei Jahren Argentos Lebensgefährtin war. Das Foto, welches sie hier in den Papierkorb wirft, zeigt eine Doppelgängerin von Marilu Tolo, Nicolodis direkter Vorgängerin. Wer nun diesen symbolischen Schlußstrich in den Film einbaute, Argento oder Nicolodi, darüber schweigen sich beide bis heute aus.

Nachdem Gianna wieder abgezogen ist, versucht Marc Carlo zu erreichen. Er ruft ihn an, aber leider ist wieder nur Carlos Mutter anwesend (die sich lebhaft an den Herrn Ingenieur erinnert). Carlo sei im Moment nicht da, sagt sie, er werde aber sich bald zurück sein. Marc beendet das Gespräch zügig, denn er hat etwas endeckt. Das Foto der Villa, welches er aus dem Buch gerissen und während des Telefonats betrachtet hatte, zeigt etwas Seltsames. Marc murmelt, warum ihm das nicht schon längst aufgefallen ist: auf dem Foto ist in einem Obergeschoß ein Fenster zu sehen, wo nun nur noch blanke Wand ist. Mark vermutet sofort: da muß ein Zimmer sein, welches später zugemauert wurde. Er hängt noch schnell einen Zettel für Gianna an seine Tür (die wohl wiederkommen wollte; gesagt in der Art hat sie aber nichts) und fährt sofort zur Villa, um dem Geheimnis des verschwundenen Zimmers auf den Grund zu gehen. Daß es mitten in der Nacht ist, juckt ihn offenbar weniger. Mit einer Hacke bewaffnet, klettert er an der Außenseite der Fassade herum und beginnt ein Loch in die Wand zu schlagen, wo laut Foto ungefähr das Fenster sein müßte. Und tatsächlich: er gerät an einen Fensterstock. Leider rutscht er ab und stürzt beinahe hinunter; nur mit Müh und Not kann er sich an der Fassade hinabhangeln und beschliesst dann vernünftigerweise, es von innen zu versuchen. Denn wo ein Raum ein Fenster hat, müßte ja auch eine Tür sein. Er durchbricht also die betreffende Wand und leuchtet neugierig mit der Taschenlampe hinein. In einer Ecke sieht er zunächst einen spinnwebenbehangenen Weihnachtsbaum. Als der Strahl der Taschenlampe weiterwandert, trifft er schließlich auf den Bewohner des Zimmers.
Bild
Selbst der vergammelste Tote trägt heutzutage Schlips und Kragen.


Nun ist auch Marc klar: das auf die Wand gemalte Kinderbild zeigte einen tatsächlichen Mord. Wenn man nun noch wüßte, wer das Bild gemalt hat, würde man auch wissen, wer Helga und die anderen getötet und nun hinter ihm her ist. Ein offenbar psychopathisch gestörter Mörder, der die Erlebnisse seiner Kindheit auf eine perverse Art aufarbeitet und – bevor Marc weiter überlegen kann, trifft ihn eine Holzlatte am Kopf und er geht zu Boden.

Etwas später wacht er leicht benommen wieder auf. Gianna ist bei ihm und er ist vor der Villa. Die Bude brennt. Gianna erzählt ihm, sie habe seinen Zettel gefunden, sei hierher gefahren und habe die ersten Brandherde gesehen. Heroine, die sie nun mal ist, sei sie ins Haus gestürmt und habe ihn gerade noch herausziehen können. Marc ist etwas betrübt darüber, daß nun alle Beweise verbrennen, aber es hilft ja nichts. Die beiden gehen zum Verwalter der Villa um Polizei und Feuerwehr zu verständigen. Da entdeckt Marc im Zimmer der Verwalterstochter ein Bild: es handelt sich um das gleiche Kinderbild, das auch die Wand in der Villa zierte. Aufgeregt quetscht Marc das Mädchen aus, wie sie zum Bild komme. Sie gibt an, es selbst gemalt zu haben. Ihr Vater bestätigt das, schließlich habe seine Tochter eine Vorliebe für so morbides, abartiges Zeugs. Sie habe die Idee von einem Bild, das sie einmal beim Straf-Aufräumen des Archives ihrer Schule, der Leonardo da Vinci Schule, gesehen hatte und habe das Bild quasi abgemalt. Sogleich beschliessen Marc und Gianna dieser Schule einen Besuch abzustatten (besser: dort einzubrechen; es ist immer noch mitten in der Nacht). Man macht sich also auf und durchsucht das Archiv nach der Zeichnung, in der berechtigten Hoffnung, dort auch den Namen des Zeichners zu finden. Plötzlich vernimmt Gianna ein Geräusch. Sie will sich mal umsehen, während Marc weitersucht. Schließlich wird er fündig und will Gianna umgehend von seiner Entdeckung berichten. Doch auf sein mehrmaliges Rufen reagiert sie nicht und Marc bricht auf, um sie zu suchen.
In einem Klassenzimmer findet er Gianna schließlich; mit einem Messer im Bauch. Nun weiß Marc, daß der Mörder ebenfalls im Schulgebäude sein muß. Er legt die schwerverletzte Gianna behutsam auf den Boden und geht zurück ins Archiv. Dort nimmt er eine Bewegung wahr und ruft dem Unbekannten zu, er wisse, wer er sei. Als er sich herumdreht steht Carlo hinter ihm, mit einem Revolver auf Marc zielend. Carlo ist der Verfasser des Bildes und sagt Marc, dieser sei an allem Schuld. Schließlich habe er mit seiner Schnüffelei einfach nicht aufhören wollen. Carlos Zeigefinger krümmt sich um den Abzug als die Polizei hereinstürmt. Sie war vom Villenverwalter zur Schule geschickt worden und kam wohl gerade noch rechtzeitig. Carlo flieht und kann über die Schulhofmauer entkommen. Doch draussen hat er Pech. Als er unachtsam auf die Strasse rennt, wird er von einem vorbeifahrenden Müllwagen erfasst, aus dem hinten lange Eisenstäbe herausragen. Carlo verfängt sich dummerweise in diesen Stäben und wird vom Müllwagen mitgeschleift. Die Fahrer bemerken von all dem nichts, während sie weiter in Richtung Depot fahren. Erst in einer der letzten Kurven bekommt der Fahrer mit, daß da irgendwas hinten dranhängt und hält an. Carlo liegt ächzend hinter dem Müllwagen auf der Straße und hat offenbar nicht mehr die Kraft, hochzukommen. Plötzlich nähert sich ein Auto und überfährt Carlo; Reifen über Kopf, sozusagen.

Etwas später sehen wir einen Arzt, der Marc mitteilt, daß Gianna durchkommen würde. Es habe sie zwar schwer erwischt, aber der Herr Doktor ist zuversichtlich. Marc kann also beruhigt nach Hause gehen. Auf der Piazza vor seinem Haus hält Marc unvermittelt an. An der Geschichte stimmt doch was nicht – Carlo war doch bei ihm, als er Zeuge des ersten Mordes wurde. Also muß der Mörder, zumindest Helgas Mörder, noch irgendwo da draussen sein. Marc will sich nochmal Helgas Wohnung ansehen – irgendwas war da, was er bisher übersehen hat.
Bild
Marc denkt nach.

Er bricht also in Helgas Wohnung ein (und reißt dabei eben mal so das polizeiliche Sperrsiegel durch) und sieht sich nochmal gründlich um. Diese Bilder…. da muß der Schlüssel liegen. Plötzlich fällt ihm ein, was er gesehen hat und nun weiß er auch, wer der Mörder ist.
Einschub: der Zuschauer ebenfalls. Ebenso wie Marc, wissen wir es bereits den gesamten Film über, ohne es wirklich zu wissen. Bisher hat noch jeder, der Profondo Rosso kennt und mit dem ich darüber gesprochen habe, zugegeben, eine entscheidende Kleinigkeit schlicht nicht gesehen und registriert zu haben. Das läßt viele Augenzeugenaussagen im wirklichen Leben in einem recht zweifelhaften Licht erscheinen. Mir ging es i.Ü. genauso; ich fragte mich noch Stunden nach Ansicht des Films, wie mir dieses Detail entgehen konnte.

Leider kommt diese Erkenntnis etwas spät: der Mörder steht bereits hinter ihm. Natürlich kommt er nicht umhin, Marc seine Beweggründe zu erläutern, die wir als eine ausführliche Rückblende sehen (und sich der Kreis zur Mordszene während der Anfangscredits wieder schliesst). Nun ergibt alles einen Sinn (mehr oder weniger) und Marc ist auch alles klar, aber der Mörder geht gleich mit dem Schlachtermesser auf ihn los. Es kommt zum Kampf, in dem die beiden aus der Wohnung stolpern. Im Treppenhaus hat der Mörder Marc schon auf dem Boden, als er sich dummerweise im Fahrstuhlgitter verfängt. Da kommt Marc eine zündende Idee zur Eigenrettung, welche auch funktioniert und der Mörder schlußendlich seinen Tod findet. Ende.

(Ja was? Habt ihr ernsthaft geglaubt ich verrate hier, wie der Mörder draufgeht? Nicht doch! Nur soviel: die Art des Todes ist für Argento-Filme nicht unüblich. Er sagte in einem Interview dazu einmal, dies symbolisiere eine endgültige Trennung der Protagonisten von den Geschehnissen. )


Mit Profondo Rosso wendet sich Argento wieder dem zu, was ihn groß gemacht hat: dem Giallo. Er selbst bezeichnete diesen Film als eine Explosion seiner Freiheit und in der Tat, hier hat er sich einige Freiheiten genommen, darunter auch den Umstand, vom üblichen Erzählkino abzuweichen und den Film selbst als Kunstwerk zu präsentieren. Genauso sollte Rosso (und einige weitere Filme) auch verstanden werden: als filmische Kunstwerke, durchaus mit Bezügen zu anderen Künsten (Malerei, Architektur, Musik) aber eben auch als eigenständige Werke, die sich nicht nur in Referenzen beschränken. Der Buchautor und Kinobetreiber Robert Zion schreibt über den Film: „Profondo Rosso ist wahrlich kein einfacher oder gar leicht zu konsumierender Film, seine Motive sehr komplex, seine Bezüge zur Malerei und zum europäischen Autorenkino vielfältig. Es ist im Übrigen auch kein sehr angenehmer Film. Trotz seiner unbestreitbaren Schönheit und seiner formalen Brillanz, ist seine Gewalt zu eindringlich, sind seine motivischen Elemente der Kindheitstraumatisierung, der Beziehungsunfähigkeit und auch gesellschaftlicher Mißstände zu eindeutig, als daß man ihn nur als ein gewaltiges formales Experiment sehen könnte.“ Das umschreibt eigentlich knapp, aber recht präzise, wie der Film verstanden werden sollte.

Rosso ist mehr als nur eine Kriminalgeschichte in hübschen Bildern verpackt. Argento, selbst bekennender Kunst- und Architekturliebhaber (in der Tat geht er in jeder Stadt, die er besucht, wenigstens in ein Kunstmuseum), wollte hier dem Publikum auch die Schönheit der Kunst und der Farben näherbringen. So ist die oben in Szenenbild zwei gezeigte Kameraeinstellung natürlich eine filmische Referenz an Edward Hoppers berühmtes Gemälde „Nighthawks“ von 1942. Auch die im Film grandios in Szene gesetzte Villa Susa ist kein Studiobau, sondern echt; allerdings heißt sie Villa Scott und steht in Turin. Ebenso fallen kleine Details ins Auge, wie z.B. der Wohnzimmertisch von Helga, welcher ein an ein Pentagramm erinnerndes Designerstück ist.
Auch die Bezüge zum Autorenkino sind recht auffällig, insbesondere zu den Arbeiten von Antonioni. Der Vergleich mit dessen Film „Blow Up“ beschränkt sich hier nicht nur auf die Auswahl des Hauptdarstellers David Hemmings. Während sich in „Blow Up“ die Wahrheit der Realität hinter einem Foto versteckt, ist es in Rosso der Schleier der unterbewußten Wahrnehmung. Auch im Stil der Verfilmung sind sich Argento und Antonioni nicht unähnlich. Sie erzählen beide keine gradlinigen Geschichten, vielmehr schicken sie ihre Figuren durch symbolisch zusammenhängende Bilder und Situationen. Besonders ins Auge sticht dabei die Darstellung von Plätzen als Spiegel der Seele. Die Kamera zoomt hier vom Protagonisten weg auf einsame, großräumige leere Plätze (was er später in „Suspiria“ nochmals erfolgreich wiederholt) und verdeutlicht so die Stellung des Protagonisten, als einsame Gestalt die mit den Widrigkeiten um sich herum zu kämpfen hat.
Argento selbst fühlt sich allerdings deutlich mehr von Fritz Lang beeinflußt, von dem er sagt, dessen Filme seien symbolische Lösungsversuche, die auf einer außersprachlichen Ebene funktionieren. Stil über Erzählung, das macht den avantgardistischen Experimentalfilm nach Argentos Meinung aus. Und er findet nichts schrecklicher als die statische, unbewegte Erzähl- und Kameraführung amerikanischer Filmemacher. Das erklärt auch, warum sich seine Filme neben dem künstlerischen Aspekt so stark vom amerikanischen Mainstream unterscheiden.

Auch spart Dario in diesem Film nicht mit Seitenhieben auf die Gesellschaft. Die Kabbeleien von Gianna und Mark sind ein Spiegel der in den 70ern erstarkenden Frauenbewegung. Das männliche Rollenbild in der Gesellschaft geht zunehmend verloren und wird immer weiter hinterfragt; die Frau präsentiert sich als stark und gleichwertig, ja sogar überlegen. Selbst in den Mordszenen hat Argento noch kritische Untertöne versteckt. So ist der Tod von Carlo bezeichnend für den Umgang der Gesellschaft mit Homosexuellen (auch in den ach so freien 70er Jahren): der Schwule wird letzen Endes von der Müllabfuhr „beseitigt“, so wie man halt mit Dreck eben umgeht. Der latenten Intoleranz der Bürgerschicht wird hier ein unangenehmer Spiegel vorgehalten, der aber der sogenannten „etablierten“ Kritikerschaft einen perfekten Angriffspunkt bot: die Verdammung der Gewaltszenen allgemein. Man konnte so bequem über die Gewalttätigkeit der Morde herziehen, natürlich ohne jedwede Berücksichtigung des Kontextes und Realitätsbezuges. Diese bornierte, irreleitende Sichtweise, die fast schon an pauschalisierende Abwertung grenzt, hat sich ja bekanntermaßen bis heute gehalten. Man sieht: nicht jeder, der sich Kritiker nennt, ist auch mit dem Verstand und der Intelligenz gesegnet, den künstlerischen Anspruch dieser Filme zu begreifen (ich weiß, ich weiß; aber dieses Statement konnte ich mir jetzt einfach nicht verkneifen!).

Musikalisch trat hier zum ersten Mal die Band „Goblin“ in Erscheinung, eine damals noch recht unbekannte Combo von Progressive-Rockern, die auch elektronischen Instrumenten nicht abgeneigt waren. An der Seite von Argento wurden sie beinahe schlagartig berühmt und hielten dem Regisseur noch in vielen weiteren seiner Filme die Treue. Ihre suggestiven, beinahe hypnotischen Töne und Melodien passen perfekt zu den teils traumhaften Bildern und Auge und Ohr ergänzt sich somit auf eine dramaturgisch kongruente Weise. Ähnlich wie Argento waren auch Goblin mit Mastermind und Keyboarder Claudio Simonetti recht experimentierfreudig, was in Folge noch zu vielen Stücken führen sollte, die im wahrsten Wortsinne noch lange in den Ohren nachklingen.

Auf schauspielerischer Seite konzentriert sich die Sache eindeutig auf die wenigen ausführlich spielenden Akteure, allen voran natürlich David Hemmings in der Hauptrolle als Marcus Daly. Der 1941 geborene Engländer war dem Kinopublikum schon vorher aus „Blow Up“ und „Barbarella“ bekannt und wirkte Zeit seines Lebens in 104 Filmen und Serien mit. Zuletzt konnte man ihn in Filmen wie „Equilibrium“, „Gladiator“ und „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ bewundern. Er verkörpert die Rolle des Mark glaubhaft und mit der nötigen Ausdruckskraft, selbst die oben angeführten plotholes können dem nicht viel anhaben. Für Argentos damalige Lebensgefährtin und Muse Daria Nicolodi war „Profondo Rosso“ die erste Rolle als Hauptdarstellerin. Dies mag sicherlich ihrer Beziehung zum Regisseur geschuldet sein, dennoch macht sie ihre Sache gar nicht mal so schlecht. Man kauft ihr die Verkörperung der leicht überdrehten Gianna Brezzi durchaus ab. Vom Rest des Ensembles bleiben nur Gabriele Lavia in der Rolle des Carlo und Clara Calamai als Carlos Mutter im Gedächtnis. Lavia sollte noch zweimal mit Argento zusammenarbeiten: 1980 in „Inferno“ (wieder mit dem Rollennamen Carlo) und 2001 in „Non ho sonno“. Für Clara Calamai war die Rolle der Marta auch gleichzeitig ihre letzte Filmrolle, die damals 66jährige zog sich danach ins Privatleben zurück. Erwähnenswert scheint mir noch Nicoletta Elmi, die Olga, die Tochter des Villenverwalters, spielt. Die damals 11jährige schien tatsächlich einen Hang zum Morbiden zu haben, finden sich in ihrer Vita doch Filme wie „A bay of Blood“ und „Baron Blood“, in denen sie unter der Regie von Altmeister Mario Bava wirkte, sowie die Horrorstreifen „The Child“ und „Flesh for Frankenstein“. Ebenso sollte sie später noch in Lamberto Bavas „Demoni“, für den Dario Argento mit am Drehbuch schrieb, als geheimnisvolle Kinokartenkontrolleurin auftreten. Danach wurde es allerdings recht still um die rothaarige Darstellerin. Ebenfalls interessant noch die Besetzung von Ricci, Carlos schwulem Freund. Argento besetzte diese Rolle mit der Schauspielerin Geraldine Hooper, um das Publikum zu verwirren und Sein und Schein noch weiter zu verwischen. Dies sollte er später in „Tenebre“ noch mit Eva Robins auf die Spitze treiben.


Schlußbetrachtung. „Profondo Rosso“ ist der erste Argento, der den traumwandlerischen, „argentoesken“ Stil pflegt und ist damit sicherlich als Meilenstein in den Werken des Regisseurs zu sehen. Auch wenn die Geschichte selbst an manchen Stellen kleine unlogische Stellen aufweist, hinterlassen doch die schlicht geniale Kameraführung und die Schönheit der Bilder einen bleibenden Eindruck. Dem unbedarften Zuschauer, der hier erstmals auf Argento trifft, mag dieser Film fast zu überwältigend, zu symbolbeladen sein. Dennoch ist er es wert, genossen zu werden; dies setzt aber zwei Dinge voraus: Zeit und die Bereitschaft, sich mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen. So erschließt sich dann auch Stück für Stück die metaphorische Bildsprache Argentos, die er in seinem nächsten Film, „Suspiria“, auf ein noch viel höheres Niveau treiben sollte.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Suspiria

Beitrag von Shadow »

Suspiria

Italien, 1977
Seda Spettacoli Spa., Rom
Filmlaufzeit: ca. 93 Minuten

Bild
Die junge Balletttänzerin Suzy kommt aus den USA nach München, um dort an einer angesehenen Schule Tanz zu studieren. Als sie dort ankommt, beobachtet sie ein junges Mädchen, das aus der Schule flieht, um dann aber später in der eigenen Wohnung auf mysteriöse Art und Weise ermordet zu werden. Doch auch Suzy kommt die Schule zunehmend merkwürdig vor. Die Lehrerinnen führen ein hartes Regiment, nachts hört man seltsame Geräusche und etwas schleicht nachts durch den Schlafsaal. Suzy forscht den merkwürdigen Vorgängen nach und findet langsam aber sicher heraus, daß das Haus an sich eine unheimliche Geschichte hat und eine dunkle Macht beherbergt.

Suspiria ist der erste reinrassige Horrorfilm von Argento, und er läßt uns gleich zu Beginn merken, daß hier einiges anders laufen wird. Die Musik am Anfang ist sehr laut und sehr rockig, beinahe schon Heavy Metal. Nach diesem für die Ohren eher unangenehmen Intro beginnt die Szenerie am Münchner Flughafen Riem. Suzy kommt gerade aus New York an, es ist 22.30 Uhr. Auf dem Weg zum Ausgang fallen ihr die kräftigen Farben auf, die hier herrschen (zumindest uns, den Zuschauern, fällt dies sofort auf). Als sie durch die Ausgangstür tritt, gießt es in Strömen; ein regelrechtes Unwetter heißt sie in der bayerischen Landeshauptstadt willkommen. Suzy benötigt zunächst ein Taxi, doch erst das vierte hält überhaupt an. Obwohl sie den Fahrer darauf hinweist, bleibt er im Auto sitzen und läßt sie ihr Gepäck selbst schleppen. Wahrscheinlich ist er wasserscheu. Im Wagen nennt ihm Suzy das Fahrziel; Dialog hierzu:
„Wohin?“ – „Eschenstraße“ – „Wohin??“ – „E-SCHEN-STRASSE“ – „Kenn ich nicht.“
Suzy zeigt ihm einen Zettel mit der Anschrift der Tanzschule.
„Das heißt EscheRstraße“, klugscheißt der Fahrer daraufhin, „die kenn ich…“

Einschub: wir wissen ja inzwischen, daß Argento in seine Filme immer wieder mal kleine autobiografische Anekdoten einbaut. Ob dies auch hier der Fall war, kann ich nur vermuten; ein Beleg dafür ließ sich nicht finden. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß er, der Italiener, in Deutschland mal auf einen solchen Taxler getroffen ist (unhöflich, faul, besserwisserisch) und sich sehr darüber geärgert hat. Wundern würds mich jedenfalls nicht…

Man fährt also durch das nächtliche, vom Unwetter gepeitschte München. Auf Suzys Frage, wie lange es denn schon so schütte, grummelt der Fahrer nur kurz angebunden etwas von „eine halbe Stunde“ und Suzy gibt weitere Smalltalk-Versuche auf. Letztendlich fährt man noch durch ein Waldstück und kommt endlich an der Schule an. Suzy steigt aus und hat gleich ihre erste seltsame Begegnung.

Bild
Ankunft bei Sauwetter.

Ein Mädchen stürmt gerade aus der Schule heraus und ruft etwas in das Haus hinein. Wegen des Unwetters kann Suzy sie kaum verstehen, aber es ist wohl irgendwas über ein Geheimnis und eine Iris. Das Mädchen, Patricia mit Namen, wirft die Tür zu und stürmt in den Wald davon, offenbar will sie nur schnell weg hier. Suzy bittet den Fahrer, kurz zu warten (was dieser zu unser aller Erstaunen auch tatsächlich tut) und läutet. Eine Frauenstimme fragt nach ihrem Begehr und Suzy nennt ihren Namen. Die andere Frau antwortet kurz angebunden, sie nicht zu kennen und unterbricht die Verbindung der Sprechanlage kurzerhand wieder. Suzy ist frustriert aber ihr bleibt nichts anderes übrig, als wieder ins Taxi zu klettern und sich ins nächste Hotel fahren zu lassen. Auf dem Rückweg in die Stadt sieht sie noch Patricia durch den Wald rennen.

Eine Einstellung später sehen wir eben diese Patricia in München in ein Wohnhaus hineingehen, dort wohnt eine Freundin von ihr.
Bild
Eingangshalle des Wohnhauses. Was für eine Architektur!

Pat geht also zu dieser Freundin, die ihr anbietet, erstmal hierzubleiben. Patricia ist völlig mit den Nerven herunter. Sie hat in der Schule gar schlimme Dinge gesehen und will nur noch weg, und zwar gleich raus aus dem Land. Ihre Freundin verspricht, sie morgen zeitig zu wecken aber nun solle sie sich erstmal ausruhen. Pat fühlt sich immer noch nicht ganz wohl als plötzlich das Fenster auffliegt, was Patricia zu einem hysterischen Kreischanfall veranlasst. Ihre Freundin stürmt ins Zimmer und sucht sie beruhigen; es war nur der Wind. Patricia besteht aber darauf, irgendwas vor dem Fenster gesehen zu haben, was ihre Freundin mit der Bemerkung kommentiert, direkt vor dem Fenster sei Wäsche aufgehängt und diese habe sich halt im Wind bewegt.

Einschub: hier fallen dem Betrachter zwei Dinge auf. Zum einen ist es Reizwäsche, die da auf der Leine hängt. Zum anderen aber, viel interessanter, regnet’s draußen immer noch. Wer bitteschön läßt bei strömenden Regen seine Wäsche außen hängen?

Patricia beruhigt dies aber anscheinend nicht so recht und als ihre Freundin wieder gegangen ist, starrt sie unruhig aus dem Fenster. Plötzlich sieht sie mitten in der Dunkelheit ein unheimliches, nicht menschliches Augenpaar, das sie anstarrt. Sofort freakt sie wieder angemessen aus, doch diesmal ist die Gefahr real. Ein Arm durchstößt das Fenster, packt sie am Hinterkopf und drückt sie gegen die Scheibe. Durch ihr Geschreie alarmiert, versucht ihre Freundin ihr zu Hilfe zu eilen; die Zimmertür ist aber plötzlich aus unerfindlichen Gründen verschlossen. Nun merkt auch ihre Freundin, daß Gefahr im Verzug ist und versucht, bei den Nachbarn Hilfe zu erhalten. Doch anscheinend ist im ganzen Haus niemand da; auf ihr Gehämmer an den Wohnungstüren und ihr Gekreische reagiert niemand.
Der Killer hat Patricia inzwischen durch die Scheibe nach draußen gezogen und sticht einige Male auf sie ein (Kenner wissen es schon: die Arme und schwarzbehandschuhten Hände des Killers gehören keinem geringeren als Dario Argento selbst). Er schleppt sie aufs Dach und wickelt das Antennenkabel um ihre Hüfte. Danach sticht er nochmals auf sie ein (unter anderem auch recht schauerlich ins offene Herz) und wirft sie dann durch das Oberlicht nach unten. Das Antennenkabel zieht sich an ihrem Körper nach oben und um ihren Hals zu, sodaß sie schließlich in der Halle wie eine Gehenkte baumelt. Pats Freundin, die in der Zwischenzeit unten angekommen ist, sieht ihre Freundin noch fallen, kann aber nichts tun. Im Gegenteil: sie wird von einigen Glasscherben des Oberlichts getroffen und stirbt ebenfalls.

Am nächsten Tag scheint die Sonne wieder und wir sehen Daniel, den blinden Klavierspieler der Tanzakademie mit seinem Blindenhund an der Schule ankommen. Er bindet den Wauzi an und geht hinein; Suzy, die zwischenzeitlich auch ins Bild gekommen ist, folgt ihm. In der Eingangshalle der Schule trifft sie auf Frl. Tanner, einer der Lehrerinnen.

Bild
Blick in die Halle. Mittig sehen wir, im Stechschritt eilend, Frl. Tanner.

Frl. Tanner (dass diese ein Fräulein, also unverheiratet, ist, wundert kaum. Ich könnte mir nicht vorstellen, wer mit diesem Besen den Bund der Ehe eingehen möchte…) eilt auf Suzy zu und fragt, ob sie ihr helfen könne. An der Art und Weise, wie die – ehm – Dame agiert, können wir sie sofort einordnen: militaristisch, Typ KZ-Aufseher. Wie richtig diese Vermutung ist, darauf gehe ich später noch ein. Suzy stellt sich artig vor und erzählt der Tanner auch, daß sie am gestrigen Abend nicht eingelassen wurde. Tanner stellt Suzy bei der Gelegenheit gleich Madame Blanc, die Vizedirektorin und ehemals weltberühmte Tänzerin, vor. Diese ist eine alte Freundin von Suzys Tante und wirkt zwar etwas seltsam, insgesamt aber wesentlich vertrauenswürdiger als die Matrone Tanner. Suzy erfährt auch gleich noch, daß der im Hintergrund in einer Schuluniform herumsitzende Bub den Namen Albert trägt und der Neffe der Madame ist. Sie hat aber momentan leider keine Zeit, ein paar Herren der Polizei sind da. Man hat Patricias Leiche (und die ihrer Freundin, of course) gefunden und nun ein paar Fragen an die stellvertretende Schulleiterin.
Tanner führt derweil Suzy in die Unterrichtsräume ein. Es gebe gleich eine Stunde und Suzy soll da auch gleich mitmachen. Daß ihr Gepäck noch im Hotel ist, stört die Tanner nicht. Eine Mitschülerin könne ihr sicherlich Schuhe und Trikot leihen (ich beginne mich zu fragen, warum’s die Alte so eilig hat…). Auf der Treppe begegnet man noch Pavlo, dem Faktotum der Schule. „Er ist häßlich“, ätzt die Tanner (na, ausgerechnet die hat’s nötig!), aber das könne man ruhig laut sagen, Pavlo sei blöd und verstehe ohnehin nur rumänisch. Aus der Reaktion des Faktotums können wir aber erkennen, daß er sehr wohl verstanden hat aber sich offenbar auch daran gewöhnt hat, unter der Knute von Mannweib Tanner zu stehen. Tanner besteht auch darauf, daß Suzy sofort einzieht. Ihr Gepäck würde gebracht und sie könne sich einstweilen ein Zimmer mit Olga, einer Mitschülerin, teilen. Diese verlangt nur 50 Mark Miete in der Woche, ein echtes Schnäppchen.

In der Umkleide trifft Suzy schließlich auf ihre Mitschülerinnen. Auf die Frage, ob ihr jemand einstweilen Schuhe leihen könnte, bietet eine Kommilitonin ihr sogleich ihre an: Suzy könne sie für 30 Mark kaufen. Suzy will aber nur leihen und die Mitschülerin gibt ihr schließlich, etwas widerwillig, die Schuhe. Offenbar leiden in diesem Internat alle an chronischer Geldnot, außer Olga, die nach Auskunft von Sara, einer weiteren Schülerin, stinkreiche Eltern hat.
Bild
Sara, Suzy und Olga

Sara scheint ein netter Kumpel zu sein, Olga eine kleine Beißzange. Sie setzt sich zu den beiden und gibt zum Besten, daß britische Sprachforscher herausgefunden haben, alle Namen, die mit einem S beginnen, seien ursprünglich auf die Schlange zurückzuführen. Ein echtes Herzchen, diese Olga.
Nichtsdestotrotz arrangiert man sich und Suzy zieht bei Olga ein. Diese hat ihr Zimmer recht avantgardistisch gestylt und Suzy gefällts auch gut hier.

Tags darauf spricht Madame Blanc Suzy an: ihr Zimmer sei nun frei und sie könne einziehen. Suzy möchte aber bei Olga bleiben, was die Madame etwas pikiert aufnimmt. Aber bitte, letztlich sei es ja Suzys Entscheidung. Suzy ist verwirrt, warum die Madame sie so zum Umzug gedrängt hat, muß aber in die nächste Unterrichtsstunde. Auf dem Weg dorthin trifft sie auf eine der Haushälterinnen, die gerade vor der Küche sitzt und Silber poliert. Suzy kommt die Frau recht merkwürdig vor und furchtsam will sie sich einen Weg an ihr vorbei bahnen.

Bild
Wenn mir einer erzählen würde, diese alte Vettel sei eine Hexe, ich würd’s sofort glauben!

Doch plötzlich merkt Suzy, daß etwas nicht stimmt. Die Lichtreflexion eines der Silberstücke fällt auf ihr Gesicht und ihr wird schwindelig. Irgendetwas passiert hier, aber Suzy kann es nicht benennen. Nur mit Müh und kann sie sich an der Haushälterin vorbeischieben; nur schnell weg von der. Im Unterrichtsraum angekommen fühlt sie sich nicht wirklich besser und bitte die Tanner, nicht tanzen zu müssen. Ihr sei schwindelig und schlecht. Aber die Tanner kennt da kein Erbarmen, sie müsse schließlich sehen, wie weit Suzy in ihrer Ausbildung schon sei. Es werde schon gehen und Suzy müsse sich halt etwas zusammenreißen. Also tanzt Suzy mit (ziemlich schlecht, wie sogar ich als Laie erkennen kann). Schließlich kommt, was kommen mußte: Suzy bricht zusammen und wird ohnmächtig. Sichtlich blaß liegt sie auf dem Boden, Blut läuft aus Mund und Nase; offenbar ein Blutsturz.

Als sie wieder aufwacht, ist sie in ihr neues Zimmer verfrachtet worden (Madame hat die Situation offensichtlich ausgenutzt) und ein Arzt ist da. Der verschreibt ihr erst mal Ruhe und eine strenge Diät. Auch empfiehlt er Rotwein um, wie er sagt, die roten Blutkörperchen wieder aufzubauen (wo hat der Komiker bloß Medizin studiert?). Desweiteren verpasst er ihr noch eine Spritze mit einem Stärkungsmittel. Madame und Frl. Tanner zeigen sich recht fürsorglich: Suzy solle auf den Arzt hören und ihre Diät einhalten, auf daß sie bald wieder mittanzen könne. Suzy fügt sich, hat aber auch Glück im Unglück: Sara ist ihre direkte Zimmernachbarin und schaut auch prompt am Abend auf einen Plausch vorbei. Derweil bringt Pavlo das Abendessen: Fisch, Gemüse und Rotwein.
Bild
Der Zimmerservice ist da. Ich meine ja, Pavlo sieht ein bißchen wie Argento aus….

Nachdem er das Tablett abgestellt und noch einen begierigen Blick auf Saras Feuerzeug geworfen hat, verschwindet Pavel wieder. Sara scherzt noch über den erstklassigen Service, den die ruhebedürftige Suzy geniesst, bevor sie zum gemeinschaftlichen Essen mit den anderen in den Speisesaal verschwindet.
Etwas später an diesem Abend sehen wir Suzy bei der Lieblingsbeschäftigung aller jungen Damen zu: dem ausgiebigen Kämmen der Haare. Doch plötzlich scheint ihr was ins Haar gekommen zu sein; sie ziepft etwas herum und zieht schließlich eine fette, weiße Made hervor. Angewidert wirft sie das Vieh auf die Kommode und stellt fest, daß sich in ihrem Kamm ebenfalls Maden befinden. Mit einem Ekelschrei springt sie vom Frisiertisch auf und sieht weitere Maden auf diesen fallen. Moment mal – fallen? Sie richtet den Blick nach oben an die Zimmerdecke und wird tausender Maden gewahr, die dort hängen. Hysterisch kreischend flüchtet sie aus dem Zimmer und trifft am Gang ihre Mitschülerinnen, denen es nicht besser ging und die ebenfalls fluchtartig ihre Räume verlassen haben. Alle quieken entsprechend herum bis Frl. Tanner eintrifft und erst mal für Ruhe sorgt. Herrisch, aber nicht dumm, erkennt sie, daß die Ursache auf dem Dachboden zu finden sein muß und geht mit einem Mitarbeiter der Schule nachsehen. Man wird auch schnell fündig: in einer Kiste mit Lebensmitteln findet sich verdorbene Ware und dort strömen die Maden in Massen heraus.

Auf einer eilig anberaumten Besprechung in der Halle entschuldigt sich Madame Blanc erstmal für die Widerlichkeiten. Offensichtlich hat ein Lebensmittellieferant geschlampt. Allerdings könne der Kammerjäger erst morgen hier sein und somit müßten alle, auch die Lehrerinnen und das Personal, in eine der Turnhallen nächtigen. Schnell wird also eine der Hallen in einen Schlafsaal umfunktioniert und man begibt sich zur Ruhe. Doch diese währt nicht lang, Sara wacht durch ein merkwürdiges, gruseliges Geräusch wieder auf.

Bild
Unheimliche Gestalten hinter dem Vorhang.

Sie weckt Suzy und diese hört nun auch das Geräusch. Rasselndes, keuchendes Atmen. Sandra glaubt auch zu wissen, wer das ist. Das muß die Direktorin sein, sagt sie. Sie habe sie schon mal gehört und das klang genauso. Die Direktorin sei schon sehr alt und kränklich und klinge deshalb wohl so furchterregend.

Ein paar Tage später geht alles wieder seinen gewohnten Gang. (Es muss ein paar Tage später sein; Suzy isst zwar immer noch alleine, nimmt aber wieder am Unterricht teil). Sara kommt abends auf einen Sprung bei Suzy zum Quatschen vorbei und analysiert mit ihr den Feierabend der Lehrerinnen. Pünktlich um halb neun abends gehen diese nach Hause; in der hellhörigen Bude kann Sara sogar anhand der Schrittfolgen feststellen, welche Lehrerin grad geht. Suzy, die abends immer auffallend müde ist, murmelt im Halbschlaf, die Lehrerinnen würden aber nicht weggehen, sondern tiefer ins Haus hinein. Sara ist verblüfft, das ist ihr noch gar nicht aufgefallen. Die Lehrerinnen haben also ein Geheimnis; man müßte doch dahinterkommen, was da vor sich geht. Da geht Sara ein Licht auf: sie brauche nur die Schritte der Lehrerinnen von Tür zu Tür zählen, dann könne man in Erfahrung bringen, wo sie hin gehen. Aber das hört Suzy schon gar nicht mehr, sie ist bereits eingeschlafen.

Am nächsten Tag sehen wir die Haushälterin (also eine davon; es scheint sich hier um Schwestern, ich würde fast meinen Zwillinge, zu handeln) mit Albert vom Einkaufen zurückkommen. Vor der Haustür ist wie üblich Daniels Blindenhund angebunden, den die Alte mit sichtlichem Mißtrauen und offener Bosheit ansieht. Als nächstes hören wir den Hund bellen und eine Einstellung weiter marschiert die Tanner entschlossenen Schrittes durch einen Gang in eine Turnhalle, in der Daniel gerade die musikalische Untermalung für eine Unterrichtsstunde gibt.
Bild
Warum sie lächelt? Weil sie denkt „Endlich kann ich dir was anhängen, du Blindfisch.“

Mit wildem „Aufhören! Aufhören!“ Geschrei unterbricht sie den Unterricht und stürmt auf Daniel zu. Sie keift ihn an, sein wildgewordener Köter habe Albert in den Arm gebissen. Daniel bestreitet dies; sein Hund sei ein grundgütiges Tier und Albert müsse ihn bis aufs Blut gereizt haben, damit es zu einem solchen Vorfall kommen könne. Doch das ist der Tanner egal. Mit Haifischgrinsen im Gesicht wirft sie Daniel raus; er solle sich samt seiner Töle schnellstens verziehen, bevor sie die Polizei ruft. Daniel geht, läßt Tanner aber vorher noch wissen, daß er zwar blind aber keinesfalls taub sei. Er höre so einiges – oh ja – er habe einiges gehört! Das läßt Tanner zwar kalt aber wir erkennen auch, daß sie sich diese unterschwellige Drohung sehr wohl gemerkt hat.

Abends ist Sara wieder bei Suzy, um über die Geheimnisse in dem Haus sprechen. Nun fällt sogar ihr Suzys eklatante Müdigkeit auf und sie beginnt sich ernsthaft Sorgen zu machen. Außerdem hat sie Angst. Irgendwas geht in diesem Haus gerade jetzt vor und das ist unheimlich, erschreckend und horribel. Die Schritte, die Geräusche lassen sie schaudern. Verzweifelt will sie Suzy wachhalten, doch die kann nur mit Mühe die Augen offenhalten.

Bild
„Bist du Dornröschen oder was? Wach auf!“
Bild
Kräftiges Rot, kühles Blau, gespenstisch wehende Vorhänge – eine Verbeugung vor Altmeister Mario Bava.

Zwischenzeitlich sehen wir Daniel im Hofbräuhaus sitzen (jup, das ist es tatsächlich). Ein paar Burschen tanzen auf dem Tisch, Schunkelmusik und Maßkrüge voller Bier; das Übliche halt. Daniel hat wohl eins mitgetrunken und geht nun aber nach Hause. Zusammen mit seinem Hund macht er sich auf den Weg durch das nächtliche München und kommt dabei an einen leeren Platz

Bild
Kaum zu sehen: Daniel ist leicht links von der Bildmitte.

Einschub: Dies ist im Übrigen der Königsplatz in der Münchner Maxvorstadt, welcher eine recht schöne, klassische Architektur bietet (unter anderem die Glyptothek). Ich denke allerdings eher nicht, daß dieser doch recht zentral gelegene Platz so leer ist, selbst nachts. Wahrscheinlicher ist, daß er extra für die Dreharbeiten gesperrt wurde, um so wieder eine argento-typische Einstellung zu ermöglichen: der große, leere Platz und der einsame Protagonist, gleichsam ein Symbol für die Einsamkeit der Seele.

Was nun folgt, ist eine der gruseligsten Szenerien des ganzen Films. Als erstes spürt Daniels Hund, daß etwas nicht stimmt und bellt die Nacht an. Wind kommt auf, Schatten huschen herum, etwas fliegt über Daniel hinweg. Seltsame Geräusche dringen durch die Nacht; das Ganze untermalt vom schaurigen Titelsong. Auch Daniel spürt nun, daß irgendeine Gefahr lauert und er ruft „Wer ist da?“ Natürlich antwortet ihm keiner und der Hexentanz um ihn herum geht weiter, während sein Hund immer wütender in die Nacht kläfft und kaum noch zu beruhigen ist. Plötzlich wird es still. Auch der Hund hat sich wohl wieder beruhigt. Daniel wundert sich noch kurz, als ihn sein treuer Gefährte unvermittelt anspringt und ihm sauber die Kehle durchbeisst. Noch während der Hund sich am Hals seines ehemaligen Herrchens gütlich tut, sind zwei Polizisten aufmerksam geworden und stürmen den Platz. Der Hund läuft davon und das, obwohl ihm ein Poli hinterherruft „Bleib stehen, du Sauviech!“ (Ob das wieder einer von Darios Späßchen war, mag der Zuschauer selbst entscheiden).

Am nächsten Tag bittet Suzy um eine Unterredung mit Madame Blanc. Sie ist verstört über Daniels Tod, aber auch die geheimnisvollen Worte von Patricia gehen ihr nicht aus dem Kopf. Sie erzählt der Blanc, daß sie etwas von „Geheimnis“ und „Iris“ gehört habe, daß Patricia jemanden im Haus zugerufen habe, was sie zu dem Schluß führt, Pat habe jemanden etwas sagen wollen. Madame ist froh, daß Suzy damit zu ihr gekommen ist. Sie ruft auch gleich die Polizei an, jeder noch so kleine Hinweis ist hilfreich, um das scheußliche Verbrechen an der armen Patricia aufzuklären.

Etwas später treffen sich Sara und Suzy im hauseigenen Schwimmbad. Sara nimmt Suzy zur Seite und bedankt sich sarkastisch bei ihr, daß sie bei der Blanc ausgepackt hat. Nun würden die Lehrerinnen wissen, daß Patricia einem Geheimnis auf der Spur war und es mit einer Mitschülerin geteilt habe. Suzy versteht nur Bahnhof, dann packt Sara endlich aus.
Bild
Sara klärt Suzy auf

Patricia ist dahintergekommen, daß etwas Böses in diesem Haus vor sich geht und das Ganze mit Hexen zu tun hat. Irgendwie seien die Lehrerinnen darin verwickelt und Pat habe herausgefunden, wie. Leider konnte sie Sara, ihrer Freundin, aber nichts mehr Genaues mitteilen. Im Übrigen sei Sara an jedem Abend die Stimme an der Gegensprechanlage gewesen; sie wollte verhindern, daß Suzy das Haus betritt. Suzy ist gleichsam fasziniert und ungläubig ob dieser Geschichte.

Am Abend ist Sara wieder zu Besuch bei Suzy. Diese ist mal wieder extremst müde, aber Sara hat wohl etwas um das Geheimnis herausgefunden und versucht verzweifelt, Suzy wachzurütteln. Diese schläft aber immer wieder ein, weshalb Sara schließlich aufgibt und ihre Nachforschungen alleine anstellt. Doch sie wird bereits beobachtet. Ein mit einem Rasiermesser bewaffneter Killer ist hinter ihr her. Sara spürt das Unbill irgendwie kommen und irrt verzweifelt durch das Haus, auf der Suche nach einem Ausweg. Schließlich landet sie in einer Sackgasse, einem Raum mit nur einer Tür und einem kleinem, oben liegenden Fenster. Verschreckt kauert sie an einer Wand und muß mit ansehen, wie sich ein Rasiermesser durch den Türspalt schiebt und versucht, den Sperrriegel hochzudrücken. Glücklicherweise stellt sich der Killer dabei selten dämlich an und verschafft Sara so genug Zeit, um aus herumliegenden Kisten einen Turm zu bauen, auf den sie klettert und sich letztlich durch das kleine Fenster hinauszwängen kann. Sie steht nun auf der Brüstung eines scheinbar kleinen Innenhofes, auf der anderen Seite ein größeres Fenster. Sie beschliesst, hinüberzuspringen, schafft es aber nicht ganz und landet in dem Innenhof, welcher voll mit Drahtschlingen ist.

Einschub: es wird immer wieder behauptet, es handele sich hierbei um Stacheldraht. Dem ist aber definitiv nicht so. Wer genauer hinsieht, dem fällt sofort auf, daß die Drähte weder Stacheln noch Klingen (wie bei Panzersperrdraht üblich) haben. Es handelt sich also um ganz normale Drähte, die nur aufgrund der Anzahl und der Verschlingungen eine Falle für Sara darstellen.

Bild
Sara in der Falle

Verzweifelt versucht Sara, sich aus den Drähten zu befreien (und stellt sich dabei meiner bescheidenen Meinung nach äußerst ungeschickt an), schafft es aber nicht. Sie verstrickt sich immer tiefer in das Drahtgewirr als sich eine Hand aus dem größeren Fenster schiebt und ihr mit dem Rasiermesser die Kehle aufschlitzt. Letztlich war der Killer also wieder erfolgreich.

Als Suzy tags darauf in Saras Zimmer kommt, findet sie dieses verlassen vor. Laut Frl. Tanner ist Sara wohl abgehauen; sie sei schon morgens um sechs mit einem Taxi weggefahren; für so ein Benehmen habe sie kein Verständnis, moniert sich Frl. Tanner. Das kann Suzy aber nicht glauben, sowas entspräche gar nicht Sandras Art. Sie beschliesst, Frank anzurufen, Saras Freund, dessen Telefonnummer sie unter Saras Notizen findet. Da sie sich große Sorgen um Sara macht, bittet Suzy Frank um ein umgehendes Treffen.
Unter den Türmen des BMW-Hochhauses trifft man sich dann auch sogleich. Frank ist Psychiater und dort findet gerade ein Kongress statt. Er ist nicht ganz so besorgt wie Suzy, vielleicht ist Sara auch überraschend heim nach Rom geflogen um ihre Eltern zu besuchen, sowas würde sie schonmal machen. Er hat Sara früher als Psychiater beigestanden und daraus hat sich ihre Freundschaft entwickelt.
Bild
Der schneidige Mann links ist übrigens Udo Kier; kaum zu glauben, eh?

Suzy erzählt ihm von Saras Hexentheorien und Frank sagt, daß er durchaus glaube, daß Sara dafür empfänglich sei. Zumal die Tanzakademie, die die Mädchen besuchen, die ideale Brutstätte für solche Theorien sei. Er erzählt Suzy noch von Elena Markos, der Gründerin der Akademie, die das Haus 1897 erworben hat und der man nachsagte, sie sei eine Hexe gewesen. Sie habe sogar ein Buch über schwarze Magie geschrieben, welches aber lange nicht so sehr im Gedächtnis geblieben sei wie ihr Buch über die Tanzkunst. Ja, sie hatte auch schwarze Messen abgehalten und bei einer dieser Messen im Jahre 1910 habe es in der Schule gebrannt und sie dabei umgekommen. Natürlich glaubt Frank nicht an diesen Humbug; er ist schließlich Psychiater. Ein Kollege von ihm, Alec, ist aber Parapsychologe und der könne Suzy sicher mehr erzählen. Glücklicherweise ist Alec auch auf diesem Kongress und so fragt Suzy ihn aus. Ja, es gab und gibt Hexen, schlaumeiert der Herr Professor. Sie gebieten über die Winde und die Elemente und es gäbe nichts, womit man sich ihnen entgegenstellen kann. Sie sind aber nötig für das Gleichgewicht der Kräfte; das Ying und Yang von Gut und Böse sozusagen. Es soll sogar Hexen geben, die dem Tod trotzen; das Leid, das sie anderen zufügen, halte sie am Leben.

Nach dieser Unterrichtsstunde in Okkultismus kommt Suzy ins Grübeln. Am Abend will sie eine Mitschülerin besuchen, erfährt aber von der Haushälterin, daß alle in der Stadt im Bolschoi-Theater sind. Warum Suzy nicht mitgenommen wurde, weiß die Haushälterin auch nicht; scheint ihr auch egal zu sein. Später hört Suzy wieder die Schritte der Lehrerinnen, die tiefer ins Haus hineingehen. Sie hat heute auch keine Lust, ihr Diätessen einzunehmen. Eine innere Stimme sagt ihr wohl, daß mit dem Essen was faul ist, weshalb sie es ins Klo spült und den vermeintlichen Rotwein in den Ausguß kippt. Von draußen vernimmt sie ein Geräusch aus der Nacht und glaubt, irgendwas zu sehen. Sie öffnet das Fenster und herein flattert eine Fledermaus, die auch gleich zum Angriff übergeht. Suzy gelingt es, das (schlecht getrickste) Vieh abzuschütteln und mit einem Handtuch zu bedecken. Da die Fledermaus nicht mehr wegkann, macht Suzy sie gleich noch mit einem Stuhl endgültig platt.

Nun ist sie überzeugt, daß in diesem Haus etwas grundsätzlich nicht stimmt. Sie erinnert sich an Saras Schrittzählmethode und nimmt die Verfolgung der Lehrerinnen auf. Nachdem sie sich an den Haushälterinnen vorbeigemogelt hat, landet sie schließlich im Büro von Madame Blanc. Dieses hat einen Teppichboden, weshalb die hörbaren Schritte hier auch aufhören. Suzy rätselt herum, wie es nun weitergehen könnte, da erinnert sie sich endlich wieder an Patricias vollständige Worte. „Es ist die blaue Iris“, hatte diese gerufen. Und – oh Zufall – an einem Wandpaneel befindet sich so eine Iris. Suzy dreht also daran herum und schwupps – öffnet sich eine geheime Tür. Suzy schlüpft durch und findet sich in einem Vorraum wieder, der von schweren, dunkelblauen Samtvorhängen gesäumt ist. Sie zieht einen Vorhang beiseite und entdeckt einen geheimen Gang, der, mit okkulten Sprüchen gesäumt, tiefer ins Haus hineinführt.

Bild
Der Geheimgang.

Zögernd, aber doch entschlossen, der Sache nun endlich auf den Grund zu gehen, folgt Suzy dem Gang. An dessen Ende sieht sie einen Raum, in dem Madame Blanc auf einem thronartigen Stuhl sitzt, neben ihr Albert und Frl. Tanner. Suzy hört, wie die Blanc gerade ihren Tod beschliesst, was sie erschreckt hinter einem Vorhang Deckung suchen läßt. Pavlo, unser Mann mit dem Rasiermesser, wird beauftragt, die Sache zu erledigen. Aber vorher wird noch eine ungeweihte Hostie verspeist und die Mächte des Bösen angerufen, Elena bei der Vernichtung ihrer Feinde zu unterstützen (wer’s immer noch nicht gemerkt hat: natürlich sind die alte Direktorin und Elena Markos ein und dieselbe Person: eine Hexe). Entsetzt prallt Suzy zurück und dabei gegen einen hinter ihr stehenden Sarg, in welchem Sara liegt, übel zugerichtet und zu allem Überfluss auch noch angenagelt. Suzy kiekst und dieses Geräusch veranlasst Rasiermesser-Pavlo, mal nach dem Rechten zu sehen. Suzy tastet hinter sich einen Türgriff und flüchtet in den nächsten Raum – direkt vom Regen in die Traufe. Denn dies ist das Zimmer von Elena. Als Suzy versehentlich eine Lampe zerdeppert, wacht die Alte auf und begrüßt Suzy mit den Worten, schon auf sie gewartet zu haben. Sie werde Suzy jetzt töten; der Tod komme gleich durch die Tür zu den Lebenden und die Lebenden werden zu den Toten kommen. Suzy bewaffnet sich mit einer Hutnadel doch zu spät: die Tür öffnet sich und herein tritt Sara, als wiedererweckter Zombie. Plötzlich hat Suzy den Einfall, das könne vielleicht ein Halluzinationstrick der Alten sein und sie hält es für klüger, die Hexe selbst zu töten. Als sie allerdings das Moskitonetz um das Bett der Hexe beiseite zieht, ist diese verschwunden. Scheinbar aus dem Nichts wettert die Hexe kichernd, so einfach könne man sie nicht töten; sie, die dem Tod getrotzt hat und über die Winde gebietet … blablabla.
Zwischenzeitlich ist wieder ein Unwetter aufgezogen, es blitzt und donnert und Zombie-Sara kommt immer näher. Doch plötzlich, bei einem Blitz, wird Suzy der Umrisse der nach wie vor auf dem Bett sitzenden Hexe gewahr. Diese Chance will sie nutzen und beim nächsten Blitz sticht sie mit der Hutnadel zu – mehr oder weniger ins Blaue hinein, erweist es sich aber dennoch als Volltreffer: sie hat die Hexe am Hals getroffen. Als die Alte stirbt, verschwindet auch Zombie-Sara prompt.
Bild
Ding dong, die Hex’ ist tot.

Suzy stürzt aus dem Zimmer und sieht draussen, daß mit der sterbenden Hexe auch ihre Gefolgschaft im Sterben liegt. Schnell macht sie sich aus dem Staub, denn auch das Haus, Hort des Bösen, zeigt Einsturzerscheinungen. Sie kann aber noch rechtzeitig aus dem Haus nach draussen fliehen.
Ende.


Der Versuch, „Suspiria“ bloß als Film betrachten zu wollen und ihn einer rein filmtechnischen Betrachtung zu unterwerfen, scheint von vornherein zum Scheitern verurteilt. Argentos mit Abstand erfolgreichster Streifen ist ein Kunstwerk, ein verfilmter fiebriger Opiumtraum. Dazu paßt auch Geschichte und Hintergrund des Streifens. Zum ersten basiert die Story lose auf dem Buch „Suspiria de profundis“, das 1845 von Thomas de Quincey verfaßt wurde, der auch „Bekenntnisse eines Opiumessers“ und „Der Mord als schöne Kunst betrachtet“ geschrieben hatte. In dem in „Suspiria“ befindlichen Essay „Levanna and our ladys of sorrow“ beschreibt er den Mythos der „drei Mütter der Schmerzen“: Mater Suspiriorum (Mutter der Seufzer), Mater Tenebrarum (Mutter der Finsternis) und Mater Lacrimarum (Mutter der Tränen). Die Vorstellung, daß das dunkle und verborgene Wirken der Mütter seit Urzeiten Einfluß auf die Geschicke der Menschen haben sollte, faszinierte Argento. Einen weiteren Baustein für das Storygerüst steuerte Darios Freundin Daria Nicolodi bei. Schon während der Dreharbeiten für „Profondo Rosso“ erzählte sie ihm von ihrer Großmutter, die ihr wiederum eine schauerliche Geschichte erzählt hatte: als sie (also die Oma) in jungen Jahren ein Internat besuchte, geschahen dort seltsame Dinge und nachts wurden schwarze Messen abgehalten. Auch erzählte Daria ihrem Freund von einem Traum, den sie hatte: in diesem begegnete sie einer unsichtbaren Hexe und ein Panther, der mit ihr im gleichen Raum war, explodierte plötzlich (was die Gute da vor dem Einschlafen geschluckt haben mag, ist allerdings nicht überliefert…). Zuguterletzt finden sich auch Einflüsse von „Schneewittchen“. So wurden also die Storylines miteinander verflochten, und aus den Müttern wurden böse Hexen.

So banal die Geschichte einerseits auch ist, so kunstvoll ist doch die Umsetzung gelungen. Fast jedes Bild in dem Film ist eine Referenz an die Malerei, die Architektur, die Bildhauerei und nicht zuletzt auch an die Altmeister des Kinos. Besonders auffällig wird dies an der Farbgebung, die strengen Formalien folgt. Rot, blau und gelb sind die scheinbar alles bestimmenden Farben des Films. Um diese unheimlichen, fast glühenden Farben zu realisieren, benutzte man die Restbestände eines Eastman-Color Materials von Kodak. Pro Grundfarbe wurde eine Filmmatrize hergenommen und bestimmte Farben wurden dabei verdeckt, während die, die hervortreten sollten, besonders betont wurden. Ähnlich funktionierte das Technicolor-Verfahren der 50er, aber in „Suspiria“ wurde wesentlich aufwendiger gearbeitet und nachgearbeitet. Das Ergebnis läßt selbst den Laien staunen und gerade jüngere Zuschauer, denen Technicolor überhaupt kein Begriff mehr ist, vermuten hier massiven Computereinsatz (was zu dieser Zeit aber gar nicht möglich war). Dem Spiel der Farben und der Sets (in denen Dario desöfteren auf den Meister des italienischen Gothik-Horrors, Mario Bava, Bezug nimmt) folgt die Verbeugung vor der Architektur. Nicht nur die Auswahl der Szenerien ist hier entscheidend (wie z.B. das Haus zum Walfisch in Freiburg), sondern auch spezielle Kamerawinkel. Zum einen inspiriert von Argentos Vorbild Fritz Lang, zum anderen, und das gibt er freimütig zu, von Leni Riefenstahl. Offensichtlich ist er nicht der einzige italienische Filmemacher, dem eine gewisse Faszination der faschistischen Inszenierung nicht abgesprochen werden kann. Der Münchner Königsplatz mit seinen klassizistischen Bauten erinnert nicht von ungefähr an das Reichsparteitagsgelände. Ebenso die Innenräume des Internats, gefilmt mit stark betonten Mittelachsen (eine Technik, die aus der konstruktivistischen Fotografie herleitet), was eben stark an die Arbeiten der Riefenstahl gemahnt. Die Tanzschule selbst dient somit zugleich an ein Abbild einer faschistischen Hölle. Zum einen durch die Figur von Frl. Tanner, die den rigiden Kommandostil mit der Hinterlistigkeit und Boshaftigkeit einer KZ-Aufseherin in sich vereint. Zum anderen das Internat selbst, von dem Argento sagt: „Das Internat hat ja z.B. auch viele Geheimräume, es ist voller geheimer Rituale. Der Faschismus beinhaltet auch solche Rituale, die teilweise ins Okkulte reichen.“

Ein weiterer, wichtiger Punkt der Inszenierung ist die traumwandlerische Rauschhaftigkeit. Stellenweise fühlt sich der Zuschauer mehr als Zeuge einer verfilmten Nachtmahr, als als Rezipient eines Kinofilms. Dazu tragen auch vermeintliche Kleinigkeiten bei, wie z.B. die Verschiebung der Größenverhältnisse. Argentos ursprüngliche Idee war es, die Geschichte der Schule mit Mädchen im Alter um die 12 Jahre zu verfilmen. Das Studio und auch sein Vater (als Produzent) waren aber dagegen: wegen der teilweise doch derben Gewalt würde es sicherlich Schwierigkeiten mit der Zensur geben. Dabei übersah man jedoch, daß die meisten Märchen, in denen Kinder eine Rolle spielen, weit grausamer sind. Und daß die deutschen Zensoren trotz erwachsener Darsteller dennoch nicht auf unqualifizierte und von absoluter Mißachtung jeglicher künstlerischer Intention geprägten Kommentare verzichten konnten und hysterische, selbsternannte Moralapostel gegen den Film Sturm liefen, konnte in Italien zu dieser Zeit niemand ahnen. Davon abgesehen gab Argento aber nach und hob das Alter der Protagonisten an, beließ aber ansonsten das Drehbuch. Dies erklärt zum einen die manchmal etwas naiv wirkenden Dialoge, zum anderen auch die Tatsache, daß sämtliche Türgriffe des Internats auf Kopfhöhe der Protagonisten angebracht sind, damit diese zum Öffnen ihre Arme heben mußten; wie Kinder eben.
A propos: nähme man die Darstellung der Mordszenen heraus, bliebe bei „Suspiria“ ein typisches Böse-Hexen-Märchen übrig, das denen der Gebrüder Grimm in nichts nachsteht und meiner Meinung nach durchaus auch für Kinder geeignet wäre. Natürlich wäre dies kontraproduktiv; die Mordszenen gehören hier einfach dazu. Und sie integrieren sich in die Inszenierung ganz nach Argentos Lieblingsautor Edgar Allen Poe, der einst schrieb: „der Tod einer schönen Frau ist der poetischste Term überhaupt“.

Was wäre ein solches Werk ohne die passende Musik? Wahrscheinlich nicht mal halb so gut. Und hier wird aufgefahren, daß es in den Ohren kracht (wortwörtlich zu verstehen. Der score ist im Verhältnis recht laut abgemischt, dies ist aber Intention). Mit dem Titelsong ist Simonettis Mannen von Goblin, diesmal zusammen mit Argento, ein absoluter Volltreffer gelungen, der die Band schlagartig berühmt machen sollte. Die dunkle Grundmelodie, die schrägen Gesänge und nicht zuletzt das unheimliche Flüstern (das von Simonetti selbst stammt und nach seiner Aussage keinerlei Bedeutung hat, sondern einfach nur Kauderwelsch ist) sorgen für eine düstere, unheimliche Stimmung. Dies machte sich Argento auch zu eigen, indem er die Musik sogar während des Drehs laufen ließ. Damit schaffte er einerseits die richtige Stimmung für die Schauspieler und konnte andererseits ihre Aktionen und Reaktionen gar vom Takt der Klänge bestimmen lassen. Insgesamt unterstützt die Musik die Bilder nahezu perfekt, teils unheimlich, teils ruhig, teils kreischend und unangenehm.

Bei der Besetzung der Rollen mußte sich Argento teilweise vom Studio reinreden lassen. Ursprünglich sollte Daria Nicolodi die Hauptrolle übernehmen, das Studio wollte aber unbedingt eine Amerikanerin haben. Nachdem Argento Jessica Harper in dePalmas „Phantom of the paradise“ gesehen hatte, fiel seine Wahl sofort auf sie. Eine gute Entscheidung, denn die damals 28jährige wirkt kaum älter als 16 und passt somit hervorragend zu Argentos ursprünglicher Intention, die Geschichte mit Kindern oder Jugendlichen verfilmen zu wollen. Dennoch brachte er seine Freundin auch in diesem Dreh wieder unter: zum ersten sehen wir sie kurz in der Anfangsszene als rotgewandete Gestalt, die das Flughafenterminal verläßt, zum anderen spricht Nicolodi in der Originalfassung die Grabesstimme der Hexe.
Als zweite Hauptrolle verpflichtete Argento Stefania Casini als Sara, die die Fans noch als Rubinia aus „Andy Warhol’s Dracula“ kannten. Bei der Besetzung für Madame Blanc langte Argento richtig hin und verpflichtete Joan Bennett, eine echte „Grand Old Dame“ des Kinos. Bennett war ihm nicht zuletzt in den Filmen seines Vorbildes Fritz Lang aufgefallen, aber auch sonst hatte sie einige Erfolge vorzuweisen. So spielte sie unter anderem an der Seite von Spencer Tracy, Bing Crosby, W.C. Fields, Cary Grant und Walter Pidgeon. Für ihre Rolle in „Suspira“ wurde die Schauspielerin, die zwischen 1916 und 1982 in knapp 100 Filmen und TV-Produktionen mitwirkte, 1978 mit dem Saturn Award als „Best Supporting Actress“ nominiert.
Neben der Verbeugung vor der Hollywood-Diva war die Besetzung von Alida Valli als Frl. Tanner ein Salut an eine große Dame des italienischen Kino. Valli, die zwischen 1934 und 2002 in 131 Filmen mitwirkte, hatte zuvor schon mit Mario Bava in „Lisa und der Teufel“ zusammengearbeitet und konnte auch sonst ein beachtliches Spektrum an Rollen vorweisen.
Männer spielen in diesem Film eine untergeordnete Rolle (höchstens als stumme Böse oder Hundefutter), sodaß sich auch kaum Darsteller in tragenden Funktionen finden lassen. Erwähnenswert bleiben zwei Deutsche. Zum ersten natürlich „Uns Udo“ Kier, die B-Movie Ikone schlechthin. Das Gesicht des Kölners taucht in zu vielen Filmen auf, um sie noch zu nennen. Seit 1966 hat es der 65jährige bis heute auf über 183 Auftritte in diversen Produktionen gebracht und, wie die Engländer sagen würden, „still counting“. Wenn uns Udo so weitermacht, wird er vielleicht sogar noch Christopher Lee einholen.
Das zweite bekannte Männergesicht stammt von dem Leipziger Rudolf Schündler, der den Filmfans aus seiner Rolle als Karl aus „Der Exorzist“ bekannt war. Schündler, der es auf insgesamt 206 Auftritte brachte, spielte in zahlreichen deutschen Filmen (darunter an der Seite von Heinz Erhard und Joachim Fuchsberger) mit, drehte ebenfalls bereits unter Fritz Langs Regie in „Das Testament des Dr. Mabuse“ und hatte später noch Auftritte in Krimiserien wie „Derrick“ und „Der Alte“.
Interessant noch die Geschichte um die Darstellerin der Helena Markos. Argento wollte dafür die „älteste Frau, die ich kriegen kann“ und fand sie in den Straßen Roms in Gestalt einer damals 90jährigen ehemaligen Hure. Die im Abspann nicht erwähnte Frau hat zwar nur eine kleine, aber entscheidende Rolle. Dummerweise verhindert aber das Make-Up ihr wahres Alter zu erkennen, sodaß jede beliebige Schauspielerin diesen Part hätte einnehmen können.


Schlußbemerkung. „Suspiria“ ist ein filmischer gewordener Alptraum, der ebenso einem drogengeschwängerten Gehirn hätte entspringen können. Ein Kunstwerk an Komposition, psychedelisch in Farbe und Musik; ein böses Märchen, in die Neuzeit transportiert. Argentos bekanntester und gleichsam erfolgreichster Streifen, oft verkannt und verhöhnt, ist einfach nur schön anzusehen; ein Rausch für die Sinne, ein Fest der Ästhetik. Eine Filmoper, die eine Frage aufwirft (welche an anderer Stelle auch schon beantwortet wurde):
Welche Farbe hat die Angst? Rosso, giallo o blu? Also: rot, gelb oder blau? Die Antwort ist silber, oder auf italienisch: argento.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Beitrag von Shadow »

Inferno
Alternativ: Feuertanz der Zombies – Horror Infernal

Italien, 1980
Produzioni Intersound., Rom
Filmlaufzeit: ca. 106 Minuten

Bild

New York. Rose Elliot liest in einem Buch des Architekten E. Virelli, daß er je ein Haus in Freiburg, Rom und New York gebaut habe, unwissend darüber, daß diese drei Häuser von den sogenannten drei Müttern, Hexen, eingenommen werden und diese dadurch zu den drei Toren der Hölle werden. Rose befürchtet, daß sie in dem New Yorker Haus lebt und sucht im Keller nach weiteren Anzeichen. Sie schreibt ihrem Bruder Mark, der in Rom Musik studiert, einen Brief, daß er kommen soll. Sara, Marks Freundin, liest diesen Brief und erkennt, daß eine Bibliothek in Rom ebenfalls das Haus einer der Hexen ist. Diese Erkenntnis bekommt ihr schlecht. Als Mark dann in New York eintrifft, ahnt er nicht, welche Schrecken ihm noch bevorstehen.

New York im April. Wir sehen Rose zu, wie sie im Buch „Die drei Mütter“ von Varelli liest, welches sie sich kurz zuvor beim Antiquitätenhändler Kazanian, dessen Laden gleich neben ihrem Wohnhaus liegt, gekauft hat. Varelli beschreibt in diesem Buch, daß er, der Architekt, für jede der Mütter ein Haus gebaut hat. Mater Suspiriorum, die älteste, Mater Tenebrarum, die jüngste und bösartigste und Mater Lacrimarum, die schönste. Er sagt auch, daß die drei eigentlich eine Einheit bilden und das Böse über die Welt bringen. Rose ist von dieser Thematik fasziniert, ist sie doch überzeugt, in einem dieser Häuser zu wohnen. Varelli beschreibt auch, wie man es erkennen könne: unter anderem an dem unangenehmen Geruch, der das Haus umströmt und an einem Geheimnis, welches sich direkt unter den Schuhsohlen befinde.

Bild
So sehen Hexenhäuser heutzutage aus.


Rose schreibt einen Brief an ihren in Rom studierenden Bruder Mark, in dem sie ihm ihren Verdacht schildert und bittet ihn, zu kommen. Derweil will sie aber selbst Nachforschungen anstellen und geht zu Kazanian um ihn zu fragen, ob er mehr über das Buch und seinen Inhalt wisse. Der alte Händler, schwerstbehindert auf zwei Krücken unterwegs, erklärt ihr aber nur barsch, es sei nur ein Buch. Der Geruch, den Rose in der Nase hat, stamme von einer in der Nähe stehenden Keksfabrik und viel interessanter finde er ohnehin die Obsession der Menschen mit dem Tod, knurrt er und komplimentiert sie wieder aus seinem Laden. Auf dem Nachhauseweg fällt Rose in einer Seitengasse zwischen dem Laden und ihrem Haus eine Kellerluke auf und eingedenk Varellis Worten, das Geheimnis liege unter den Sohlen, beschließt sie, sich den Keller genauer anzusehen. Zwischen einigem Gerümpel entdeckt sie ein mit Wasser gefülltes Loch im Boden. Neugierig linst sie hinein, als ihr dummerweise ihr Wohnungsschlüssel in das Loch fällt. Glücklicherweise bleibt dieser aber an einem Metallstück hängen; unglücklicherweise reicht ihr Arm aber nicht heran, sodaß sie gezwungen ist, auf Tauchstation zu gehen.
Bild
Rose taucht ab

Es stellt sich heraus, daß das Loch im Kellerboden in Wahrheit ein Loch in der Decke eines darunter liegenden, komplett gefluteten Raumes ist und Rose’s Schlüssel am Kronleuchter hängt. Aber, ungeschickt läßt grüßen, der Schlüssel gleitet ihr aus der Hand und fällt auf den Boden, was Rose dazu zwingt, nochmal tief Luft zu holen und komplett runterzutauchen. Ihr bietet sich der Anblick einer bizarren Unterwasserwelt: ein komplettes Zimmer mit einer Einrichtung, die offenbar vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammt. An der Wand hängt ein verwaschenes Bild, welches mit „Mater Tenebrarum“ untertitelt ist. Rose taucht zum Boden und greift nach ihren Schlüsseln, bemerkt dabei aber nicht, daß sich eine Tür zu dem Zimmer öffnet. Nachdem sie ihre Schlüssel endlich hat, beginnt sie wieder aufzutauchen als plötzlich eine halbverweste Leiche ihren Weg kreuzt. Sie quiekt blubbernd (logisch; ist ja alles unter Wasser) und findet in ihrer Panik im ersten Moment das Loch in der Decke des Raumes/im Keller des Hauses nicht. Die Leiche scheint sie derweil zu bedrängen, was nicht gerade zu ihrer Beruhigung beiträgt. Endlich findet sie das Loch und taucht, nach Luft schnappend und völlig geschockt, wieder auf. Eilig macht sie sich aus dem Staub, verliert dabei aber ihr Feuerzeug. Wir sehen eine schwarzbehandschuhte Hand danach greifen und als Kenner der Szene ist uns klar: die Hexe weiß über Rose’s Eindringen Bescheid.
Die ist derweil in ihrem Haus angelangt und will mit dem Aufzug zu ihrer Wohnung fahren, als sie flüsternde Stimmen aus einem Seitengang vernimmt. Unheil ahnend, geht sie den Stimmen lieber aus dem Weg und versteckt sich in einem anderen Seitengang. Plötzlich flackert das Licht und ein kleines Beben läßt den Gang erzittern. Was Rose nicht weiß (der Zuschauer aber sehr wohl): dieses Beben hat das Loch im Keller mit Balken und Schutt verschlossen; so schnell wird also niemand mehr diesen geheimnisvollen Raum sehen.

Rom im April. Wir sehen Mark in einer Vorlesung, Thema ist gerade der Schlußsatz aus Verdis „Nabuco“. Gerade kommt Sara, seine Freundin, dazu und pflanzt sich neben ihn. Die Studenten hören per Kopfhörer die Musik und lesen die Noten auf dem Blatt mit. Mark kramt den Brief seiner Schwester heraus und beginnt zu lesen, als sein Auge auf eine gutaussehende junge Frau fällt, die mit ihrer Katze vor ihm sitzt und ihn unverwandt anstarrt.

Bild
Die Schönste: Mater Lacrimarum

Das kommt ihm zwar recht merkwürdig vor, aber da seine Freundin unmittelbar neben ihm sitzt, kann er nicht einfach so zurückstarren. Also beschäfttigt er sich wieder mit dem Brief seiner Schwester. Als die Musik endet, ist offenbar auch der Unterricht vorbei. Mark blickt auf: die Schöne mit der Katze ist spurlos verschwunden. Doch er sieht sie noch einmal beim Hinausgehen; wieder wirft sie ihm einen durchdringenden, unangenehmen Blick zu. Er vergißt darüber sogar den Brief, aber Sara findet das zurückgelassene Schriftstück und will es Mark noch geben, doch dieser ist schon gegangen (’nen tollen Freund hast du da, Mädchen…).
Als Sara die Uni verläßt ist es schon Abend und es regnet in Strömen. Sie fährt mit einem Taxi nach Hause (jawoll, er ist es: der unfreundliche Taxler aus „Suspiria“ ist nach Rom übergesiedelt und recht viel freundlicher ist er auch nicht geworden :tongue: ). Unterwegs liest sie Rose’s Brief an ihren Bruder (erstes Verbrechen: Verletzung des Briefgeheimnisses) und ist ebenfalls sofort von der Geschichte fasziniert. Sie weist dem Taxifahrer eine neue Adresse an, eine Bibliothek. Beim Aussteigen fällt ihr sofort der merkwürdige, bittersüße Geruch auf, der über dem Gebäude zu hängen scheint. Nachdem sie sich auch noch an der Autotür gestochen hat (fragt mich nicht; irgendwie schien da eine Art Dorn überzustehen. Bei italienischen Autos wäre sowas schon möglich… :zwinker: ) geht sie in die Bibliothek und fragt einen alten Bibliothekar nach dem Buch der drei Mütter. Zufällig befindet sich dies gleich hinter ihr und sie beginnt zu lesen.
Bild
Sara forscht nach

Doch sie wird beim schmökern unterbrochen. Glockenläutend stakst ein Angestellter durch die Bibliothek mit der Bemerkung, man schliesse jetzt und die Leute sollen bitte gehen. Sara findet hinter sich ein Ausgangsschild und folgt der Treppe, das Buch nimmt sie mal eben einfach mit (zweites Verbrechen: Diebstahl öffentlichen Eigentums). Die Ausgangstreppe führt in eine Art Treppenhaus und natürlich nimmt Sara die falsche Abzweigung und verläuft sich auch prompt. Schließlich stößt sie auf einen Raum, dessen Interieur nicht nur ihr sehr merkwürdig vorkommt:

Bild
Hexenküche unter der Bibliothek. Der Herr halbrechts im Bild ist übrigens nicht Dario Argento, sondern Ryan Hilliard.

Sara fragt die Gestalt höflich, wo der Ausgang sei und erntet als Antwort ein dunkles Grollen: „Andere Tür!“ Damit wäre soweit eigentlich alles klar, aber der Unbekannte (nennen wir ES mal so) sieht in einem Spiegel Sara das Buch der drei Mütter halten. Das fällt Sara nun auch auf und sie will sich aus dem Staub machen. Der Unbekannte hat inzwischen seinen Handschuh ausgezogen (zum Vorschein kommt eine gar schauerliche Hexenhand) und knurrt Sara an: „Das Buch!“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schnappt er sich Sara und hält ihren Kopf dicht über einen mit undefinierbarer Pampe vor sich hindampfenden Topf. Sara kreischt und läßt das Buch los. Sie kann sich aus dem Griff des Unbekannten herauswinden und flieht in Panik. An der Ausgangstür bleibt sie zu allem Unglück mit ihrer Bluse hängen, während die unheimliche Gestalt die Verfolgung aufgenommen hat und sie gleich einzuholen droht. Im letzten Moment kann sie sich befreien (nein, die Bluse zerreisst nicht :grin: ) und fliehen; der Unbekannte sieht ihr als dunkler, gesichtsloser Schatten nach.

Sara fährt mit einem Taxi nach Hause. Im Aufzug trifft sie, immer noch verstört über ihre Erlebnisse, den Reporter Carlo. Sie sagt ihm, sie habe Angst und bittet ihn, ihr Gesellschaft zu leisten. Carlo hat in den nächsten Stunden nichts vor und erklärt sich bereit, mit ihr zu gehen (offenbar hält er das für eine seltsame Anmache). In ihrer Wohnung fragt Sara ihn, ob er schonmal was von den drei Müttern gehört habe. Carlo kennt aber nur eine Popgruppe dieses Namens und hält im Übrigen nicht viel von Geistergeschichten; an sowas glaubt er nicht. Sara legt eine Platte von Verdi auf, während draußen der Vollmond am Himmel erscheint. Sie geht ins Schlafzimmer und telefoniert mit Mark. Er möge doch bitte kommen, sie habe den Brief seiner Schwester gefunden und er solle ihn umgehend lesen. Plötzlich flackert das Licht und fällt schließlich ganz aus. Carlo vermutet eine Überlastung des Stromnetzes und will sich mal den Hauptsicherungskasten der Wohnung ansehen. Sara bittet ihn, ständig weiterzureden, da ihr die Situation recht unheimlich ist. Carlo sieht also nach dem Rechten und ist plötzlich still. Als Sara nachsehen geht, stolpert ihr Carlo mit einem Messer im Hals entgegen und fällt auf sie. Kreischend versucht sie sich zu befreien, als eine schwarzbehandschuhte Hand das Messer aus Carlos Hals zieht und ihr in den Rücken stößt.
Kurze Zeit später trifft Mark in Saras Wohnung ein. Er findet auf dem Boden den in Fetzen gerissenen Brief seiner Schwester und wird einer Bewegung hinter einer Stoffwand gewahr. Unvermittelt bricht eine Person durch diese Stoffwand: es ist Sara, die tot vor ihm zusammenbricht.
Bild
Sara ist tot

Die Polizei ist schnell vor Ort, doch Mark kann ihnen nichts sagen, außer eben, daß seine Freundin tot ist.

Szenenwechsel. Wir sind wieder in New York. Rose telefoniert mit Mark, doch die Verbindung ist schlecht. Dennoch hört Mark den dringenden Wunsch seiner Schwester heraus, er solle schnellstens kommen. Auf Rose’s Seite bricht die Verbindung unvermittelt ab. Rose gruselts grad mächtig, als sie einen Schatten vor ihrer Wohnungstür sieht. Irgendjemand versucht bei ihr einzubrechen. Schnell will Rose durch eine zweite Tür verschwinden, bricht dabei aber den Glasknauf ab und verletzt sich an der Hand, was zur Folge hat, daß sie nun überall Blutspuren hinterläßt. Schließlich gelingt es ihr aber doch, die Tür zu öffnen und sie entkommt in den Hausflur. Dort findet sie einen Vorhang, hinter dem eine weitere Tür in ein zweites Treppenhaus zum Lieferanteneingang führt. Schnell schlüpft sie hindurch und versucht nun so, dem Einbrecher/bösen Buben zu entkommen. Auf ihrer Flucht verläuft sie sich aber immer mehr in den Tiefen des seltsam konstruierten Hauses und landet letzlich in einer Art Vorraum. Unvermittelt fliegt ein Fenster auf und Rose freakt angemessen aus. Hinter dem nächsten Fenster sieht sie nur undurchdringliche Dunkelheit und dreht sich wieder um, um zu überlegen, was nun zu tun ist. Plötzlich greifen Hände aus der Dunkelheit nach ihr und umklammern ihren Kopf.

Bild
Die Hexe schlägt wieder zu

Rose wehrt sich verzweifelt, hat aber keine Chance zu entkommen. Das Fenster entpuppt sich als eine Art Guillotine und nach mehrmaligem Anlauf verliert Rose letzendlich ihren Kopf.

Am nächsten Tag trudelt Mark in New York ein. In Rose’s Appartementhaus trifft er auf eine Concierge/Verwalterin (welchen Job die Dame nun genau hat, erschloß sich mir nicht so ganz. Sie kümmert sich halt…), stellt sich als Bruder von Rose vor und läßt sich von ihr die Schlüssel für Rose’s Wohnung geben. Die Concierge (ich will sie mal so nennen) ist auch etwas besorgt, man habe Rose schon zwei Tage nicht mehr gesehen.
Auf dem Weg zum Aufzug trifft Mark auf einen weiteren Bewohner des Hauses: einen im Rollstuhl sitzenden Greis samt seiner Pflegeschwester.
Bild
Der Prof und die Nurse? Oh nein - eher das Grauen und der Helfer.

Im Aufzug schwatzt die Schwester mit Mark und stellt den Greis als Professor Arnud vor, ein ehemaliger Toxikologe. Der Prof mustert Mark etwas säuerlich und kratzt an dessen Aktentasche herum, was die Schwester mit der Bemerkung quittiert, der Prof wolle wohl etwas sagen, so sehe er dann nämlich immer aus. Insgesamt ein recht seltsames Pärchen, die beiden.

In Rose’s Appartement angekommen bemerkt Mark, daß der Prof Buchstaben in das Leder seiner Aktentasche eingeritzt hat, die das Wort „Mater“ ergeben. Mark kann sich keinen rechten Reim darauf machen und staunt stattdessen über ein Bild des Wohnhauses, das an der Wand hängt. Plötzlich vernimmt er ein Flüstern, jemand wispert Rose’s Namen. Verblüfft horcht Mark nach und öffnet dann die Tür. Davor steht eine Frau, die sich Mark als Rose’s Freundin und Nachbarin vom darüberliegenden Stockwerk zu erkennen gibt. Sie stellt sich als Elise vor, eine Komtess, die hier wohne und zusammen mit Rose einiges über das Haus herausgefunden hat. Zum Beispiel gebe es kleine Löcher in der Wand, die die Stimmen gleich eines Rohrpostsystems tragen womit sich Marks Eindruck, ihr Flüstern vorhin von überall gehört zu haben, erkläre. Leider weiß sie aber auch nicht, wo Rose abgeblieben sei, mache sich aber große Sorgen, denn etwas gehe hier vor. Unvermittelt wird sie unterbrochen: ihr Butler John ist aufgetaucht und teilt ihr mit, ein Anruf bedürfe ihrer Anwesenheit.

Bild
John bittet ans Telefon und die Komtessa muss jetzt gehen.

In Elise’s Wohnung verabreicht ihr ihr Butler ihre Medizin und läßt ihr Bad ein. Dabei macht er auf uns die ganze Zeit einen etwas – na sagen wir mal – schmierigen und hinterfotzigen Eindruck, fast schon ein typischer Edgar-Wallace-Butler. Nachdem das Bad bereitet ist, darf sich John zurückziehen und die Komtess alleine lassen. Die will aber nicht baden, sondern hat andere Pläne.

In der Zwischenzeit schauen wir aber bei Antiquitätenhändler Kazanian rein. Der macht gerade Feierabend und schließt seinen Laden ab. Er macht es sich in einem Hinterzimmer seines Ladens auf einem Bett bequem. Vorne ist alles dunkel und ruhig. Der Vollmond scheint mal wieder. Als nächstes sehen wir eine schwarzbehandschuhte Hand, die die letzten verbliebenden Ausgaben des Buches „Die drei Mütter“ aus einem Regal stiehlt. Durch ein Geräusch wird Kazanian aufgeschreckt und humpelt in den Laden, um nachzusehen. Auf seine „Wer ist da?“ Frage reagiert allerdings nur eine Katze, die ihn fauchend kratzt und Fersengeld gibt. Auf ihrer Flucht zerdeppert sie noch eine kleine Statue, was Kazanian ziemlich wütend und schimpfend zurücklässt.

Elisa ist derweil wieder bei Mark. Zusammen wollen sie Rose’s Verschwinden aufklären. Durch eine zufällig entdeckte Blutspur kommen sie schnell dahinter, daß Rose wohl in Richtung Lieferanteneingang getürmt sein muß. Mark will sich das mal ansehen, Elisa bleibt angstvoll zurück. Mark nimmt beinahe den gleichen Weg wie vorher seine Schwester. Bei einem Abluftgitter bleibt er stehen und linst hinein. Die herausströmende Luft scheint ihm allerdings nicht zu bekommen, es wird ihm zusehends schlechter, bis er schließlich zusammenbricht. Elisa wird oben zunehmend nervöser und sie beschliesst nachzusehen, wo Mark bleibt. Sie nimmt den Treppenabgang und bleibt an einem Fenster stehen, das plötzlich auffliegt. Als sie hinaussieht, erkennt sie in einem anderen Gebäudeteil Mark, der von einem Unbekannten fortgeschleift wird.
Bild
Mark ist erstmal ausgeknockt.

Geschockt sieht sie dem Geschehen zu, doch die schattenhafte Gestalt hat sie entdeckt. Nun wird Elisa klar, daß sie selbst in Gefahr ist und rennt los. Doch alle Ausgänge aus dem zweiten Treppenhaus sind plötzlich verriegelt, so sehr sie auch an den Türen rüttelt. Irgendwann findet sie dann doch eine offene Tür – sie führt auf den Dachboden. In dieser Sackgasse versucht sich Elisa zu beruhigen als sie plötzlich von Katzen angefallen wird. Die Viecher scheinen von überall her zu kommen und kratzen und beißen, was das Zeug hält. Elisa kämpft wacker, kann aber gegen die Übermacht der Stubentiger nicht viel ausrichten. Schließlich haben sie die Katzen zu Boden geworfen und als diese gerade etwas von ihr ablassen, saust aus dem Nirgendwo eine Messerklinge auf sie herab. Die schattenhafte Gestalt hat sie gestellt und getötet. Pech für sie – Glück für Mark.

Der wacht nämlich in der Halle des Hauses auf, umringt von der Concierge, der Schwester und zwei weiteren Bewohnern. Er ist ahnungslos, wie er hierhergekommen ist, hat aber Herzschmerzen. Die Schwester reicht ihm Medizin und man trägt ihn in das Appartement seiner Schwester, wo er wieder wegdämmert.

Am nächsten Tag wird Kazanian bei der Concierge vorstellig. Er beschwert sich bei ihr über die verfluchten Katzen, die hier wohl zu Dutzenden herumlungern. Eines dieser Mistviecher habe ihn gestern gekratzt und eine wertvolle Antiquität zerstört. Wenn nicht bald was passiere, würde er die Polizei und das Gesundheitsamt verständigen, schimpft er. Die Concierge giftet in gleichem Tonfall zurück, er solle tun, was er nicht lassen könne. Kazanian zieht grummelnd ab, als Mark herunterkommt. Er fühlt sich heute schon wieder bedeutend besser und könne sich kaum noch erinnern, was gestern abend mit ihm losgewesen sei. Die Concierge scheints zu freuen. Als er erfährt, daß „der Krüppel“, der gerade hinaus sei, Kazanian ist, geht er ihm hinterher um ihn über Rose zu befragen.

Bild
Kazanian erzählt Mark einen vom Pferd.

Dieser weiß nichts über Rose und in seiner ihm eigenen, charmanten Art vermittelt er den Eindruck, daß ihm das auch ziemlich wurscht ist. Auch über das gekaufte Buch kann er nichts weiter sagen. Dafür erzählt er Mark von der bevorstehenden Mondfinsternis; er solle sie sich ruhig mal ansehen, sowas käme nur alle 46 Jahre vor.

Einschub: Es sei an dieser Stelle gesagt, daß Kazanians Beschreibung der Mondfinsternis so nicht ganz richtig ist. Die später dann zu sehende Finsternis ist aus wissenschaftlicher Sicht schlicht blödsinnig und ähnelt eher einer Sonnenfinsternis, sowohl in Darstellung als auch Zeit. Bei einer realen Mondfinsternis tritt der Mond in den Erdschatten und verfärbt sich tiefrot. Dieses Schauspiel hält normalerweise mehrere Stunden an und nicht nur Minuten.

Am Abend sehen wir Kazanian wieder in seinem Laden. Erneut irritiert ihn ein Geräusch und er geht nachsehen. Wieder ist’s eine Katze, die durch seinen Laden schleicht. Kazanian kann sie greifen und schleppt sie zu einer Kiste. Darin befindet sich ein Sack, in den er die Katze wirft. In dem Sack befinden sich bereits einige Katzen, offensichtlich hat er schon einige gefangen. Etwas später bricht er mit dem Sack auf. Wir sehen ihn in einen Park humpeln. Bei einem Brackwasserabfluß bleibt er stehen und wirft den Sack ins Wasser. Es ist aber noch nicht tief genug, weshalb er noch ein Stückchen weiter in den Tümpel geht und den Sack dort hineinwirft. Diesmal klappts: unter Zuhilfenahme einer Krücke kann er den Sack mitsamt den Katzen versenken. Doch er hat Pech, rutscht ab und schlägt der Länge nach hin. Aus dieser mißlichen Lage wieder hochzukommen ist für ihn fast unmöglich, weshalb er sich entschließt, nach Hilfe zu rufen. An einem Ufer des Tümpels sehen wir einen Imbissstand; der Besitzer ist gerade beim Fleisch schneiden, hört aber Kazanian nicht.
Der hat inzwischen richtig Pech. Eine Horde Ratten beginnt sich für ihn zu interessieren und sie tun das, was Nager eben tun: sie nagen ihn an. Der Mond verfinstert sich, die Ratten werden immer mehr, Kazanian ruft immer lauter um Hilfe. Endlich wird der Imbißmensch darauf aufmerksam und er spurtet los. Doch anstatt Kazanian zu helfen, sticht er ein paarmal mit seinem Fleischermesser auf ihn ein und schiebt ihn nahe an ein Kanalisationsrohr. Sollen die Ratten den Rest erledigen. Wir können nun raten, ob der Imbißmensch einfach seine Ruhe haben wollte, oder, was wahrscheinlicher ist, er während der Mondfinsternis unter dem Einfluß der Mutter der Finsternis stand.

Zwischenzeitlich sind wir wieder im Appartementhaus. Mark will Elisa besuchen doch auf sein klopfen und flüstern antwortet niemand. Elisas Wohnung ist aber nicht leer: John steht dort wie angewurzelt in der Dunkelheit. Als Mark wieder abgezogen ist, beobachten wir John, wie er die Schmuckschatulle der Komtess plündert. Er geht mit seiner Beute zur Concierge und wir erkennen, daß die beiden unter einer Decke stecken, vielleicht sogar ein Verhältnis haben (schauerlicher Gedanke). John ist zwar etwas beunruhigt, daß die Komtess wiederkommen könnte aber die Concierge versichert ihm, daß das nicht der Fall sein werde. Nun solle er noch den Mann der Komtess anrufen und ihm sagen, diese sei verreist und habe ihren ganzen Schmuck mitgenommen.

Mark grübelt in der Zwischenzeit über das „Geheimnis unter den Sohlen“ als ihm auf dem Bild des Hauses eine perspektivische Ungenauigkeit auffällt. Zwischen den Stockwerken scheint zuviel Raum. Zufällig sieht er, wie Ameisen aus den Bodendielen herauskrabbeln und ihm kommt die Idee, daß sich vielleicht ein geheimes Zwischengeschoß unter seinen Füßen befinden könnte. Also macht er sich mit einem Messer ans Werk, die Dielen auszuhebeln. Schnell wird ihm klar, daß sein Verdacht richtig war und er stemmt ein Loch in den Boden um nachzusehen, was da unter seinen Sohlen ist.
Bild
OK, Dr. Jones – und jetzt?

Andernorts ist John gerade dabei, die Anweisung der Concierge auszuführen und dem Mann der Komtess telefonisch eine faustdicke Lüge aufzutischen. Doch dazu kommt es nicht: er wird angefallen und in die Dunkelheit gezogen. Nachdem er sich nicht wieder meldet, geht die Concierge nachsehen, wo er bleibt. Da offensichtlich schon wieder der Strom ausgefallen ist, zündet sie eine Kerze an und erforscht Elisas Wohnung. Es dauert auch nicht lange, bis sie ihren Partner findet: er sitzt tot auf einem Stuhl, die Augen hängen ihm aus den Höhlen. Vor Schreck läßt sie die Kerze fallen und will flüchten. Doch an der Wohnungstür dreht sie sich nochmal um und geht zurück. Die Kerze hat einen am Boden liegenden Vorhang entzündet und sie will die Flammen austreten. Doch diese haben sich schnell den Vorhang hinaufgefressen. Sie reißt den brennenden Vorhang herunter, der prompt auf sie drauffällt und sie unter sich begräbt.

Mark hat in der Zwischenzeit das geheimnisvolle Zwischengeschoß weiter ausgeforscht und ist auf ein weiteres, geheimes Treppenhaus gestoßen. Von diesem führen augenscheinlich weitere Zwischengeschoße weg. Mark läuft das Treppenhaus ab und landet schließlich über einer Wohnung; der des Professors.

Bild
Eine geheime Wohnung

Während es in Elisas Wohnung weiter brennt, und die Flammen immer mehr um sich greifen, stattet Mark dem Professor einen Besuch ab. Dieser kann sich mithilfe einer Art Kehlkopfmikrofon nun mit ihm verständigen und gibt sich als Varelli, der Architekt, zu erkennen. Er will Mark unbedingt was sagen und bittet ihn, näher zu kommen. Treudoof folgt Mark dieser Aufforderung und läuft prompt in eine Falle: Varelli verpasst ihm eine Spritze. Mark prallt zurück und reißt dabei Varelli samt Rollstuhl um. Während dieser versucht, sich aus dem Mikrofonkabel, das sich wie eine Schlinge um seinen Hals zugezogen hat zu befreien, saugt sich Mark in einem Anfall von Intelligenz die Spritzenflüssigkeit selbst aus dem Einstichbereich und spuckt sie aus. Nun will er Varelli helfen, doch es ist schon zu spät. Der Architekt kann ihn im zunehmenden Rauch (ihr erinnert euch: das Feuer aus Elisas Wohnung. Es breitet sich weiter aus) nur noch vor der Mutter warnen.

Mark verläßt Varellis Wohnung und findet sich in einem verliesartigen Raum wieder. Dort, an einem Tisch, sitzt Varellis Krankenschwester. Die gibt sich Mark nun zu erkennen: sie ist niemand anders als Mater Tenebrarum. Sie sagt ihm auch, die Schwestern seien nur ein Ausdruck, die Menschen kennen sie unter einem anderen Namen. Vor Marks Augen verwandelt sich die Mutter in – den Tod.
Bild
Was guckst du – noch nie den Sensenmann gesehen?

Mark ist entsetzt und gibt Fersengeld. Für seine Flucht kommt ihm zugute, daß das Feuer mittlerweile auch auf diesen Bereich übergegriffen hat, weshalb er die Ausgangstür recht leicht auftreten kann. Er flüchtet durch das brennende, zusammenstürzende Gebäude und schafft es gerade noch, herauszukommen.
In der letzten Einstellung sehen wir die Mutter/den Tod, der der Fluchtweg versperrt wurde, kreischend zwischen den brennenden Trümmern stehen, während sie selbst Feuer fängt.
Ende.


Argentos zweiter Teil der Mütter-Trilogie gerät gleichsam seinem Vorgänger wieder zu einem Fest der Farben. Ähnlich rauschhaft wie der Erstling inszeniert, ist die eigentliche Story diesmal wesentlich verwirrender. Vor allen der „Gastauftritt“ der Mater Lacrimarum gibt vielen Erst-Sehern Rätsel auf. Auch gerät die Darstellung des Bösen an sich mehr metaphysisch. Gemäß dem EAV-Motto „Das Böse ist immer und überall“ wird es uns hier als ungreifbare Kraft präsentiert, die sich mal als Lufthauch, mal als nicht manifeste Bedrohung und auch als Hexe, die ihre Erscheinungsform ändern kann, zeigt. Auf der Verständnisebene gibt es diesmal also mehr zu Kauen, was einige Kritiker zu der Bemerkung hingerissen hat, die Story des Films schwanke zwischen äußerst platt und nicht vorhanden. Genaugenommen war aber auch die Story von „Suspira“ kein Ausbund an Stringenz, aber darum ging es auch nicht. Die beiden Mütter-Film sind filmische Alpträume, erzählt in Form des Gothic-Horror, transportiert in die moderne Welt. Dazu paßt die wieder verwendete strenge Formalie der Farben blau und rot ebenso wie die Tatsache, daß Mario Bava in seinem letzten Projekt an diesem Film beteiligt war; unter anderem entwarf er die Räumlichkeiten des Hexenhauses und zeigte sich für die grandiose Unterwasser-Szene verantwortlich. Argento konnte hier nochmal zeigen, was er vom Altmeister gelernt hatte; irrwitzige, surreale Szenerien getaucht in unwirkliches Licht mit einer unheimlichen Atmosphäre.

Die ursprüngliche Grundidee der Hexen wird in „Inferno“ weiter ausgebaut, teils aber, zumindest meiner Meinung nach, auch wieder etwas verfremdet. Nun bilden die Hexen also eine Einheit; was die eine weiß, weiß auch die andere. Insgesamt sehen sie sich (zumindest Mater Tenebrarum tut dies) als eine Metapher für den Tod, müßten also somit unsterblich sein. Der letztendliche Tod der zweiten Mutter führt diesen Gedanken aber ad absurdum, womit sich ein riesiges plothole auftut, dessen Auflösung uns der Film (und auch der dritte Teil) schuldig bleiben. Daria Nicolodi behauptet ja, der Plot zu „Inferno“ sei ihre Idee gewesen – nun, wenn dem so ist, hat sie sich zumindest hier in ihrer eigenen Geschichte verheddert. Dennoch ist der grundsätzliche Gedanke – weg von der reinen Hexe hin zu mehr Metaphorik – gar nicht mal der Schlechteste.

Es war denn auch nie angedacht, mit diesem Film das klassische Erzählkino zu bedienen. Der Film sollte auf einer außersprachlichen Ebene funktionieren – einer Experimentalebene, auf der Stil wichtiger ist als die zu erzählende Geschichte. So gestaltet sich „Inferno“ als eine Aneinanderreihung episodenhafter Szenen, in denen die Protagonisten, gleich Schachfiguren, zum Spielball überirdischer Mächte werden. Es soll keine Erklärung für das Warum erfolgen und so läßt den Rezipienten das Schicksal der Charaktere zunehmend kalt; aber selbst das ist Intention. Die Menschen sind in diesem Film nicht so wichtig, die Dinge sind es. Man könnte sagen, Hauptdarsteller und eigentlicher Star des Streifens ist das Haus mit seinen labyrinthartigen Verzweigungen und seiner neo-gotischen Architektur. Ansonsten wird in dem Film nicht viel erklärt; die Dinge sind eben so, wie sie sind: magisch und un-glaublich. Der Zuschauer hat das so hinzunehmen und wenn man sich erst einmal darauf eingelassen, kann diese Art der Erzählung durchaus gefallen.

Natürlich geht es auch diesmal nicht ohne Tote ab. Die Morde sind dabei nicht so drastisch bzw. kunstvoll in Szene gesetzt wie beim Vorgänger, verfehlen aber dennoch ihre Wirkung nicht. Besonders gelungen dabei der Einsatz von Tieren als Handlanger des Bösen, wie z.B. die Hunderte von Ratten, die Kazanian anknabbern. Eine ganz besondere Rolle kommt diesmal den Katzen zu; sie sind sowohl Augen als auch Ohren der Hexe(n) und in einem Fall willfährige Mordkomplizen. Regieassistent Lamberto Bava (Mario’s Sohn, der später mit den „Demoni“ Filmen den Aficinados bekannt werden sollte) sagte hinterher, er sei bei diesem Streifen soviel mit Katzen in Berührung gekommen, daß er später nicht einmal mehr im selben Raum mit einer Katze sein wollte. Tatsächlich macht er seitdem einen großen Bogen um die Stubentiger.

Musikalisch schlägt Argento hier wesentlich sanftere Töne an. Passend zu den traumwandlerischen Bildern und der düsteren Grundstimmung erklingen Operntöne (z.B. von Verdi) und auch der Titelscore ist ein angenehm ruhiges Klavierstück. Verantwortlich für die Musik zeigte sich diesmal Keith Emerson, der vielen sicher noch als Mitglied von Emerson, Lake & Palmer bekannt ist. Obwohl viele unken, er habe nun so gar keine Verbindung zum Film, schon gar nicht zum Horrorfilm, fügen sich seine Melodien dennoch gut ins Geschehen ein und unterstützen die Bilder angemessen. Auch das im Abspann laufende „Mater Tenebrarum“ ist von Emerson und nicht, wie öfters falsch vermutet, von Goblin (obwohl dem Stück eine gewisse Ähnlichkeit zu den Goblin-Klängen nicht abzusprechen ist) und wurde von einem brasilianischen Chor gesungen.

Bei den Schauspielern stellt sich für den Betrachter und Argento-Fan schnell ein heimeliges Gefühl ein: man kennt viele Gesichter schon. Den leading part übernimmt diesmal Leigh McCloskey, ein Amerikaner, der wohl auf Druck des Co-Produzenten 20th Century Fox ins Boot geholt wurde. Ursprünglich wollte Argento eigentlich James Woods für diese Rolle haben, der mußte aber aus terminlichen Gründen absagen (schade, wie ich meine. Das wäre sicher interessant geworden). McCloskey wirkt insgesamt etwas blaß, was kaum verwundert: Kinofilme waren und sind nicht sein Metier, er ist mehr in TV-Serien zuhause. Auch Irene Miracle, welche die Rose spielt, kann auf eine überschaubare Karriere als Schauspielerin zurückblicken. Aber sie hatte den Vorzug, Erfahrungen im Synchronschwimmen zu haben, was ihr bei dieser Rolle recht gut zu pass kam.
Eleonora Giorgi, Sara im Film, war 1980 bereits eine etablierte Aktrice in Italien, wenngleich die Filme, in denen sie mitwirkte, eher dem B-Genre zuzuordnen sind. Über Daria Nicolodi, die hier als Elise auftritt, habe ich ja schon genug Worte verloren; ihre besten Auftritte hatte sie nun mal in den Filmen ihres Freundes Dario.
Zu den vertrauten Gesichtern zählt neben Fulvio Mingozzi, der hier wieder als brummeliger Taxifahrer auftritt, auch Alida Valli, die hier Carol, die Concierge, spielt. Ähnlich wie in „Suspiria“ darf sie auch diesmal wieder eine böse Person spielen, der man nicht über den Weg trauen sollte. Auch der aus „Profondo Rosso“ bekannte Gabriele Lavia ist wieder mit an Bord, wenn auch nur mit einem Kurzauftritt in der Rolle des Carlo (was sonst?).
Erwähnenswert neben Veronica Lazar, die als Mater Tenebrarum erscheint, vorher schon in Bertolucci’s „Der letzte Tango in Paris“ zu sehen war, ein Jahr später in Fulci’s „The Beyond“ auftrat und 1996 nochmals mit Argento in „Das Stendhal Syndrom“ zusammenarbeitete, erscheint mir noch die femme-fatale gleiche Ania Pieroni als Mater Lacrimarum und der Franzose Sacha Pitoeff als Kazanian.

Schlußbemerkung. „Inferno“ ist ein würdiger Nachfolger von „Suspira“ und baut auf die gleichen Prinzipien wie sein Vorgänger. Ein englischer Filmkritker schrieb, „Inferno“ sei der meistunterschätzte Horrorfilm der 80er Jahre. Bedenkt man, was sonst so im Horrorbereich in der 80ern veröffentlicht wurde, konnte er beinahe Recht damit haben. Ein optischer Leckerbissen, opernhaft musikalisch untermalt und gepaart mit einer episodenhaft erzählten Geschichte des Übernatürlichen lassen den Rezipienten tief in eine (Alp-)Traumwelt eintauchen, wo nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Durch seine Struktur ist Inferno aber kein leichter Film; man muß sich darauf einlassen und ihr durchaus öfters mal ansehen, um seine ganze Vielfalt zu erkennen und zu würdigen.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Beitrag von Shadow »

Tenebre
Alternativ: Tenebrae – Der kalte Hauch des Todes ; Unsane
Italien, 1982
Sigma Cinematografica., Rom

Filmlaufzeit: ca. 102 Minuten
Bild

Als der amerikanische Erfolgsschriftsteller Peter Neal nach Rom reist, um dort seinen neuesten Kriminalroman „Tenebre“ vorzustellen, geschehen in seiner unmittelbaren Umgebung eine Reihe blutiger Morde, die nach dem Vorbild seines Romans ausgeführt werden. Schon bald erhält Neal anonyme Briefe, in denen der offensichtlich wahnsinnige Killer nun auch ihm, dem korrupten Anstifter einer verkommenen Welt, mit dem Tode droht. Neal nimmt die blutige Spur des Mörders auf und gerät dabei zunehmend in ein verwirrendes Labyrinth aus Verdächtigungen, Androhungen, Erinnerungen, Betrug und Intrigen, dessen Pfade alle zu jemandem zu führen scheinen, der in seiner Kindheit eine schreckliche Traumatisierung erfahren hat. Gegen Ende schließlich bricht der Wahnsinn in einem Blutbad nie gekannten Ausmaßes endgültig hervor…


Irgendwo liest irgendwer (ein böser Killer, wie wir sofort an den typischen schwarzen Handschuhen erkennen) in dem Buch „Tenebre“ des Schriftstellers Peter Neal: „Der Drang war unerträglich geworden. Es gab für ihn nur eine Antwort auf die rasende Wut, die ihn quälte. Und so beging er seinen ersten Mord. Er hat das in Menschen zutiefst verankerte Tabu gebrochen und empfand weder Schuld, noch Angst, noch Furcht; nur Freiheit. Jede Erniedrigung, die ihm im Leben widerfuhr, konnte auf diese einfache Art weggeräumt werden: durch Vernichtung der Person, durch Mord!“ Das Buch wird ins Feuer geworfen…

Szenenwechsel. Wir sind in New York und beobachten Peter Neal, wie er im Trainingsanzug per Rennrad durch die Stadt gondelt. Sein Ziel ist schnell erreicht: der Flughafen. Dort trifft er sich mit seinem Chauffeur, der mit dem Wagen und seinem Gepäck vorausgefahren ist. Peter will nach Rom fliegen. Nachdem er sich umgezogen hat, will er einchecken, doch da ist noch ein Anruf für ihn. Er lässt sein Handgepäck stehen (mitten vor dem Schalter! Wie blöd kann man eigentlich sein?) und geht ran. Es ist Jane, seine Ex, die ihm offensichtlich auf die Nerven geht und er sie dementsprechend schnell abfertigt.

Bild
Peter am roten „Courtesy Phone“

Was er nicht weiß: Jane steht nur einige Meter von ihm entfernt in einer Telefonzelle. Nachdem er das Gespräch beendet hat, sucht er zunächst vergeblich seine Tasche (das wundert mich nicht), findet sie dann aber schließlich neben einem Counter stehend (das wundert mich allerdings). Nachdem sich das Flugzeug in die Luft erhoben hat, sehen wir Jane und eine Freundin ihm hinterhersehen; offenbar haben die beiden einen Plan ausgeheckt, in dem Peters Handgepäck eine Rolle spielt.

Szenenwechsel. Nun sind wir ihn Rom und schauen in einem Supermarkt vorbei. Wir beobachten eine Kundin, Elsa, die gerade einen Blick in das Buch „Tenebre“ wirft. Sie wird dabei allerdings ohne ihr Wissen beobachtet. Geschickt lässt sie das Buch in ihre Tasche gleiten und stellt den leeren Schutzumschlag wieder ins Regal. Auf dem Weg nach draußen wird sie aufgehalten: der Ladendetektiv möchte dringend wissen, was sie denn da in ihrer Tasche habe. Im Gerangel fällt das Corpus Delicti zu Boden und trotz Elsas Unschuldsbeteuerungen muß sie den Detektiv in sein Büro begleiten. Dort versucht sie den Detektiv zu bestechen: er sei doch nicht schwul, sagt sie, und gibt ihm ihre Adresse; man könne sich ja bei ihr zu einem Schäferstündchen treffen, wenn er sie laufen lasse. Der Detektiv, klassischer italienischer Klischee-Macho, geht auf den Deal ein und lässt sie gehen.
Etwas später ist Elsa auf dem Weg nach Hause. Als sie an einem Bauzaun vorbeiläuft, schießt plötzlich eine Hand dahinter hervor und hält sie fest. Es ist ein Stadtstreicher, der dringend ein Küßchen von der Schönen begehrt. Darauf hat Elsa aber verständlicherweise keine Lust und nach einem kleinen Scharmützel setzt sie den Penner mit einem gezielten Tritt in die Weichteile erstmal außer Gefecht. Doch nur kurzzeitig; er ist recht schnell wieder auf den Beinen und nimmt, nun ziemlich angesäuert und sie wüst beschimpfend, die Verfolgung auf. Elsa kann sich im letzten Moment in ihrer Wohnung in Sicherheit bringen. Dort will sie nun erstmal entspannen, doch der Penner ist irgendwie aufs Grundstück gelangt und steht nun vor dem Fenster. Entsetzt prallt Elsa zurück und wird von einer schwarzbehandschuhten Hand geschnappt.
Bild
Gotcha! Der Killer schlägt zu.

Er hält ihr ein Rasiermesser an die Kehle und drückt ihr Buchseiten aus „Tenebre“ in den Mund. Anschließend schneidet er ihr die Kehle durch. Letztlich macht er noch ein Foto der Leiche. Der Stadtstreicher draußen vorm Fenster konnte zwar sehen, daß Elsa in Gefahr ist, den Mörder aber wegen der Vorhänge nicht erkennen. Er macht sich vorsichtshalber aus dem Staub; nicht, daß ihm noch jemand was anhängt.

Am römischen Flughafen ist Peters Maschine inzwischen gelandet. Sein Manager Bullmer erwartet ihn schon mit einer Schar Reporter im Gefolge. Der Mann ist offenbar recht geschäftstüchtig. Peter darf also gleich mal ein paar Interviews in der Lobby geben. Unter anderem wird er auch von Tilde, einer ihm bekannten Reporterin, befragt. Tilde wirft seinem Buch offenen Sexismus und Machismo-Gehabe vor, was Peter zunehmend irritiert. Während dieses kleinen Disputes werden sie permanent von einem großgewachsenen Mann beobachtet, der ansonsten nicht ein Wort sagt. Schließlich unterbricht Bullmer Tilde und bietet ihr ein Exklusiv-Interview mit Peter zu einem späteren Zeitpunkt an. Der Mann komme ja nun gerade erst aus New York und solle sich erstmal ein bißchen ausruhen. Bullmer kann Peter endlich vom Presse-Empfang weglotsen.

Bild
„Woher ich deine Frau kenne? Sie sagte, ihr Mann sehe aus wie ein verwichster Zuhälter mit Hut.“

Auf dem Weg nach draußen fragt Peter Bullmer, wer der unbekannte Schweiger gewesen sei. Chrsitiano Berti, ein Kritiker, so Bullmers Antwort. Peter habe auch bei ihm noch einen Termin für ein Fernsehinterview. Sehr wichtig, hohe Zuschauerzahlen. Schließlich sei Peters Buch seit 12 Wochen auf Platz eins der Bestsellerliste.
Auf dem Parkplatz vor dem Flughafenterminal treffen sie dann Anne, die für Peter als Sekretärin während seines Rom-Aufenthalts arbeitet; eine gute Freundin von Peter die ihn seit sechs Jahren kennt. Desweiteren wird ihm auch noch Gianni, der Stift (Verzeihung: Azubi), zur Seite gestellt, auf daß es Peter an nichts fehle. Peter hat auch gleich etwas für Anne mitgebracht, doch als er es aus seinem Handgepäck holen will, stellt er fest, daß all seine Sachen darin zerstört oder im Falle von Kleidung zerschnitten sind.

Doch davon will man sich die gute Laune nicht vermiesen lassen. Während Bullmer wieder in sein Büro geht, fahren Gianni, Anne und Peter zu dessen angemieteter Wohnung in Rom. Dort angekommen wartet die nächste Überraschung auf sie: Capitano Germani und Inspektor Altieri von der örtlichen Polizei sind da. Sie haben auf Peter gewartet und sich einstweilen selbst hereingelassen. Anne, ganz dienstbeflissene Sekretärin, bietet dem Capitano erstmal was zu trinken an. Dann fällt ihr aber ein, daß Beamte im Dienst ja nicht trinken, was der Capitano mit der Bemerkung kontert, er trinke ausschließlich im Dienst. Germani erzählt Peter von dem Mord an Elsa und der Tatsache, daß in ihrem Mund Seiten seines Buches gefunden wurden. Er will nun wissen, ob Peter irgendwas darüber weiß. Peter fragt geistreich zurück, ob bei einem Mord mit einem Smith&Wesson Revolver der Präsident von Smith&Wesson verhört werde. Im Übrigen habe er keine Ahnung, er sei ja gerade erst angekommen.
Bild
Capitano Germani gibt ein interrogatives Statement ab.

Der Capitano hat aber noch etwas: in Peters Appartement hat er auf dem Boden einen an Peter adressierten Umschlag gefunden. Dieser beinhaltet ein aus Zeitungsbuchstaben ausgeschnittenen Brief mit den Worten: „Es gab für ihn nur eine Antwort auf die rasende Wut, die ihn quälte.“, ein Zitat aus seinem Buch. Der Capitano bittet Peter um seine Mithilfe, falls er noch weitere Schreiben erhalte, was dieser sofort zusagt. Die Polizisten wollen gerade gehen, als das Telefon läutet. Der Mörder ist dran und läßt Peter wissen, daß er genau nach seinem Buch gehandelt habe und weitermachen werde. Auch kann er jetzt gerade Peter sehen und dieser schließt daraus, daß der Unbekannte wohl aus der Telefonzelle von der gegenüberliegenden Straßenseite mit ihm spreche. Bevor Peter den Anrufer in ein längeres Gespräch verwickeln kann, hängt dieser auf. Inzwischen sind die Polizisten losgespurtet um den Anrufer dingfest zu machen. Doch die Telefonzelle ist bereits leer und eine Rundumsuche bleibt ergebnislos.

Später werden wir Zeuge von jemandem, der sich hinter einem Stoffvorhang verbirgt und offenbar gerade leidet. Obwohl er Medikamente einnimmt, erleidet er einen Flashback; wohl ein traumatisches Erlebnis aus seiner Vergangenheit. Wir sehen eine schöne Frau (eigentlich nicht, aber dazu später mehr) in roten Pumps am Strand. Sie wird von Männern umringt, deren Gesellschaft sie nicht abgeneigt zu sein scheint. Es kommt noch ein weiterer Mann hinzu, der in den Ringelpietz mit einsteigen möchte. Doch die Unbekannte hat kein Interesse an ihm; das macht ihn etwas stinkig und er klatscht ihr eine. Daraufhin werfen ihn die anderen zu Boden und die Unbekannte tritt nach ihm, schiebt ihm letztlich sogar den Absatz ihres Schuhes in den Mund.
Bild
Mann? Frau? Weder noch? Oder beide?.

Ganz offensichtlich haben wir eben einen Blick in die Psyche des Mörders getan. Dieser hat entweder ein Problem mit Frauen oder mit allen Menschen, die ihn verletzen. Ob der Flashback nun tatsächliche Ereignisse wiedergibt, dürfen wir allerdings bezweifeln. Eher ist die Bildsprache metaphorisch zu verstehen: ein Mann begehrt eine schöne Frau, die ihn jedoch abweist und sich lieber mit anderen vergnügt. Zu allem Überfluss scheint sie ihn auch noch zu verspotten und zu erniedrigen, wofür der Schuh auf dem Gesicht ein deutliches Anzeichen ist.

Abends sehen wir Tilde in einer Bar rumhängen. Ihre Freundin Marion, selbst für italienische Verhältnisse leicht geschürzt, kommt gerade und lässt sie wissen, daß sie einen Typen vernaschen will. Dazu plant sie das gemeinsame Appartement zu nutzen. Tilde passt das überhaupt nicht und aus ihrer Reaktion können wir erkennen, daß sie lesbisch ist, ihre Freundin wohl aber eher bisexuell. Marion zieht also mit dem Typen ab und Tilde bleibt mit einem Bekannten in der Bar zurück, der ihr die nächste Stunde die Ohren volllabert.

Später kommt Tilde in die gemeinsame Wohnung. Marion ist gut drauf: halbnackt auf der Treppe stehend, erzählt sie von dem tollen Sex, den sie gerade hatte. Daran ist Tilde aber nicht interessiert, was sie Marion stocksauer klarmacht. Diese macht wiederum ihrerseits eine schnippische Bemerkung, verzieht sich in ihr Zimmer und dreht erstmal die Stereoanlage auf. Tilde will wohl weiterstreiten, denn sie ruft noch nach oben, Marion solle den Mist leiser drehen. In der Zwischenzeit fährt die Kamera in einer genialen Einstellung über und um das Haus herum und wir sehen jemanden, der sich an der Rückseite an den Rollläden zu schaffen macht; schwarze Handschuhe, natürlich. Wegen der Musik bemerkt Tilde das Eindringen des Bösewichts nicht und sie zieht sich in aller Seelenruhe um. Als sie ihr Nachthemd überstreift, packt sie der Mörder von hinten und schlitzt mit dem Rasiermesser zuerst ihr Hemd auf und schließlich Tilde selbst.
Bild
Tilde blickt durch – und ist den Umständen angemessen schockiert.

Da das Gerangel nicht geräuschlos über die Bühne ging, ist Marion aufmerksam geworden und geht nach unten, um nachzusehen. Sie sieht Tilde aufgeschlitzt auf dem Treppenabsatz liegen, freakt angemessen aus und macht kehrt, um davonzulaufen. Doch der Mörder ist schneller: er setzt ihr nach und auch Marion fällt dem Rasiermesser zum Opfer. Nachdem die beiden Frauen tot sind, macht der Mörder wieder Fotos und verschwindet.
Danach sind wir im Keller des Mörders anwesend. Wir sehen, wie er sein Rasiermesser säubert, können diverse entwickelte Fotos der Mordopfer erkennen und auch ein Karteikästchen, das ihm offenbar zur Planung und Katalogisierung seiner Verbrechen dient. Selbstverständlich bekommen wir den Mörder selbst dabei nie zu Gesicht.

Am nächsten Tag in Peters Wohnung. Der telefoniert grad mit dem Portier Alboretto, weil sein Heißwasser nicht richtig funktioniert. Dieser schickt seine Tochter Maria hinauf mit Instruktionen, was zu tun sei. Maria geht also in Peters Appartement. Sie stellt sich als Portierstochter vor nachdem Peter sich wundert, daß die Stimme am Telefon aber wesentlich tiefer geklungen habe und macht sich daran, den Boiler einzustellen. Als sie damit fertig ist, kommt auch schon Anne herein, die sich gleich an die wichtigsten Sekretariatsaufgaben macht: Kaffee kochen. Peter macht sich in der Zwischenzeit frisch und keiner bemerkt, daß ein Unbekannter einen Umschlag unter der Tür durchschiebt. Schließlich stolpern sie aber doch darüber und als Anne sagt, der Umschlag sei gerade noch nicht dagewesen stürmen die beiden hinaus in der Hoffnung, den Unbekannten stellen zu können. Doch weder im Gebäude noch auf der Straße ist jemand. Peter öffnet den Umschlag und liest: „Sic transit gloria lesbi.“, was ihn vermuten lässt, der Mörder habe wieder zugeschlagen. Anne fragt, was das bedeuten soll und Peter klugscheißt, daß „So vergeht die Glorie von Lesbos“ bedeute, daß der Mörder eine höhere Erziehung genossen habe und Latein studierte.

Etwas später ruft ihn Capitano Germani an und erzählt ihm, daß Tilde mit ihrer Freundin ermordet wurde, was Peter ziemlich schockiert. Doch er muß jetzt zu einem Termin, wenn auch nicht gerade mit großem Enthusiasmus. Das Fernsehinterview steht an und zunächst einmal eine Vorbesprechung in den Studioräumen. Peter unterhält sich also etwas mit Christiano Berti, dem Kritiker, vor der Sendung.

Bild
Berti gibt gar seltsame Meinungen von sich.

Dabei fällt Peter zunehmend auf, welch merkwürdige Einstellung Christiano gegenüber seinem Buch vertritt. „Tenebre“ handle von menschlicher Perversion und ihren Effekt auf die Welt, führt der Kritiker aus, und will von Peter wissen, wie er den Einfluß der Außenseiter auf das Leben sehe. Peter bemerkt, das sei nicht Thema des Buches. Christiano besteht aber darauf, daß sowohl Opfer als auch Mörder Außenseiter seien. Dem ist nicht so, entgegnet Peter, eines der Opfer sei lesbisch, aber keine Außenseiterin. Der Mörder werde als unbeschwert und zufrieden beschrieben. Christiano entgegnet, die Motivation des Mordens sei es, die Korruption zu eliminieren, was Peter mit der Antwort kontert, der Mörder sei schlicht irrsinnig. Christiano sagt schließlich, er steigere sich nur deshalb so in die Deutung hinein, weil er sich selbst dafür interessiere (also für das Buch). Peter nimmt die wundersamen Äußerungen zur Kenntnis, merkt sich aber die Worte des Mannes genau.
Während des Interviews trifft auch das Ermittlerduo der Polizei vor Ort ein. Bullmer fängt sie aber ab und spricht mit dem Capitano, der immer mehr davon überzeugt ist, daß Peter den Schlüssel für alle Ereignisse in Händen halte. Die Morde seien beinahe wie ein Tribut an sein Buch. Unterdessen ist Inspektor Altieri mehr daran interessiert, ein Autogramm vom im Studio anwesenden Yves Montand zu bekommen, was ihr schließlich auch gelingt.

In Peters Appartement überlegt dieser mit Anne etwas später, ob der Mörder vielleicht jemand sein kann, den er kenne. Als er zufällig aus dem Fenster schaut, sieht er unten ein Auto vorbeifahren. Er ist sich sicher, Jane am Steuer erkannt zu haben. Ein Anruf bei seiner Ex in New York, die sich nach Annes Meinung keine zehn Meilen von ihrem Psychiater wegbewegt, bringt nur eine Verbindung mit dem Anrufbeantworter, was den Verdacht nährt, Jane könne tatsächlich in Rom sein. Immerhin wissen wir durch Annes Nebensatz, daß Jane offenbar einen an der Klatsche hat. Anne ist auch der Meinung, daß Jane hinter den Verwüstungen in Peters Reisetasche steckt, was dieser allerdings skeptisch in Frage stellt.

Am Abend sehen wir den Mörder eine weitere Karteikarte aus seinem Kistchen ziehen, offenbar muß heute wohl eine Prostituierte dran glauben. Er verlässt also seinen Keller (läßt dabei vergeßlicherweise den Schlüssel in der Außentür stecken) und geht durch seinen äußerst großzügig und geschmackvoll gestalteten Garten nach draußen. An einem Straßenstrich sehen wir ihn wieder, wie er gerade eine Hure ins Visier nimmt. Er greift in die Manteltasche, aber irgendwas scheint nicht zu stimmen, da er die Hand frustriert zur Faust ballt. Anscheinend hat er sein Rasiermesser vergessen oder eine Gelegenheit verpasst, so genau wird das nicht klar. Sein Opfer steigt jedenfalls in das Auto eines Freiers und ist weg.

In der Zwischenzeit sind wir mit Maria und ihrem Freund auf dessen Moped unterwegs. Der hält unvermittelt an und Maria steigt ab. Nein, das wolle sie nicht, sagt sie und ihr Freund läßt sie prompt stehen und braust davon. Da Maria eine Jugendliche ist können wir wohl davon ausgehen, daß ihr Macker gerade vergeblich um Beischlaf ersucht hat und abgeblitzt ist. Die typische Machoreaktion ist dann, das Mädel stehenzulassen und das eigene gekränkte Ego mit ein paar Kumpels bei mehreren Bierchen zu besänftigen. Maria muß nun also des nächtens zu Fuß ihren Weg nach Hause finden. Ihr Freund hat sie wohl in einem Villenviertel abgesetzt und sie läuft Richtung Innenstadt. Dabei kommt sie an einem großen Grundstück mit Zaun vorbei als sie plötzlich von einem wütenden Dobermann angekläfft wird. Maria erschrickt bis aufs Mark (kann ich gut verstehen), beruhigt sich aber ob des zwischen ihr und der Töle befindlichen Zauns schnell wieder. Sie fährt den Hund an, er solle die Schnauze halten und klopft mit einem herumliegenden Stück Holz gegen den Zaun. Die Töle kläfft weiter und Maria beschließt, ihn links liegen zu lassen und ihres Weges zu gehen. Sie ist kaum hundert Meter weit gekommen, als sie bemerkt, daß der Hund keineswegs aufgegeben hat. Er ist über den Zaun gesprungen und nun hinter ihr her. Maria gibt Fersengeld und flüchtet in einen Park, doch der Dobermann holt sie schließlich ein und fällt sie an. In letzter Sekunde kann sie nach einem Ast greifen und zieht diesen den wieder auf sie springenden Hund sauber über den Schädel, was den erstmal winselnd ausknockt. (Bei aller Tierliebe, hier muß man fast Beifall klatschen. Der Köter ist ganz offensichtlich völlig verrückt und ich an Marias Stelle hätte es nicht nur bei einem Schlag mit dem Ast belassen…) Maria läuft weiter und klettert, durch die Bisse des Hundes verletzt, über einen Zaun auf ein Grundstück, das wir schon kennen: es ist das Haus des Mörders. Der Dobermann ist zwischenzeitlich wieder auf den Beinen und nach zweimaligem Anlauf überspringt er auch den Zaun und ist wieder hinter Maria her. Die sucht zwischenzeitlich nach Hilfe doch der Einzige der kommt ist der Köter, der sie erneut anfällt. In letzter Sekunde kann Maria durch die Kellertür (dank immer noch daran baumelnden Schlüsseln) ins Innere gelangen und den Hund aussperren.
Auf ihre Rufe nach Hilfe antwortet zwar niemand doch sie findet das Equipment des Killers: Fotos, Karteikasten, Zeitungsausschnitte. Sie stopft sich einiges davon in die Rocktaschen und gelangt schließlich über eine Treppe nach oben ins geschmackvoll eingerichtete Haupthaus und ruft wieder nach Hilfe.
Bild
Maria im Wohnraum – ein Glanzstück moderner Architektur

Einschub: hier tut sich meiner Meinung nach ein riesiges plothole auf. Nachdem Maria die Fotos und Beweise gefunden hat und sogar geistesgegenwärtig etwas davon einsteckte, erscheint es völlig unlogisch, in diesem Haus auf Hilfe zu hoffen. Es muß ihr klar gewesen sein, hier im Haus eines Mörders zu sein und daß der ihr wohl kaum helfen würde, ist ja wohl logisch. Soviel Verstand kann auch bei einer 14jährigen, die sie im Film ist, verlangt werden.

Aus dem Dunkel taucht eine schemenhafte Gestalt auf, die sie mit Flüsterstimme als Spionin beschimpft. Der Mörder geht mit gezücktem Rasiermesser auf sie zu und Maria flieht. Sie schlüpft durch die Verandaschiebetür und zieht diese hinter sich zu, was zur Folge hat, daß die Hand des Mörders darin stecken bleibt und er das Rasiermesser verliert, welches in den Swimmingpool fällt. Maria rennt davon, doch der Mörder gibt nicht auf. Er schnappt sich eine Axt und nimmt die Verfolgung auf. Maria wirft ihm auf ihrer Flucht die eingesteckten Beweise vor die Füße, wohl in der Hoffnung, ihn so aufhalten zu können. Doch er achtet nicht darauf und kann sie schließlich im benachbarten Park einholen. Er rammt ihr die Axt ins Kreuz und tötet sie im Anschluß.

Am nächsten Tag wird ihre Leiche samt einiger zerfetzter Fotos von einem städtischen Gärtner gefunden, der sofort die Polizei verständigt.
Peter erhält auch wieder einen Brief, den er zum Capitano bringt. „Um dieses Kind weine ich. Nur ihr Tod gab mir die Kraft, weiterzumachen. Ich muß alles ausrotten, was mich anekelt: die menschliche Perversion und sehr bald den Anstifter.“, liest Germani vor. Peter schliesst messerscharf, daß er wohl damit gemeint sei, was der Capitano bejaht und Peter empfiehlt, auf der Hut zu sein. Er empfiehlt im weiterhin, möglichst in seiner Wohnung zu bleiben, denn der Killer habe es jetzt auf ihn abgesehen.
Peter kommt diesem Vorschlag zunächst nach und beginnt zusammen mit Anne und Gianni eigene Nachforschungen anzustellen. Am besten sehe man in seinem Adressbuch mal alle Verrückten durch, die ihn bedroht haben; männlich oder weiblich.

Bild
Peter hat eine Erleuchtung.

Plötzlich fällt Peter etwas ein. Stand im letzten Brief des Mörders nicht etwas von menschlicher Perversion? Und hatte nicht Berti, der Kritiker, genau die gleichen Worte verwandt? Sicherlich etwas dünn, dennoch beschliesst Peter zusammen mit Gianni den Herrn mal etwas auszuforschen.
Am Abend machen sich die beiden auf und brechen in das Berti’sche Anwesen ein. Durch die Ansicht des Gartens und des Hauses wissen wir mittlerweile genau: die beiden haben einen Haupttreffer gelandet. Sie schleichen durch den Garten und verstecken sich hinter einer Hecke, als plötzlich drinnen das Licht angeht. Gianni schlägt vor, er könne sich zur Verandaseite schleichen, vielleicht sehe er von dort mehr. Peter rät ihm, vorsichtig zu sein und hält einstweilen auf dieser Hausseite die Stellung. Gianni geht also zur Verandaseite und sieht drinnen den Kritiker, der gerade ein Dossier lesend durch das Wohnzimmer geht. Unvermittelt geht das Licht aus und Berti dreht sich um und sieht jemandem, den Gianni allerdings nicht erkennen kann. „Ich bin’s gewesen; ich war’s“, sagt eine Flüsterstimme und wie aus dem Nichts saust eine Axt auf Berti hernieder und bleibt ihm sauber im Kopf stecken. Gianni ist erschrocken und verharrt geschockt bewegungslos, als plötzlich ein Stück Metall durch das Fenster fliegt und die Glasscherben ihm um die Ohren. Das löst seine Starre und er spurtet zu Peter zurück. Diesen findet er hinter der Hecke, halb ohnmächtig und mit blutendem Hinterkopf. Jemand hat ihn offenbar mit einem Stein auf den Schädel gehauen und ihn so außer Gefecht gesetzt. Gianni zieht Peter hoch, gemahnt ihn zur Eile ob der brisanten Situation und die beiden fliehen schnellstens.

In Peters Wohnung wird der erstmal von Anne verarztet. Gianni ist über das, was er gesehen hat, immer noch recht geschockt und will nur noch nach Hause. Zur Polizei mag er nicht gehen, schließlich habe er ja nichts gesehen außer der Axt. Anne schlägt Peter vor, er solle zurück nach New York gehen und bietet sich an, bei Peter zu übernachten, was uns als der Beginn einer Liebesromanze dargestellt wird.

Als nächstes werden wir Zeuge eines weiteren Flashbacks des Mörders. Wieder ist die unbekannte Frau mit den roten Pumps zu sehen, wieder aus der Sicht des Mörders. Auf einer Party spaziert die Unbekannte gerade mit einem anderen Mann herum. Dieser geht kurz mal weg, was der Mörder ausnutzt, um die Unbekannte per point-of-view mit einem Messer zu töten.

Am nächsten Tag hat Peter eine Besprechung in Bullmers Büro. Er setzt ihn über seine Pläne in Kenntnis, Rom zu verlassen. Bullmer ist darüber nicht gerade erfreut, schließlich schließe er gerade ein Geschäft ab. Wenn Peter wenigstens noch bis Freitag bleiben könne. Peter protestiert, er riskiere sein Leben für kein Geschäft der Welt, was Bullmer auch einsehen muß. Er könne Peter aber eine Suite in einem Hotel außerhalb Roms anmieten, bis das Geschäft über die Bühne sei. Dann wisse niemand, wo er ist, schließlich ginge es hier um eine Million Dollar. Peter bleibt unverbindlich und verspricht, Bullmer am nachmittag deswegen nochmal anzurufen. Nachdem Peter gegangen ist, öffnet Bullmer eine versteckte Tür zu einem Nebenraum seines Büros und heraus kommt – Jane. Es wird sofort klar: die beiden haben wohl seit längerem ein Verhältnis. Jane stört das auch ein bisschen, aber Bullmer beruhigt sie: Peter könne von den beiden gar nichts wissen. Man verabredet sich zum Mittagessen und Jane zieht ab.

Peter hat derweil einen Termin im Berti’schen Haus. Capitano Germani hat in hingebeten, um Peter etwas zu zeigen: Dossiers von Berti, in denen Peters Lebenslauf recht detailliert erfasst wurde. Offensichtlich war Berti ein Stalker.
Bild
Der Kommissar klärt Peter auf.

Die beiden unterhalten sich noch etwas über den Fall (der Capitano vermutet, es handle sich um den gleichen Killer und fragt Peter, ob der schon einen Brief erhalten habe, was dieser verneint). Peter glaubt, irgendwas übersehen zu haben und erinnert Germani an einen berühmten Ausspruch Sherlock Holmes’, der im „Hund von Baskerville“ gesagt hatte: „Wenn man alle Möglichkeiten eliminiert hat, muß das was übrigbleibt, und sei es auch noch so unwahrscheinlich, die Wahrheit sein.“ Darüber rätseln die beiden noch etwas herum und auch der Capitano rät Peter nun, Rom zu verlassen.

Zwischenzeitlich bekommt Jane in ihrem Appartement Post: es ist ein Päckchen mit ein paar roten Pumps. Natürlich glaubt sie, diese stammen von Bullmer und zieht sie freudig zum bevorstehenden Rendezvous mit ihm an.

Bullmer ist derweil schon am vereinbarten Treffpunkt angekommen und wartet auf Jane. In einer langen Einstellung sehen wir ihn in der Sonne sitzen und die Szenerie der Piazza beobachten.

Bild
Bullmer geniesst das bunte Treiben.

Jane verspätet sich anscheinend. Dennoch sieht er plötzlich ein bekanntes Gesicht auf sich zukommen und steht mit leicht verunsichertem Gesichtsausdruck auf. Als nächstes wird ihm auch schon ein Messer in den Bauch gerammt. Bullmer bricht zusammen; es bildet sich schnell eine Traube Menschen um ihn. Schließlich sehen wir auch Janes rote Pumps hinzustaken, die aber, gleich nachdem sie erkannt hat was hier los ist, umdreht und wieder verschwindet.

Peter macht sich zwischenzeitlich reisefertig; er will Rom nun endgültig doch verlassen. Er verabschiedet sich von Gianni und fährt mit Anne zum Flughafen. Sie sieht Peters Maschine noch beim Abheben zu.
Derweil, es ist abend geworden, fährt Gianni nochmal zu Bertis Haus. Er weiß, er muß sich an irgendwas erinnern. Er parkt vor dem Anwesen und klettert wieder über die Mauer. Kaum ist er drinnen, sehen wir eine schwarzbehandschuhte Hand, die den Zündschlüssel seines Wagens abzieht (geschieht dir recht, du Depp. Man läßt seinen Schlüssel niemals stecken!). Gianni fällt derweil etwas ein.
Bild
Der Moment der Erkennntis: Gianni hat einen Einfall.

Berti war es, der sagte, er habe alle umgebracht. Aber wenn er der Mörder war, wer hat dann ihn umgebracht? Als Gianni so vor sich hinrätselt, beginnt es zu regnen und er beschliesst, zu seinem Wagen zurückzugehen. Als er losfahren will, bemerkt er das Fehlen des Schlüssels und sucht ihn. Doch plötzlich legt sich eine Schlinge um seinen Hals und er wird von hinten erdrosselt. Der Mörder geht in Bertis Garten und holt sich eine Axt, offenbar ist er für heute noch nicht fertig.

Anne packt derweil ihre Sachen in Peters Wohnung zusammen, als das Telefon läutet. Es ist Jane, die eigentlich Peter sprechen will. Der ist aber nicht mehr in Italien, wie Anne anmerkt. Jane sagt, sie habe etwas Schreckliches. Es wäre so, als seien zwei Menschen in ihr. Anne fragt Jane nach deren Aufenthaltsort und verspricht, gleich vorbeizukommen.
Auf dem Kommissariat erhält Germani einen Anruf und verspricht ebenfalls, gleich zu kommen; der „Mahniack“ (so seine Aussprache]) hat wieder gemordet. Derweil verhört Altieri die Putzfrau von Bullmer, die ihr etwas Interessantes über ihn und seine Verhältnisse zu erzählen hat.

Jane sitzt unterdessen in ihrem Appartement und wartet, mit einer Pistole in der Hand, auf Anne, die wir autofahrenderweise unterwegs sehen. Es wird uns nicht ganz klar, was Jane mit der Knarre vorhat. Will sie sich vor jemandem schützen oder führt ihre Schizophrenie zu einem Mordplan an Anne? Auf jeden Fall kommt sie nicht mehr dazu: der Killer ist schon da und schlägt ihr mit der Axt erstmal den Arm samt Waffe ab, bevor er sie endgültig blutig niedermetzelt.

Bild
Das hätte Hermann Nitsch auch nicht besser hinbekommen.

Nun bekommen wir endlich das Gesicht des Killers zu sehen, der mit leicht irrem Ausdruck in den Augen sein „Werk“ betrachtet. Ein Geräusch an der Tür läßt in aufmerksam werden: irgendjemand kommt herein, der Statur nach eine Frau. Mehr blindlings als gezielt schlägt der Killer erneut mit der Axt zu und streckt die Frau nieder. Plötzlich kommen ihm Zweifel: hat er eine Unschuldige erwischt? Er kniet neben der Toten nieder und ruft den Namen der Unschuldigen, aber als er die Frau herumdreht stellt sich heraus: es ist Altieri. Aber auch deren Tod hat er offenbar nicht geplant, denn ziemlich verzweifelt über seine Taten verkriecht er sich in eine Ecke und uns wird bewusst: der Mensch hat eindeutig eine psychotische Störung.
Mit einem Rumms fliegt die Tür auf und Germani steht mit gezogener Waffe im Anschlag im Raum. Sofort überblickt er das Blutbad und die Situation und ist ziemlich wütend über den Tod seiner Kollegin. Auch Anne kommt herein; sie hatte den Capitano über Janes Anruf informiert und ist mit ihm hergekommen, hatte sie doch Jane aufgrund ihrer seltsamen Worte in Verdacht. Germani kann sich nur mühsam beherrschen, den Killer nicht einfach über den Haufen zu schießen und befiehlt ihm aufzustehen, er sei verhaftet. Der Killer kommt dem auch nach, hat aber keine Lust, sich festnehmen zu lassen (offenbar hat jetzt wieder der dunkle Teil seiner Persönlichkeit die Oberhand übernommen; der weinerliche Jammerlappen von eben ist wie weggeblasen). Mit einer schnellen Bewegung schneidet er sich mit einem Rasiermesser selbst die Kehle auf. Germani kann das nicht verhindern und nur noch zusehen, wie der Mörder tot zusammenbricht.
Zusammen mit Anne geht er zum Streifenwagen zurück, um Verstärkung zu holen. Im Auto erzählt er ihr noch, was Interpol über den Killer herausgefunden hat: er wurde in seiner Jugend wohl desöfteren gehänselt und zurückgewiesen. Eines Tages wurde ein Mädchen in seiner Umgebung getötet. Er gehörte zwar zu den engeren Verdächtigen, jedoch konnte ihm die Tat nie nachgewiesen werden. Germani will nochmal ins Haus zurück und bittet Anne, im Auto zu warten.
Als er das Appartement wieder betritt, bleibt er zunächst wie vom Donner gerührt stehen: der Killer ist verschwunden! Er bückt sich und sieht sich das Rasiermesser genauer an; es ist ein Trickmesser mit einer stumpfen Klinge, das auf Knopfdruck Blut aus der Klinge verspritzt. Germani ist verwundert und sauer zugleich und als er wieder hochkommt sehen wir den Killer bereits hinter ihm stehen. Germani will zurück zum Auto um eine Suchaktion anzuleiern, doch er kommt nicht weit: der Killer schlägt ihm die Axt in den Rücken.
Beim Umfallen reisst er eine moderne Metallskulptur mit sich, die sich in der Tür verkeilt. Anne ist derweil durch das Gepolter im Haus aufmerksam geworden und beschliesst, nachzusehen. Sie kommt aber nicht sofort in die Wohnung, die Tür klemmt. Der Killer hat sich derweil wieder mit der Axt bewaffnet und wartet auf sein vermeintlich nächstes Opfer. Endlich gelingt es Anne, die Tür aufzustoßen: die sie verkeilende Skulptur löst sich mit einem Ruck, die Tür fliegt auf und dabei löst sich gleichzeitig ein spitzes Metallteil von der Skulptur ab. Es fliegt quer durch den Raum und erwischt, Spitze voran, den Killer und spießt diesen an der Wand auf.
Bild
Vergesst Jamie Lee Curtis – Daria Nicolodi ist die wahre Scream-Queen!

Während der Killer röchelnd stirbt wird Anne gewahr, daß sie eben den Killer gekillt hat und ob dieser Erkenntnis freakt sie völlig aus – und kreischt bis zum Abspann.
Ende.


Nach den eher mystischen und ins Horrorgenre driftenden Mütter-Filmen kehrte Argento 1982 wieder zu seinen Wurzeln zurück – dem Giallo. Natürlich waren die Fans zunächst einmal darüber recht enttäuscht, hatten sie doch eher den Abschluß der Mütter-Trilogie erhofft (daß sie darauf noch 26 weitere Jahre würden warten müssen, konnte zum damaligen Zeitpunkt ohnehin noch niemand ahnen). Dennoch war es Argento ein Bedürfnis, diesen Film zu machen, geisterte dieses Drehbuch doch schon länger in seinem Kopf herum. Inspiriert wurde er durch eine schräge Geschichte, die ihm selbst passierte.
1980, zwei Jahre zuvor, flog er in die USA um den MGM Studios eine Horrorgeschichte vorzustellen. Die Produktionsfirma brachte ihn in einem Luxushotel in LA unter. Eines Tages erhielt er dort einen Anruf von jemandem, der sich mit ihm über „Suspiria“ unterhielt und Argento hatte mit dem Fan ein harmloses, nettes Gespräch. Am nächsten Tag rief der Fremde aber wieder an und bat um ein Treffen. Er sagte, „Suspiria“ hätte ihn, gleich einem Stromstoß, beeindruckt und wollte von Dario wissen, ob er während des Drehs dasselbe empfunden hätte. Nun wurde Argento schon etwas vorsichtiger, aber der Fremde rief ihn nun jeden Tag an, fünfzehn Tage lang, und erzählte ihm immer schrecklichere Dinge. Beim letzten Anruf drohte er Argento gar, ihn umzubringen. Offenbar hatte es Dario mit einem Irren zu tun und er ging zusammen mit seinem Vater zur Polizei. Diese analysierte die Anrufe und teilte ihm auf typisch amerikanische Art mit, das Ganze sei bloß ein dummer Scherz. Schließlich rief der Fremde nochmals an, sagte, er wisse, daß Argento von der Polizei bewacht würde und schwörte, er würde die Haut des Filmemachers bekommen. Passiert ist Argento damals glücklicherweise nichts, aber diese Erfahrung mit einem psychotischen Irren wurde dann zur Basis seines nächsten Drehbuchs.

Oberflächlich betrachtet mag dieses Erlebnis fast als Paradebeispiel für die Moral heuchelnden Zensoren klingen, die daran den Nachahmereffekt dieser „bösen Filme“ für sich bestätigt sehen. Nun ist es ja so, daß sich gerade die deutschen Zensoren grundsätzlich schwer mit Argento tun, es fehlt ihnen wohl an intellektueller Größe, um sich mit seinen Filmen genauer auseinanderzusetzen. Selbst die internationale Filmdatenbank erwähnt, daß „Tenebre“ in Deutschland seit den 80er Jahren beschlagnahmt ist (und nach Auskunft der FSK wohl auch niemals ungeschnitten freigegeben werden wird; was für eine Arroganz liegt erst in diesen Worten!) und die explizite Erwähnung dieses Umstandes ist doch sehr ungewöhnlich. Meiner Ansicht nach bedauerlich, gibt es dieses Land im Kunst-Kontext doch der internationalen Lächerlichkeit preis und führt jedermann deutlich vor Augen, was für geistige Flachpfeifen sich aus dem Volk der ehemaligen Dichter und Denker herausentwickelt haben. Bei Darios Geschichte mit dem wahnsinnigen Fan wird nämlich grundsätzlich gern übergangen, daß dieser schon vorher verrückt war, „Suspiria“ war nur ein Auslöser, der den Wahnsinn zum Vorschein brachte. Diese Geschichte erzählt uns auch „Tenebre“: der Wahnsinn des Killers ist bereits latent vorhanden, das Buch nur ein Auslöser, gleichsam einer willkommenen Ausrede. So müssen wir uns also die Frage stellen: wohin führt uns die Verbannung dieser „bösen Filme“? In eine bessere, gewaltfreie Gesellschaft? Mitnichten! Das ist schlicht zu kurz und nicht zu Ende gedacht. Jedwede Form psychologischer Störung hat ihre Ursachen, diese aber in Filmen, Spielen oder Büchern zu suchen ist nur eine Entschuldigung der eigenen Faulheit und Inkompetenz. Filme mögen in manchen Fällen ein Auslöser sein, die Ursache sind sie niemals! Und, das wollen wir auch nicht vergessen, Filme sind immer gesellschaftlicher Spiegel der Zeit. Wenn also in einem bestimmten Zeitrahmen viele Horror-, Terror-, Folter- oder generell „Hack&Schlitz“-Filme erscheinen, was sagt uns das über die zu diesen Zeiten vorherrschenden gesellschaftlichen Stimmungen und Strömungen? Eine viel wichtigere Diskussionsgrundlage, wie ich meine.

„Tenebre“ ist Latein und bedeutet übersetzt „Finsternis“, eine Anspielung auf die dunkle Seite in den menschlichen Wesen. Der finstere Ort, den wir alle mit uns herumtragen und an dem unsere schrecklichsten Geheimnisse und Erinnerungen liegen. Im Gegensatz zum Titel ist der Film geradezu absurd hell; weiß ist die alles bestimmende, ja fast alles überstrahlende Farbe. Auch hier wieder die Metapher auf uns selbst, geben wir uns doch größte Mühe, unsere finsteren Abgründe mit hellem Sonnenschein zu übertünchen. Argento selbst erklärte diese andere, von ihm ungewohnte, Ästhetik nebst dem modernen Stil in einem Interview wie folgt: „Für Tenebre erträumte ich mir eine imaginäre Stadt, in der die erstaunlichsten Dinge geschehen. Ich vermied alles Alte; mein Dekor ist ultramodern. Der Film spielt in der Zukunft, ca. vier bis fünf Jahre voraus; es ist ein Schritt in die Welt von morgen. Wenn man den Film unter dieser Voraussetzung betrachtet, wird alles sehr offensichtlich. Er spielt in einer Welt, die von weniger Menschen als die heutige bewohnt wird, was zur Folge hat, daß die Übriggebliebenen wohlhabender sind und vereinzelter leben. Irgendetwas ist geschehen, was dazu geführt hat; aber niemand will oder kann sich noch daran erinnern, was es gewesen ist.“

Natürlich ist Tenebre kein Science-Fiction Film, wie man nach dieser Erklärung auf den ersten Blick vielleicht vermuten könnte. Auch nicht, wie oft fälschlicherweise behauptet, ein Horrorfilm. Es ist und bleibt ein Krimi, ein Giallo. Allerdings einer, der in einer unterkühlt wirkenden Welt spielt, in der sich Form der Funktion unterwirft und selbst die Architektur kühl und zweckgebunden erscheint. Argentos gesellschaftliche Fiktion der kommenden Jahre griff zwar völlig daneben, aber mit Farbe und Form hat er die 80er Jahre an deren Anfang sehr gut vorausgesehen: „Das heute dominierende Licht ist Neonlicht, Scheinwerferlicht, Straßenlampen und ein allgegenwärtiges Blitzlicht, zu Hause und auf der Straße. Auf Schatten zu achten erschien mir plötzlich lächerlich und, mehr noch als das, zu sicher. In der Dunkelheit kann man etwas verbergen, das man im Grunde ablehnt und daher nicht zu zeigen wagt. Im grellen Licht aber fühlen wir uns unbehaglich, sind verstört.“ Und genau davon, von dieser Verstörtheit des Hellen, lebt ein großer Teil des Streifens. Bezeichnend dazu die Szene, in der Bullmer auf Jane wartet. Er sitzt mitten auf einer sonnendurchfluteten Piazza, eigentlich eine angenehme Szenerie. Dennoch: Eltern schimpfen mit ihren Kindern, ein Mann macht gerade mit seiner Freundin Schluß, zwei Restaurantgäste streiten sich und gehen fast aufeinander los. Eingerahmt wird die Piazza von funktionalen, steril wirkenden Zweckbauten. All das im strahlenden Sonnenschein; ebenso wie der anschließende Mord an Bullmer. Es braucht gar keine Dunkelheit, vor der wir uns fürchten müßten; Tragödien, große und kleine, passieren am Tag, in der Sonne, im Hellen. Und durch die Helligkeit werden all diese Szenen gnadenlos ausgeleuchtet, keine Dunkelheit, die sich darüber senkt und all diese Tragödien gnädig vor unseren Blicken verbirgt.

Um diese Helligkeit angemessen in Szene zu setzen, verwendete Kameramann Tovoli spezielles lichtempfindliches Material (einen Kodak-Film mit 300 ASA). Damit wurde die dann auftretende, kristallklare Optik erreicht die darin gipfelt, daß in manchen Einstellungen die Bildkonturen in grellen Überbelichtungen versinken. Natürlich war mit Argentos Experimentierfreudigkeit bei der Filmmaterialauswahl noch lange nicht Schluß. Legendär geworden, weil zur damaligen Zeit einmalig, ist die schnittlose, fast zweieinhalb Minuten dauernde Kamerafahrt, die um und über das Haus von Tilde und Marion führt. Argento ließ die Kamera auf einen Kranarm montieren und fernsteuern; heutzutage keine große Sache aber damals in ihrer Wirkung phänomenal. Der amerikanische Verleiher wollte die Szene später herauskürzen, weil sie ihm zu lang erschien. Argento verweigerte sich aber erfolgreich dieser Forderung, schließlich diene sie auch zum Spannungsaufbau.

Auf einige Stilmittel konnte und wollte Argento aber nicht verzichten. Sein Faible für Architektur kommt auch in „Tenebre“ wieder zum Tragen, diesmal ist es halt moderne Architektur, ebenso wie Innenarchitektur. Bertis Haus zum Beispiel, das in Wirklichkeit das Haus von Stararchitekt Sandro Petti ist, darf zweifellos als innenarchitektonisches Glanzlicht seiner Zeit gesehen werden, dessen Wirkung bis heute anhält. Funktional und dennoch einfach schön. Auch der Bezug zur Kunst ist wieder gegeben, wenngleich diesmal etwas subtiler und ungleich blutiger. Janes Tod ist ein deutlicher Verweis auf das „Orgien Mysterien Theater“ des österreichischen Aktionskünstlers Hermann Nitsch, der mit seinen Blutschütt-Bildern berühmt-berüchtigt wurde und der seine Ende der 70er Jahre in Prinzendorf stattfindenden Happenings als „lebensbejahende Versinnlichung unserer psychophysischen Existenz gegen die Körperfeindlichkeit der christlichen Tradition“ verstanden wissen wollte.

Ebenfalls baute Argento hier unterschwellig erotische Motive ein und spielt dabei mit den Erwartungen der Zuschauer. Die Rolle der Frau in den Alpträumen des Killers basiert im Übrigen auf einer realen Person aus Darios Jugend, von der er sagt: „Da war so ein süßes Mädchen und sie machte mich vor all meinen Freunden lächerlich. Sie machte, daß ich wie ein Stück Scheiße aussah.“
Bemerkenswert hierbei ist, daß diese Traum-Eva nicht von einer Frau gespielt wurde, sondern die Rolle mit einem Transsexuellen besetzt worden ist. Argento sagt hierzu: „Dies diente der Idee, den Zuschauer in die Falle seiner Begierden tappen zu lassen. Sobald du ihre Anziehungskraft auf dich überprüfst, bist du schon im Netz gefangen. Sie ist nur ein Traum, eine Illusion. Sie ist ein seltsames Mädchen mit einem strengen Lächeln, die sehr gut in die träumerische mise-en-scene paßt. Immer wieder nur der schöne Schein. Das Leben ist eine Illusion, eine Falle, und das Kino muß die Verbildlichung dessen sein.“.

Das Element der Unberechenbarkeit wird, wie schon in „Suspiria“, wieder durch einen Hund verkörpert. Wieder ist es das Tier (in uns?), welches direkt und indirekt für den Tod verantwortlich ist; die Bestie läßt nicht ab, bis das Opfer zur Strecke gebracht ist. Argento selbst sieht das anders. Für ihn sind die Tiere in beiden Fällen Opfer der Umstände, werden gereizt und schlagen erst dann zurück. Bei „Suspiria“ bin ich geneigt, ihm zuzustimmen. Schließlich wird der Schäferhund erst durch Albert gereizt und gerät später unter den Einfluß der Hexen. Der Dobermann in „Tenebre“ wird zwar auch durch Marias Stock-gegen-den-Zaun-schlagen gereizt, allerdings hat er in diesem Fall den ersten Schritt getan, da er sie unvermittelt wütend und sehr aggressiv angekläfft hat. Marias späterer Stockeinsatz diente lediglich der Verteidigung, doch der Dobermann wollte nicht aufgeben. Ein völlig untypisches Verhalten für so einen Hund, wie mir der Besitzer eines Dobermanns glaubhaft versicherte.

Musikalisch untermalt wird der Film wieder von Simonetti und seinen Mannen von Goblin. Das Titelstück paßt ins Konzept der modernen Ästhetik, ein (zumindest damals) recht fortschrittliches Discostück mit flotten Rhythmen, dem der Synthesizer-Einsatz deutlich anzuhören ist. Recht witzig noch die Anekdote über das Musikstück, welches in dem Kaufhaus, in dem Elsa klaut, im Hintergrund zu hören ist. Dieses ist nämlich dem Soundtrack von „Dawn of the Dead“ entnommen, genauer gesagt dem sog. „Argento Cut“.

Was die Akteure vor der Kamera angeht, griff Dario auf eine Mischung aus Bewährtem und Neuem zurück. Die Rolle des Peter wurde von Anthony Franciosa gespielt, laut Argento der „schwierigste Schauspieler, mit dem ich je zu tun hatte“. Ursprünglich war Christopher Walken für die Rolle vorgesehen, doch der hatte zu dieser Zeit andere Verpflichtungen. Peters Sekretärin Anne wird von Daria Nicolodi verkörpert, die sich von Film zu Film in ihrer Schauspielerei steigerte (meine Meinung). Als Peters Manager Bullmer tritt John Saxon auf. Der vielbeschäftigte Schauspieler (190 Filme bis dato) ist wohl ein Naturtalent (oder hat selbst einen sehr guten Manager). In seiner Vita finden sich alle Genres und alle Produktionsgrößen und –arten. Irgendwie scheint sein Gesicht immer mal wieder aufzutauchen, womit er mich fast an Ernest Borgnine erinnert; nicht von Art oder Gesicht, sondern einfach durch die Tatsache bedingt, ihn recht häufig zu sehen.
Guiliano Gemma, der den Capitan Germani spielt, war in Italien bereits damals ein Star und sorgte für reichlich Zulauf in den italienischen Kinos. Bei uns noch am ehesten aus „Auch die Engel essen Bohnen“ und Komödien bekannt, finden sich unter Gemmas Arbeiten auch Western, Historien und Krimis.
Bei den weiblichen Rollen fällt zuerst die grünäugige Schönheit Ania Pieroni in der Rolle von Elsa ins Auge, die vor allen den männlichen Argento-Fans noch als geheimnisvolle Mater Lacrimarum aus „Inferno“ in Erinnerung ist. Auch Carola Stagnaro, die als Inspektor Altieri auftritt, kommt einem irgendwie bekannt vor. Nach einiger Überlegung fiel mir schließlich die verblüffende Ähnlichkeit mit Agent Scully aus den „X-Files“ auf. Kann aber auch nur am Rock liegen….
Mirella D’Angelo, hier als Tilde zu sehen, hatte ihren bekanntesten Auftritt als Livia in Tinto Brass’ „Caligula“. Jane wird dargestellt von Veronica Lario, die insgesamt nur in vier Filmen mitspielte und dann Ehefrau von Silvio Berlusconi wurde, mit dem sie drei Kinder hat. Maria schließlich wird dargestellt von der deutschen Lara Wendel, die bereits als siebenjährige neben Mario Adorf und Henry Silva in „Der Tod des Paten“ auftrat. Später wirkte sie als Laura in Guiseppe Murgias umstrittenen Film „Maladolascenza“ mit und hatte nach „Tenebre“ noch Auftritte in „Allein gegen die Mafia“ sowie in den italienischen Horrorfilmen „Killing Birds“ und „Ghosthouse 3“.
Erwähnenswert scheinen mir noch zwei nicht im Abspann genannte Herren. Zum einen Lamberto Bava (der spätere „Demoni“-Regisseur und Sohn von Mario Bava), der hier einen Aufzugsmonteur spielt sowie Michele Soavi, hier als Freund von Maria zu sehen, der den Fans weniger als Darsteller (u.a. in „Paura“, „Rosso sangue“, „Caligula 2“, „Der New York Ripper“ oder „The Church“) bekannt ist, sondern vielmehr als Regisseur des Ausnahme-Zombie Streifens „Dellamorte Dellamore“, der bis heute Kultstatus ob seiner Poesie genießt.


Schlußbemerkung. Die Rückkehr zu alten Pfaden, verbunden mit einem modernen Inszenierungsstil, ist Argento mit „Tenebre“ sicherlich gelungen. Die Geschichte ist, trotz ihrer immanenten Wendungen, gradlinig erzählt und kommt nicht mehr in der manchmal etwas schwer verständlichen Bildersprache der direkten Vorgänger daher. Obwohl auch hier wieder einiges an Metaphorik eingebaut ist, was es zu entdecken gilt, kann der Rezipient dem Geschehen wesentlich leichter folgen, was aber keinesfalls als künstlerischer Qualitätsverlust gesehen werden darf. Im Gegenteil: Argento bleibt sich seiner Linie des experimentellen Stils treu und verblüfft mit kühler, heller Optik die dennoch auf der Reise in die Finsternis der Seele nicht vordergründig auftritt, sondern den ästhetischen Anspruch unterstreicht.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Beitrag von Shadow »

Phenomena
Alternativ: Creepers
Italien, 1985
Dacfilm., Rom

Filmlaufzeit: ca. 110 Minuten
Bild

Nach dem Mord an einer dänischen Touristin hat die Polizei nur ein Beweisstück: den abgetrennten, halb verwesten Schädel des Opfers. Sie schaltet Professor McGregor ein, dessen Assistentin Rita ebenfalls ein Opfer des Killers wurde. Als Spezialist für Insektenkunde kann er aufgrund der an den Leichenteilen befindlichen Fliegen und Maden den genauen Todeszeitpunkt feststellen.
Zur selben Zeit kommt Jennifer Corvino in Zürich an, um dort das Internat zu besuchen. Sie hat die außergewöhnliche Begabung, Insekten rufen und auch kontrollieren zu können. Als der Killer erneut zuschlägt, sind die Opfer Schülerinnen aus dem Internat. Durch den Fund eines Handschuhs, der mit Larven einer Fliegenart bedeckt ist, die sich nur von Leichen ernährt, kommt der Professor auf die Idee, daß Jennifer sich mit Hilfe einer dieser Fliegen zum Aufbewahrungsort der Leichen führen lassen kann. Und tatsächlich wird Jennifer zu einem alten Haus geführt, wo sie mit Erschrecken feststellen muß, daß die Morde der letzten Zeit bei weitem nicht die einzigen waren.


Wir beginnen mit einem Blick auf eine Bushaltestelle an einer einsamen Bergstraße irgendwo in den Schweizer Alpen. Eine Schulklasse steigt gerade ein, offenbar zurück von einem Wanderausflug. Die Türen schließen sich und der Bus fährt ab – als plötzlich Vera, einer der Schülerinnen, aus dem Wald hervorstürmt. Man hat sie wohl vergessen (die Lehrkräfte haben allem Anschein nach noch nie was von durchzählen gehört) und ihre Rufe verhallen ungehört (obwohl sie der Busfahrer, offensichtlich ein ausgemachter Blindfisch, nach einer Spitzkehre eigentlich hätte sehen müssen!). Vera bleibt alleine in der zunehmenden Kälte zurück. Auf der Suche nach Hilfe stößt sie bald darauf auf ein einsames Häuschen mitten im Nirgendwo. Sie betritt das Haus, nicht wissend, daß sie vom Inneren bereits beobachtet wird. Wir als Zuschauer wissen per point-of-view Kamera allerdings Bescheid und wir sehen auch Ketten an denen irgendwer oder irgendwas wie irre zerrt. Unsere Schlußfolgerung: da ist was Böses im Haus und offensichtlich ganz gierig auf Vera.
Die sucht unterdessen im Haus noch immer nach Hilfe oder wenigstens einem Telefon, um sich abholen zu lassen.

Bild
Vera – allein zu Haus?

Zwischenzeitlich hat das angekettete Etwas die Verankerungen aus den Mauern gerissen und ist frei. Dies bekommt auch bald Vera zu spüren, denn der Unbekannte geht prompt mit einer Schere auf sie los. Vera flieht kreischend aus der Hintertür, der Mörder hinter ihr her. Auf der Aussichtsplattform eines nicht weit hinter dem Haus liegenden Wasserfalls kann er sie stellen. Er sticht mehrmals auf sie ein und trennt ihr schlussendlich den Kopf ab, den er in den Wasserfall wirft.

Etwa acht Monate später sind wir zu Gast bei Professor McGregor. Der Insektenforscher hat gerade Besuch von Inspektor Geiger und seinem Assi Kurt. Die beiden sind wegen der Mordserie an jungen Mädchen hier, die seit einiger Zeit die Polizei beschäftigt. Der Prof gibt ihnen Auskunft über die „Acht Schwadronen des Todes“, Insektengruppen also, die nacheinander einen toten Körper heimsuchen um dort ihre Larven abzulegen, welche sich wiederum von der Leiche ernähren.

Einschub: so ekelhaft das Ganze ist, so wahr ist es allerdings auch. Mitte der 80er war dieser Zweig der forensischen Wissenschaft noch relativ neu und unbekannt, heutzutage ist es ein anerkanntes Mittel zur Unterstützung bei der Suche nach dem Todeszeitpunkt von Leichen.

Die Polizisten haben Veras Kopf dabei und der Prof schätzt den Todeszeitpunkt etwa achteinhalb Monate in der Vergangenheit. Er kann sich sogar noch an das Wetter damals erinnern, es herrschte Fön, was einige Faktoren beeinflussen könnte.
Bild
Gleich wird der Prof etwas Bedeutendes, Unheilvolles sagen. Man sieht’s im richtig an…
Assistent Kurt, hier links im Bild, wird übrigens dargestellt von Michele Soavi

McGregor hat allen Grund, die Polizei zu unterstützen. Seine ehemalige Assistentin Rita fiel dem Mädchenmörder auch zum Opfer und seitdem ist er allein mit seinem Affen. Ach ja, der Affe. Da der Professor seit einem Unfall an den Rollstuhl gefesselt ist, hat er sich eine dressierte Schimpansin namens Inga ins Haus geholt, die ihm Handreichungen macht und ihn auch sonst im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt. So hat er ihr z.B. beigebracht ihm alles zu bringen, worauf er mit einem Laserpointer zeigt. Auch sonst scheint Inga nicht gerade dumm zu sein, obwohl sie anscheinend gern mit scharfen Skalpellen spielt, was ihr der Prof aber sorgenvoll verbietet, sie könne sich damit verletzen.

In der Zwischenzeit sehen wir Jennifer Corvino, grad aus Übersee angekommen, zusammen mit der Lehrerin Frau Brückner zum Richard-Wagner-Internat fahren, welches sie besuchen soll. Ihr Vater, ein berühmter Schauspieler, ist für ein paar Monate auf den Philippinen und der Familienanwalt Schapiro hat sie, zwecks der berühmten guten Schulen, in einem Schweizer Internat untergebracht. Auf der Fahrt zur Schule kommt es zu einem kleinen Zwischenfall. Eine Biene hat sich ins Auto verirrt und umsummt Jennifer, die sich daran aber nicht im Mindesten stört. Lehrerin Brückner reagiert wesentlich hysterischer und auch der Fahrer schlägt wild um sich, bringt fast den Wagen aus der Spur. Aber die Biene macht es sich letztlich bei Jennifer bequem und diese erklärt der Brückner zu deren großer Verwunderung, sie liebe alle Insekten und die hätten ihr noch nie etwas getan.
An der Schule angekommen erzählt die Brückner kurz etwas zur Geschichte des Hauses und schärft Jennifer ein, auf keinen Fall und unter keinen Umständen einen anderen Gebäudetrakt als das Haupthaus zu betreten. Die anderen Trakte seien baufällig und daher recht gefährlich.

Jennifer wird Sophie als Zimmergenossin zugeteilt. Als sie dort abends ein Poster von einem Film ihres Vaters aufhängen will, kommt die strenge Direktorin herein und nimmt ihr das Poster ab. In ihrem Internat herrsche Disziplin und Ordnung, salbadert sie, und so ein Zeugs komme nicht an die Wand. Nachdem die Furie wieder abgerauscht ist, unterhalten sich die Mädchen noch ein bisschen. Jennifer hat Hunger und da kommt ihr etwas vegetarische Babynahrung, die eigentlich dem kleinen Bruder von Sophie gehört, ganz gelegen. Beim anschließenden Smalltalk, bei dem Sophie auch die unheimliche Geschichte des Mädchenmörders zum Besten gibt, stellt sich heraus, daß Sophie ein Riesenfan des Schauspielers Corvino ist und sie ist nicht schlecht erstaunt, daß Jennifer dessen Tochter ist.

Bild
Ganz schön geräumig, so ein Internatszimmer

Jennifer erzählt von dem Weihnachtsabend, als ihre Mutter die Familie verließ und mit ihrem Liebhaber durchbrannte, eine Geschichte, die Sophie nicht in der Fachzeitschrift „Cinema“ gelesen hat. Danach ist sie ob der Reise recht müde und will schlafen. Es stört sie nicht, daß Sophie noch fernsieht, zumal diese einen Kopfhörer angeschlossen hat.

Später in der Nacht hat Jennifer Alpträume. Wir sehen ein junges Mädchen, Gisela mit Namen, wie sie schreiend in ein Nebengebäude des Internats läuft. Sie ist wohl auf der Flucht vor dem Mädchenmörder und irgendwie träumt Jennifer von diesem etwas zurückliegenden Ereignis. Gisela ist derweil in einem verlassenen Raum gelandet und zündet eine Kerze an, die sie aber gleich wieder schreiend fallen läßt; der Mörder ist auch schon da und hetzt sie mit einer Art Lanze Richtung Fenster, wo er sie anschließend tötet.
Jennifer scheint sich unterdessen wieder beruhigt zu haben, aber eben nur scheinbar. Unvermittelt schlägt sie Augen auf und wir erkennen: sie ist Schlafwandlerin. Wir sehen durch ihre Augen, die die Umgebung wie einen überbelichteten Film wahrnehmen. Traum und Wirklichkeit scheinen sich zu vermischen.
Bild
Traumsequenz – oder die Türen zu den Kammern des Unterbewusstseins.

Jennifer steht auf und zieht sich einen Mantel über. Wie ferngesteuert verlässt sie das Zimmer und geht die Treppe zum Dach hinauf. Dort angekommen überquert sie ein schmales Holzbrett und gelangt so zum Obergeschoß des verschlossenen Nebengebäudes. Sie späht durch ein Fenster genau in das Zimmer, in dem der Mord an Gisela passierte. Plötzlich sieht sie Gisela wieder: blutüberströmt knallt ihr Kopf durch die Scheibe und wird anschließend mit der Messer-Lanze von hinten aufgespießt. Jennifer prallt erschrocken zurück und stürzt um ein Haar ab. Als sie wieder hinsieht, ist Giselas Erscheinung verschwunden und sie macht sich, immer noch schlafwandelnd, auf den Rückweg. Unmittelbar vor ihr bricht ein Teil der Balustrade ab doch Jennifer merkt nichts, geht einfach weiter und tappt direkt in das entstandene Loch hinein. Sie fällt – aber ihr Mantel bleibt an einem Vorsprung hängen. Leider reißt er dann aber doch und sie stürzt in die Hecken, wacht davon aber immer noch nicht auf. Sie wandelt weiter und landet auf der Hauptstraße im Dorf, wo sie von ein paar Jungs angefahren wird. Die Burschen wollen ihr helfen und tragen sie in ihr Auto, doch Jennifer wehrt sich verzweifelt. Sie ist immer noch wie in Trance und schätzt die Situation um sich herum völlig falsch ein. Die Jungs beginnen zu vermuten, daß sie wohl high ist. Während der Weiterfahrt strampelt Jennifer immer mehr um sich und tritt schließlich die Autotür auf. Sie fällt aus dem Wagen und rollt den Abhang in ein Waldstück hinein. Die Jungs sehen zwar noch nach, glauben aber, sie hätte das nicht überlebt und machen sich schnell aus dem Staub.

Doch Jennifer hat überlebt und ist durch den Sturz wieder zu sich gekommen. Orientierungslos herumsitzend gilt ihre Aufmerksamkeit zunächst zwei Käfern (wir erinnern uns: sie ist ausgesprochene Insektenfreundin) als plötzlich ein Schimpanse vor ihr steht. Es ist Inga, die wohl des nächtens öfter mal einen Streifzug durch die Umgebung macht. Sie nimmt Jennifer bei der Hand und bedeutet ihr, zu folgen.

Im Haus des Professors untersucht dieser Jennifer erstmal. Schlafwandeln kann gefährlich sein, mahnt er. Jennifer ist fasziniert von den vielen Insekten im Haus des Profs und läßt sich gleich eine kleine Unterrichtsstunde in Insektenkunde geben. Dabei stellt der Prof verblüfft fest, daß einer seiner Käfer wohl sexuell von Jennifer angezogen ist; er gibt außerhalb der Paarungszeit Lockpheromone ab. Jennifer nimmt das eher gelassen (sie liebt ja eh alle Insekten). Man hält noch etwas Smalltalk und der Prof ermuntert sie, ihn doch mal tagsüber zu besuchen, sofern es ihre Zeit zulässt.

Bild
Der Prof hat noch einen guten Tipp auf Lager.

Bevor sie geht, hat McGregor noch einen guten Rat für Jennifer: das nächste Mal, wenn sie schlafwandle, soll sie vor sich hinsagen „Ich schlafwandle und muß jetzt unbedingt aufwachen.“. Das helfe, so der Gelehrte; schließlich sei nachts herumzustreunen schon wegen des Mädchenmörders, dem seine ehemalige Assistentin zum Opfer fiel, recht gefährlich.

Am nächsten Tag hat Jennifer eine erzwungene Untersuchung vor sich. Die Direktorin besteht auf ein EEG, schließlich sei sie für Jennifer verantwortlich und es könne nicht sein, daß diese nachts herumlaufe. Jennifer erklärt, daß schlafwandeln nicht so schlimm sei und ihr letzter Anfall auch schon Jahre zurück läge. Trotzdem besteht die Direktorin auf einer Untersuchung; ihrer Meinung nach hat Jennifer eine psychische Störung. Aller Protest hilft nichts und das EEG wird angeworfen.
Bild
„Aber Herr Doktor, diese Dinger auf dem Kopf ruinieren doch meine ganze Frisur!“

Das Gerät zeigt einen unvermittelten Ausschlag und Jennifer hat eine Art kleinen epileptischen Anfall. „Was bedeutet das?“, begehrt die Direktorin zu wissen, aber der Herr Doktor kann sich das nicht erklären. Jennifer hat jetzt genug, sie reißt sich die Elektroden vom Kopf und stürmt mit der Bemerkung, sie sei nicht verrückt, aus dem Krankenzimmer.

Später an diesem Tag versucht sie Schapiro, den Familienanwalt zu erreichen. Dieser ist aber über die Feiertage nicht da, wie ihr seine Sekretärin telefonisch mitteilt. Jennifer hat Ostern ganz vergessen, kann aber wohl momentan nichts ändern. In der Schule beginnen die anderen Mädchen mittlerweile schon zu tuscheln. Sie habe gehört, die Corvino hätte nicht alle Tassen im Schrank, meint eine. Eine andere ist der Meinung, Jennifer wolle sich wegen ihres berühmten Vaters eh bloß wichtigmachen. Natürlich bekommt Jennifer die gegen sie wachsenden Ressentiments mit, sagt aber nichts dazu.
Später, im Unterricht, bittet sie Sophie in der kommenden Nacht auf sie aufzupassen, falls sie wieder schlafwandeln sollte. Sophie zögert, doch als ihr Jennifer zur Hilfe kommt, nachdem sie von der Lehrerin aufgerufen wird und wie üblich keine Ahnung hat, willigt sie schließlich ein.

Am Abend wieder das altbekannte Spiel: Jennifer schläft und Sophie sieht fern. Plötzlich wird ihre Aufmerksamkeit von einem Taschenlampensignal abgelenkt. Sie zieht sich schnell etwas an (darunter Jennifers Bluse) und schleicht nach draußen, um dort ihren Freund zu treffen. Jennifer hat derweil wieder einen beginnenden Alptraum. Sophie ist draußen inzwischen auf ihren Freund getroffen und die beiden knutschen etwas herum. Doch ihr Macker hat es eilig, er muß dringend wieder in die Kaserne zurück. Sophie will das so gar nicht einsehen, doch der pflichtbewusste Soldat geht trotzdem, was Sophie in der typisch weiblichen Teenager-Art mit einem herzlichen „Dann hau doch ab, du Penner!“ kommentiert. Frustriert bleibt sie zurück und raucht erst mal eine.

Bild
Jenny tappt wieder los.

Jennifer ist in der Zwischenzeit wieder schlafwandelnd Richtung Zimmertür unterwegs. Im letzten Moment scheint sich ihr Unterbewusstsein an die Worte des Profs zu erinnern, denn sie sagt das Sprüchlein auf und kommt langsam und etwas mühselig zu sich.
Sophie merkt inzwischen draußen, daß sie nicht alleine ist. Der Mörder ist mit seiner Messerlanze schon an sie herangerückt und Sophie versucht kreischend davonzulaufen.
Jennifer merkt inzwischen auch, daß ihre Zimmergenossin, die ja eigentlich auf sie aufpassen sollte, nicht anwesend ist. Sie zieht sich ein paar Klamotten über um Sophie zu suchen, als plötzlich von draußen ein markerschütternder Schrei gellt.
Jennifer läuft nach draußen, kann aber in der Dunkelheit nichts erkennen. Da kommt einer ihrer ganz speziellen Freunde an, ein Glühwürmchen. Dieses führt sie zu einem Gebüsch und nach einigem herumstochern zieht sie einen Handschuh daraus hervor. Sie schenkt dem Fund aber (noch nicht) allzu große Beachtung, da sie sich am Gebüsch gekratzt hat (scheint recht schmerzhaft zu sein). Zu allem Überfluss fängt es auch noch zu regnen an und Jennifer geht in das Internat zurück. Wir sehen das Gebäude von außen, hören einen Schrei und ein Licht nach dem anderen geht an….

Am nächsten Tag ist Jennifer mit der Zahnradbahn zum Professor gefahren. Sie erzählt ihm von Sophies Tod (die Polizei hat wohl die Leiche gefunden) und vom Verhör durch die Polizisten. Dabei erwähnt sie auch, daß die Direktorin gegenüber den Grünen erwähnt habe, Jennifer hätte einen leichten Dachschaden. Von dem Handschuh hat sie der Polizei allerdings nichts erzählt, da die Umstände des Fundes sich einfach auch zu verrückt anhören würden. Dem Prof vertraut sie allerdings die ganze Geschichte an und erzählt auch von dem Glühwürmchen, das sie zum Handschuh geführt habe. McGregor wirft das nicht gerade aus der Bahn, Telepathie sei unter Insekten durchaus üblich. Und bei ihrer speziellen Beziehung zu den Tieren sei es durchaus möglich, daß sie telepathisch mit ihnen irgendwie kommunizieren könne. Den Handschuh hat Jennifer auch mitgebracht und bei genauem Hinsehen stellt sich heraus, daß sich einige Maden in ihm ringeln. Der Prof will sich die Ekelviecher mal genauer zwecks Bestimmung der Spezies ansehen, vielleicht erhalte man so einen Hinweis auf den Träger des Handschuhs, der wahrscheinlich der Mörder ist.

Am anderen Tag ist man im Internat in heller Aufregung. Eine Gruppe Mädchen (die typischen Schleimer) steht um die Direktorin herum und man diskutiert den Fall Jennifer. Alle fühlen sich in der Nähe dieses Freaks nicht wohl und seitdem Sophie tot ist, haben einige sogar Angst vor ihr. Zum Beweis zeigt ein Mädchen der Direktorin einen Brief von ihr an ihren Vater. Die Direktorin liest darin (und schert sich Null um Privatsphäre und Briefgeheimnis) daß Jennifer ihrem Vater von der Vermutung des Profs schreibt und sie wahrscheinlich mit Insekten kommunizieren, ja diese sogar kontrollieren könne. Plötzlich stürmt Jennifer herein, entreisst der Direktorin den Brief mit den Worten, dessen Inhalt gehe sie überhaupt nichts an und läuft weinend wieder hinaus. Wir sehen schon: allmählich ist sie mit den Nerven runter.
Doch die Schülerinnen triezen sie weiter. Eine Gruppe umringt und umtanzt sie, verspottet sie dabei und setzt ihr mehr und mehr zu. Schließlich, in einer Halle, bleibt Jennifer stehen und es kommt plötzlich, scheinbar aus dem Nichts, ein Windhauch auf.
Bild
Jennifer setzt ihr Mojo ein.

Jennifer steht nur lächelnd da und sagt „Ich liebe euch alle“, was die Gören rundum und die hinzugekommenen Lehrer mit zunehmender Verwirrung aufnehmen. Plötzlich wird klar, daß Jennifer nicht die Menschen angesprochen hat: Milliarden von Fliegen umrunden in einer schwarzen Wolke das Gebäude und setzen sich zu Tausenden auf die Fensterscheiben. Den Schülerinnen wird’s nun richtig mulmig zumute – aber Jennifer wird überanstrengt ohnmächtig und die Fliegenwolke zieht wieder ab.

Tags darauf findet sie sich im Internatskrankenzimmer sediert wieder. Die Direktorin ist mittlerweile nicht nur davon überzeugt, daß Jennifer geisteskrank ist, sondern schlimmer, wahrscheinlich vom Teufel besessen. „Die Herrin der Fliegen“, meint sie, analog zu Beelzebub, was bekanntermaßen „Herr der Fliegen“ übersetzt bedeute. Die gefährliche Irre sei nun auf jeden Fall reif für die geschlossene Anstalt, die anderen müssen vor ihr geschützt werden. So schnell wie möglich soll ein Krankenwagen kommen und sie abholen, dann haben andere das Problem am Hals, sagt sie zu Frau Brückner und schärft der anwesenden Krankenschwester noch ein, Jennifer nicht eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
Jennifer hat alles mit angehört und stellt sich weiter schlafend. Auch die Krankenschwester scheint recht müde und es dauert nicht lang, bis sie einnickt. Jennifer nutzt die Gelegenheit zur Flucht – im letzten Moment, denn der Krankenwagen fährt schon vor.

Etwas später ist sie wieder bei McGregor und berichtet von ihren Erlebnissen. Der Prof war in der Zwischenzeit auch nicht untätig und hat etwas über die Maden an den Handschuhen herausgefunden. Es handelt sich um die Larven der Großen Sarkophaga, einer Schmeißfliege, die sich ausschließlich von Leichen ernährt. Er stellt weiterhin die Vermutung auf, daß der Mörder noch Leichenteile in seiner unmittelbaren Umgebung aufbewahre, vielleicht pflegt er eine Art kranke Beziehung zu ihnen (meine Güte, Fantasyhorror hin oder her, aber DAS ist jetzt schon sehr weit hergeholt). Da kommt ihm eine Idee: die Sarkophaga hat außergewöhnlich gute Geruchsorgane und kann Leichen in einem weiten Umkreis riechen. Da eines der verschwundenen Mädchen, Vera, an einer Buslinie verschollen ist könne Jennifer doch zusammen mit einer Sarkophaga, die der Prof in seiner Sammlung hat, diese Linie abfahren. Sobald die Fliege gleich einem Spürhund anschlage, könne sie Jennifer zu den Leichenteilen führen; Jennys außersinnliche Verbindung mit den Insekten ist hier bestimmt hilfreich. Jennifer stimmt zu und der Prof ermahnt sie nochmals ausdrücklich, vorsichtig zu sein und keine unnötigen Risiken einzugehen.

Jennifer fährt also mit der in einer Gitterbox gefangenen Fliege los und nimmt die gleiche Buslinie wie damals Vera und ihre Klasse. Sie sitzt bei geöffnetem Fenster da und wartet auf eine Regung der Sarkophaga. Irgendwann im Lauf der Strecke hängt sich ein großer BMW mit getönten Scheiben an den Bus und verfolgt ihn. An der uns bereits bekannten Haltestelle wird die Fliege nervös und Jennifer steigt aus. Sie lässt die Fliege frei und folgt ihr (in einer ziemlich irren Einstellung; Jennifer Conellys Kopfbewegungen, die der vermeintlichen Fliege folgen, sind zum Brüllen komisch) bis zu dem abgelegenen Häuschen, das wir vom Filmbeginn her kennen. Die Fliege schlüpft durch einen Spalt hinein und Jennifer geht durch die offene Tür ins Innere. Drinnen sieht sie sich etwas um, während die Fliege in einem Nebenraum unter den Bodendielen verschwindet. Jennifer gelangt ebenfalls in diesen Raum und findet ganz oben auf einem Regal so etwas wie aufgerollte Zeichnungen. Beim Versuch, diese herunterzuholen, stürzt das Regal in sich zusammen und Jennifer kommt gerade noch einmal mit dem Schrecken davon. Doch plötzlich steht ein Mann im Arbeitsoverall hinter ihr, packt sie und herrscht sie an, was sie hier zu suchen habe. Jennifer erzählt ihm einen vom Pferd (von wegen, sie hätte sich verlaufen) doch der Mann glaubt ihr nicht recht und hält sie fest. Doch sie kann sich irgendwie herauswinden und flieht. Der Mann sieht ihr noch stirnrunzelnd nach, wie sie über die Wiese davonrennt.

In der Zwischenzeit fährt der dunkle BMW vor dem Häuschen vor und heraus steigt – Inspektor Geiger von der Kantonspolizei.

Bild
Hat man schon jemals derart schlecht aufgeklebte Folien gesehen? Die Dinger werfen ja an allen Ecken Blasen!

Er befragt den Mann im Arbeitsoverall, der sich als Hausverwalter vorstellt. Die Bude stehe schon seit circa acht Monaten leer, sagt er. Er müsse sie nun wieder herrichten. Ob der Inspektor vielleicht kaufen wolle? Will er nicht, aber am Namen des Vormieters ist er interessiert. Das wissen nur die in der Zentrale, mault der Verwalter und der Inspektor zieht wieder ab.

Zwischenzeitlich ist es dunkel geworden und wir sehen Inga, die Äffin, vor dem Haus des Profs herumspielen. Plötzlich fällt die Haustür zu und Inga steht etwas frustriert davor. Da sieht sie einen Schatten im Haus herumschleichen und ist sofort alarmiert. Verzweifelt versucht sie kreischend die Hölzer der Fensterläden herauszubrechen, um so ins Haus gelangen zu können. Durch den Radau ist auch der Prof aufmerksam geworden und sieht von oben, wie Inga am Fenster herummacht. „Hast du dich wieder ausgesperrt, dummes Mädchen“, brummelt er und nimmt den Treppenlift, um nach unten zu kommen. Doch dieser bleibt auf halber Höhe stehen; ein Unbekannter (mit schwarzen Handschuhen, eh klar) hat ihn angehalten. Der Prof sieht die schattenhafte Gestalt unten an der Treppe stehen und will wissen, wer der Eindringling ist. Natürlich antwortet der nicht. Vielmehr setzt er den Lift wieder in Bewegung und als der Prof fast unten ist, sticht der Killer mit seiner Messerlanze zu und tötet ihn. Als Inga endlich ins Haus gelangt, kann sie nur noch den Tod ihres menschlichen Freundes feststellen, was sie ganz offensichtlich sehr traurig macht.

Doch die Trauer ist nur kurz, Wut steigt in Inga hoch. Der Mörder wähnt sich in seinem Wagen sicher und fährt los, als ihm plötzlich die Äffin buchstäblich aufs Dach steigt. Wild schlingert versucht der Killer, den Schimpansen abzuschütteln, was ihm letztlich auch gelingt. Inga stürzt ab und rollt in einen Park hinein.

Als Jennifer später am Haus des Professors eintrifft, herrscht dort ein reger Menschenauflauf. Sie kann noch erkennen, wie die Leiche von McGregor hinausgeschafft wird und beschließt, sich besser unerkannt zu verdrücken.

Am nächsten Tag macht der Inspektor einen Besuch in der örtlichen Irrenanstalt. Stolz führt ihm ein Arzt die ausbruchsicheren Gummizellen vor.
Bild
„Jo mei, wia derhoam, gell?“

Der Cop will aber nicht wissen, ob schon mal einer ausgebüxt sei. Vielmehr sei er daran interessiert, ob schon mal jemand freiwillig hineingegangen ist. Ja, vor 15 Jahren gab’s da mal einen merkwürdigen Fall, erinnert sich der Arzt. Abschließend will er dem Inspektor noch ein paar Irre zeigen; einige seien echte Monster und hätten mit Menschen nichts mehr gemein, weiß der Weißkittel zu berichten.

Jennifer ruft unterdessen von einem Busbahnhof aus Schapiro an (wo sie die Nacht verbracht hat? Keine Ahnung!). Der Anwalt soll auf der Stelle Geld an eine Schweizer Bank überweisen, damit sie ein Flugticket kaufen und schnellstmöglich hier verschwinden kann. Sie fürchtet um ihr Leben und will nur noch raus aus der Schweiz, am besten gestern. Schapiro verspricht, alles in die Wege zu leiten und nennt ihr den Namen der Bank, wo sie das Geld abholen könne.

Inga streift inzwischen hungrig durch den Park. In einem Abfalleimer findet sie einen Rest Saft, den sie begierig säuft. Beim weiteren Stöbern findet sie noch ein funkelndes, offenbar wie neues Rasiermesser (ja, ich frag mich auch, wer so was wegschmeißt…nagelneu…in einen Abfalleimer eines öffentlichen Parks). Nachdenklich betrachtet sie das Messer und verschwindet dann damit zwischen den Bäumen.

Jennifer ist inzwischen in der von Schapiro genannten Bank um dort das avisierte Geld abzuheben. Leider ist noch nichts überwiesen. Der Bankangestellte empfiehlt Jennifer entweder zu warten oder spazieren zu gehen. Sie entschließt sich, in der Bank zu warten. Nach gefühlten zwei Stunden ist immer noch kein Geld da – dafür aber kommt Frau Brückner herein. Schapiro habe im Internat angerufen, sagt sie, und der Direktorin und ihr die Hölle heiß gemacht. Der Anwalt habe sie angewiesen, sofort ein Flugticket für Jennifer zu kaufen und ihr auch gesagt, wo er sie finden könne. Frau Brückner hat auch soweit alles erledigt, allerdings gehe erst morgen wieder ein Flug nach L.A. zurück. Jennifer will aber keinesfalls nochmals eine Nacht im Internat verbringen, da setzt sie keinen Fuß mehr rein. Muß sie auch nicht, beruhigt die Brückner sie, Jennifer könne bei ihr zuhause übernachten.

Man fährt also zum Brückner’schen Anwesen, welches Jennifer recht imposant findet. Sie wohne hier mit ihrem kleinen kranken Sohn, erzählt die Brückner. Er sei auch der Grund, warum alle Spiegel im Haus verhängt sind, was Jennifer sofort nach dem Eintreten auffällt. Der arme Junge ist krank und es sei ein schweres Los mit ihm. Frau Brückner bietet an, Tee zu machen und zieht Richtung Küche ab. Jennifer fällt in einem Nebenraum eine kindhafte Gestalt auf und im Glauben, hier den Sohn des Hauses zu sehen, geht sie hinüber um Freundschaft zu schließen. Dabei stößt sie ungeschickterweise gegen ein Holzspielzeug und wirft den am Boden sitzenden Jungen damit um.
Kurz darauf kommt die Brückner dazu. Jennifer entschuldigt sich sofort und fragt sich, ob der Junge wohl verletzt sei. Doch die Brückner sagt ihr, das sei doch nur eine Puppe, und raunzt sie mit zunehmend herrischem Ton an, ob sie das nicht gemerkt habe? Außerdem scheine Jennifer sich wohl nicht wohlzufühlen, sie habe ja schon Fieber. Brückner holt ein paar Tabletten und schnauzt Jennifer an, sie solle sie gefälligst nehmen, schließlich sei sie ja für Jenny verantwortlich. Nach einigem Hin und Her mit der immer unangenehmer werdenden Lehrerin verzieht sich Jennifer ins Bad und nimmt eine Tablette. Als sie sich die Hände waschen will, bemerkt sie sich windende Maden an der Seife. Auch am Handtuch finden sich die Viecher. Plötzlich bekommt Jennifer einen Magenkrampf und vermutet sofort, das müsse mit den Tabletten zu tun haben. Krampfhaft versucht sie, die Tablette wieder hochzuwürgen und auszukotzen, was ihr schließlich auch gelingt.
Draußen hämmert derweil Brückner an die Tür; was los sei und Jennifer solle gefälligst sofort die Tür öffnen. Diese tut dies schließlich auch und schiebt sich an der giftenden Brückner vorbei Richtung Telefon. Brückner sieht im Bad die ausgespuckte Tablette. Sie stürmt hinaus und will wissen, wen Jennifer da anruft. Nur Schapiro, damit der wisse, daß alles in Ordnung sei. Das will Brückner aber nicht und es kommt zum Gerangel in dessen Verlauf Jennifer die Brückner umschubst. Doch diese ist schnell wieder auf den Beinen und zieht Jennifer hinterrücks eins über.

Bild
Jau, die Nicolodi kann recht überzeugend eine Irre mit bösem Blick darstellen…

Mit der Bemerkung, das sei ihr Haus und hier gelten ihre Regeln bringt die Irre (immer nur Brückner zu schreiben wird auf Dauer recht eintönig) das Telefon in einen anderen Raum, stöpselt es dort wieder ein und schließt den Raum ab. Plötzlich läutet es an der Tür. Brückner schließt die immer noch etwas benebelte Jennifer im Zimmer ein und geht nach draußen.

Zwischenzeitlich kommt Schapiro am Zürcher Flughafen an. Er wird von einem Mitarbeiter einer Autovermietung erwartet. Die Frage, ob er eine Straßenkarte brauche verneint Schapiro mit der Bemerkung, er kenne sich hier bestens aus. (Was diese Bemerkung und die später kurz eingeschobene Szene von Schapiro im Auto, als er gerade eine Waffe aus seinem Koffer fummelt, zu bedeuten haben soll, vermochte ich leider auch nicht zu erkennen.)

Anderswo wissen wir nun, wer bei Brückner geklingelt hat. Es ist der Inspektor, der einige Fragen zu Brückners Vergangenheit hat. Zum Beispiel war da ihre Vergewaltigung vor 15 Jahren, die sie wahrscheinlich noch nicht überwunden habe. Brückner freakt kurz aus, beruhigt sich aber gleich wieder und bittet den Inspektor auf etwas zu Trinken herein.

Jennifer versucht derweil, sich durch eine über der Zimmertür angebrachten Klappe das Telefon aus dem Nachbarzimmer zu angeln, als sie plötzlich den Schrei eines Mannes vernimmt. Dies treibt sie zur Eile an, aber sie kann den Apparat einfach nicht greifen; Im Gegenteil: er fällt herunter und purzelt in ein Loch im Fußboden. Das muß recht tief sein, denn das Telefon fällt immer weiter und wird schließlich durch die inzwischen straff gespannte Schnur gestoppt. Wieder ertönt ein Männerschrei durch das Haus, als Jennifer auf die Idee kommt, sich durch die Klappe hindurchzuzwängen, was ihr auch gelingt. In dem Nebenraum zwängt sie sich in das Loch, das sich als schmaler unterirdischer Tunnel erweist und versucht, an das Telefon heranzukriechen. Da läutet der Apparat plötzlich, es ist Schapiro. Doch bis Jennifer das Telefon erreichen kann, hat der schon wieder aufgelegt. Sie will nun ihrerseits nach draußen rufen, als sich unvermittelt zwei Arme um sie legen und sie durch ein Loch in der Tunnelwand ziehen. Jennifer freakt aus und strampelt um sich, doch der Unbekannte ist Inspektor Geiger, der ihr doch nur helfen will. Er selbst braucht allerdings auch Hilfe, denn er ist blutend an einer Wand angekettet. Jennifer hat sich noch immer nicht beruhigt, stolpert rückwärts – und fällt in eine Senkgrube, gefüllt mit Leichenteilen und Millionen von Maden.
Bild
Auf dieses „Bad“ hätte Jennifer wohl gern verzichtet.

Schreiend strampelt sie herum, als Brückner den Raum betritt. Keckernd und irre vor sich hinlachend steht sie am Rand der Grube und beobachtet Jennifers Bemühungen, irgendwie da wieder rauszukommen. Sie macht allerdings dabei den Fehler und dreht Geiger den Rücken zu. Der ist inzwischen so verzweifelt, daß er sich selbst den Daumen einer Hand bricht. So kann er eine Fessel abstreifen, nach der Irren greifen und sie umwerfen. Während Geiger auf die am Boden liegende Brückner einschlägt, kann sich Jennifer endlich befreien.
Sie läuft aus dem Verlies raus und stößt auf einen Raum, in dessen Ecke ein weinendes Kind sitzt. Es sei alles in Ordnung, beruhigt Jennifer, die böse Mama sei tot und er müsse auch nun keine Angst mehr vor den Spiegeln haben. Zum Beweis nimmt Jennifer die Verhüllung eines Spiegels ab und der Junge dreht sich um.

Bild
Wieso zieh ich beim Monopoly nie die Karte „Du hast den zweiten Preis in einer Schönheitskonkurrenz gewonnen“?

Vom Anblick dieses Etwas angemessen schockiert, rennt Jennifer schreiend davon. Durch einen weiteren Tunnel gerät sie nach draußen, genau an einen Bootsteg. Doch das Monster ist samt Messerlanze schon hinter ihr. Jennifer springt ins Boot, lässt den Motor an und will abhauen. Doch auch Monsterfresse ist schon da, springt ebenfalls ins Boot und zersticht erstmal versehentlich den Tank, was den Motor sofort wieder abwürgt. Jennifers Lage scheint aussichtslos und Monsterbacke geifert schon in freudiger Erwartung seines nächsten Opfers.
Doch da kommt unerwartete Hilfe für Jennifer: der Mond verdunkelt sich mit einer seltsamen Wolke und Millionen von fleischfressenden Fliegen stürzen sich auf die Kreatur und beginnen an ihm zu nagen. Der kann diesen Kampf natürlich nicht gewinnen und fällt schließlich ins Wasser. Die Fliegen verziehen sich wieder und Jennifer treibt mit dem Boot allein auf dem See.

Sie muß aber wieder ans Ufer und schmeißt den Motor wieder an. Doch ein Funke entzündet das aus dem beschädigten Tank ausgelaufene Benzin und plötzlich steht das Boot in Flammen. Notgedrungen muß Jennifer also ins Wasser und ans Ufer schwimmen. So leicht ist das allerdings nicht, die Flammen breiten sich auch auf dem Wasser aus und Jenny muß tauchen.

Einschub: hier wurde geschlampt wie nochmal was. Für einen derartigen Flammenteppich auf dem Wasser müssten schon hunderte Liter Schweröl brennen und nicht bloß ein paar Liter Benzin. Auch daß später nur noch das brennende Bootsheck zu sehen ist, passt so überhaupt nicht zu dem vorherigen Flammeninferno.

Im Wasser allerdings greift etwas nach ihrem Bein: Monsterbacke scheint noch zu leben, sieht allerdings inzwischen recht mager im Gesicht aus (lies: total abgenagt). Es war allerdings nur ein letztes Aufbäumen; nachdem Jennifer den Kadaver abgeschüttelt hat, kann sie das rettende Ufer erreichen.

Sie klettert an Land und sieht einen Wagen ans Ufer fahren. Heraus steigt Schapiro, der hocherfreut ist, sie gesund und wohlauf zu sehen. Auch Jennifer freut sich und läuft auf Schapiro zu als plötzlich – ssst – ihm eine scharfe Metallplatte scheinbar aus dem Nichts den Kopf sauber vom Rumpf trennt. Jennifer freakt aus, doch lang kann sie nicht kreischen. Die Urheberin der Köpfungsaktion ist schon da: Brückner.
Bild
Ich seh vielleicht beschissen aus – aber ich sitz am längeren Hebel, Schätzchen.

Sie wirft Jennifer zu Boden und stemmt die Metallplatte an ihren Hals. „Na, wo sind deine Fliegen jetzt?“, höhnt sie Jennifer an. Die Lage wird nun kritisch, doch plötzlich schreit Brückner auf und kippt weg. Hinter ihr wird Inga mit dem Rasiermesser in der Hand sichtbar. Und die Schimpansin will Rache für den Tod des Profs: mit schnellen Schnitten und Wutgekreische zerschneidet sie erst Brückners Gesicht und letztlich ihr die Gurgel auf. Danach blickt sie auf das blutige Messer in ihrer Hand, sieht Jennifer an und schmeißt schließlich das Rasiermesser weg. Sie nimmt Jennifer bei der Hand und die beiden entfernen sich von der Szenerie.
Ende.


Phenomena“ ist ein weiterer Horrorfilm mit Fantasyelementen in Argentos Schaffen. Allerdings muß festgestellt werden, daß bei aller künstlerischer Sicherheit, die auch hier wieder an Tag gelegt wurde, sich gleichermassen aber auch einige inszenatorische Unsauberkeiten zeigen. Die Handlung ist größtenteils schon ganz schön schräg und weist deutliche Schwächen in inhärenter Logik auf. Nun sind Argentos Filme ohnehin eher aus einem künstlerischen Standpunkt her zu betrachten, die Handlung ist, zumindest in seinen Horrorfilmen, Nebensache. Und diesbezüglich leistete er wieder ganze Arbeit. Die ausgewaschen wirkenden Farben des Films wurden mithilfe eines speziellen Filmmaterials realisiert, das in Verbindung mit eines von Technicolor entwickelten Verfahrens für eine fünfzigprozentige Farbreduktion sorgte. Da man diese nachträgliche Bearbeitung bereits während des Drehs berücksichtigen mußte, wurde dort z.B. Bekleidung in schwarz, weiß oder grau verwendet und auch beim Design wurden die Elementarfarben auf ein Minimum reduziert. Ganz im Kontrast dazu standen dann die saftig grünen Wiesen der Schweizer Alpen.

Trotz dieser Kniffe, der hervorragenden Kameraführung und der guten Arbeit der Darsteller bleibt bei Ansicht des Films das Gefühl präsent, Argento mochte sich nicht so recht entscheiden: Horror, Märchen, Fantasy? Obwohl Jennifer in ihren nächtlichen Ausflügen einer Alice im Wunderland gleicht und auch das Make-Up des kindlichen Killers durchaus gelungen ist (lt. Argento kam die Idee dafür von einem realen genetischen Defekt, dem Patau-Syndrom), versucht sich der Streifen gleichermassen ernsthaft, verträumt und wissenschaftlich zu geben, was aber eben nicht so recht gelingt. Das bereits zum zweiten Mal (nach „Profondo Rosso“) hervorgebrachte Argument, die meisten Insekten beherrschten Telepathie, ist schlicht unsinnig. Demgegenüber steht die Arbeit der Insektologen, die tatsächlich mit ihrem Wissen der Polizei bei Mordfällen helfen, was Argento damals ursprünglich zu der Story inspirierte. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Art der Darstellung von Jennifers Somnambulismus.

Von diesen Punkten und der komplett fehlenden Logik aber abgesehen, hat Argento eigentlich keinen so schlechten Film abgeliefert, vorausgesetzt, man läßt sich auf die Mixtur aus Videoclip und Märchenromantik ein. Dario selbst bezeichnet „Phenomena“ bis heute als einen seiner persönlichsten und liebsten Filme. Und da er ja selbst sagte, Geschmäcker seien verschieden, sei ihm diese Meinung auch vergönnt. Vielleicht trifft er diese Aussage aber auch deswegen, weil hier ein autobiografischer Zug eingebaut wurde: die Story, die Jennifer ihrer Zimmergenossin Sophie über den Abend erzählt, als ihre Mutter die Familie verließ, hat sich wohl genauso in Darios Familie abgespielt, als er ein Heranwachsender war.
Auch scheint sich hier wieder ein Bezug zu Darios eigenen Schulproblemen aufzutun. Wie schon in Suspiria, wird auch hier wieder das Internat als strenge Zuchtanstalt dargestellt, in dem die Lehrkörper absolutistisch herrschen und keinerlei Widerspruch dulden.

Wie erwähnt, handwerklich gibt’s fast nichts auszusetzen. Die Musik fügt sich wieder bestens ein, sei es der Titelscore, das träumerisch-sphärische Intro (nach „Vier Fliegen“ ist es übrigens erst das zweite mal, daß das Intro nicht mit dem Titelscore identisch ist) oder die rockigen Klänge von Iron Maiden’s „Flesh of the blade“, welches bei der Verfolgung von Gisela eingespielt wird und das Tempo zusätzlich erhöht. Die erneute Einspielung, als Jennifer in Brückners Haus nach dem Telefon angelt, wirkt allerdings nicht ganz richtig am Platze, zumindest kam es mir so vor. Das schnelle Lied schien in meinen Augen nicht so recht zum Rhythmus der gezeigten Bilder zu passen.

Auch die Schauspieler machen ihre Sache recht ordentlich. Die damals 15jährige Jennifer Connelly war ein Jahr zuvor mit Leones „Es war einmal in Amerika“ bekannt geworden und spielt die Insektenfreundin ganz gut, wenn auch manchmal etwas dick aufgetragen (was aber eher dem Drehbuch geschuldet ist). Connelly startete danach richtig durch, war seither in so illustren Werken wie „The hot spot“, „Reqiuem for a dream“ und „A beautiful mind“ zu sehen. Daria Nicolodi tritt hier als irre Lehrerin auf und ich muß gestehen, sie hat mich völlig überzeugt. Von der toughen Gianna aus „Profondo Rosso“ zur irren Frau Brückner ist ein himmelweiter Unterschied, aber die Nicolodi hat ihre Rolle gut im Griff. Über Donald Pleasance, der Professor McGregor spielt, brauch ich, denke ich, nicht mehr viel sagen. Der 1919 geborene Engländer, Fans vor allen Dingen als Dr. Loomis aus der „Halloween“-Reihe bekannt, hatte hier bereits seinen 171. Filmauftritt.

In der Rolle der Direktorin sehen wir Dalila Di Lazzaro, die hier ungewöhnlich hochgeschlossen auftritt. Die Udiner Schönheit war in den 70er ein begehrtes Covergirl (u.a. in den Herrenmagazinen „Lui“ und „Playboy“) und war in einigen Softsexfilmchen mit am Start. Den Horrorfans ist sie noch aus „Flesh for Frankenstein“ bekannt.
Inspektor Geiger wird dargestellt von Patrick Bachau, der ein Jahr zuvor mit Hamilton „Erste Sehnsucht“ drehte und in der Folge ein vielbeschäftigter Serienstar wurde. So hatte er unter anderem Auftritte in „Earth 2“, „The Pretender“, „CSI:NY“ und „24“. Ähnlich, wenn auch nicht in so großem Rahmen, verlief es bei Franco Trevisi, der den Verwalter spielt. Auch er war später größtenteils in TV-Produktionen zu sehen, wie z.B. in „Die Entführung der Achille Lauro“ und „Kommissar Rex“. In einem relativ kurzen Auftritt sehen wir noch Mario Donatone als Familienanwalt Morris Shapiro. Der in Tripolis geborene Lybier hatte in vielen südeuropäischen Produktionen Auftritte und seine bekannteste Rolle dürfte wohl die des Mosca in „Der Pate III“ gewesen sein.

Noch erwähnenswert sind zum einen Fiore Argento als Vera. Darios Erstgeborene hatte hier ihre erste von insgesamt nur fünf Rollenauftritten. Daß sie gleich am Anfang des Films getötet wird….darüber können sich Psychologen ihre Gedanken machen; übrigens ging es seiner zweiten Tochter, Asia, auch nicht viel besser. Auch sie wurde von ihrem Vater in dessen Filmen durch die Hölle geschickt. Darüber machten sich aber beide Töchter keine Gedanken, der Spaß am Dreh, die Zusammenarbeit mit dem Vater und nicht zuletzt auch der Blick hinter die Kulissen standen klar im Vordergrund.
Zum anderen sehen wir noch Marisa Simonetti als nicht näher bezeichnetes Schulmädchen mitspielen und bei dem Namen ist zu ahnen, daß ein verwandschaftliches Verhältnis zum Goblin-Keyboarder Claudio herrscht. Leider konnte ich nichts definitives herausfinden; für seine Tochter wäre sie schon zu alt und schwesternmäßig weiß ich nur von Simona. Vielleicht irre ich mich ja auch und der Nachname ist rein zufällig gleich.


Schlußbemerkung. Argentos skurril-schräge Symphatiebekundung an die Außenseiter dieser Welt ist wieder mal ein Haken des Regisseurs, der uns mit einigem Unerwarteten konfrontiert. Die Metaphorik früherer Werke ist in den Hintergrund getreten um einen vermeintlich mainstream-angepassteren Film abzuliefern, der sich sprachlich und in seinem Konstrukt den damaligen amerikanischen Produktionen angleicht. Dennoch bleibt der argentoeske Stil aufrechterhalten, wenngleich der Spagat nicht ganz so gut gelingen mag. „Phenomena“ ist ein symphatisches kleines Filmchen, das zwar einerseits Restspuren der genialen Ausdrucksweise von Argento aufweist, an anderen Stellen aber schlicht zu banal ist. Was bleibt ist ein Fantasyhorror-Streifen mit Schwächen, der an seine Vorgänger nicht ganz heranzureichen mag, dennoch aber durch die guten Schauspieler zu unterhalten weiß.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Beitrag von Shadow »

Opera
Alternativ: Terror in der Oper ; Terror at the opera
Italien, 1987
ADC Films, Rom – Cecchi Gori Group Tiger Cinematografica, Rom
Filmlaufzeit: ca. 103 Minuten
Bild

Als der jungen Opernsängerin Betty die Hauptrolle in Verdis Macbeth übertragen wird, erregt dies die Aufmerksamkeit eines psychopathischen Killers. Dieser zwingt die junge Diva wiederholt dazu, Zeugin grausamer Morde zu sein, bei denen er ihre Freunde tötet und ihr dabei die Augen mit kleinen Nadeln offen hält.
Als der Killer schließlich entdeckt wird, ist das Grauen aber noch nicht zu Ende…


In der Eröffnungssequenz sehen bzw. hören wir den gefeierten Opernstar Marla Tschechowa, die gerade für die abendliche Aufführung von Macbeth probt. Es wird allerdings schnell klar, daß sie mit einigen Aspekten der Inszenierung des Regisseurs Marco nicht ganz zufrieden ist, zum Beispiel mit den ebenfalls auf der Bühne befindlichen Raben. Da diese, ausgewiesene Musikliebhaber die sie nun mal sind, fröhlich mitkrächzen, fühlt sich die Tschechowa derart gestört, daß sie darob in Wut gerät und mit einem Schuh nach einem der Raben wirft, zum Entsetzen des Tiertrainers Maurizio. Im Übrigen hat sie nun auch genug von dieser dilettantischen Inszenierung und verläßt wutschnaubend und divenhaft vor sich hinschimpfend die Bühne, gefolgt von einem Tross besorgter Mitarbeiter, die sie zum weitermachen überreden wollen. Während der Regisseur schulterzuckend ob dieser Allüren zurückbleibt, bahnt sich die Tschechowa durch die draussen lauernden Reporter ihren Weg – und läuft blindlings vor ein Auto, das sie prompt anfährt. Dumm gelaufen, nun kann sie definitiv nicht in der Vorstellung singen.

Szenenwechsel. Wir befinden uns in der Wohnung des Nachwuchsstars Betty, die gerade auf dem Bett fläzt und sich entspannt, als plötzlich das Telefon klingelt. Eine unbekannte, unheimliche Stimme informiert sie darüber, daß die Tschechowa gerade einen Unfall hatte und nun sie heute Abend singen werde. Bestimmt freue sie sich darüber. Während Betty noch zu wissen begehrt, wer der Anrufer sei, hat dieser schon wieder aufgelegt. Betty hat daraufhin eine Art Mini-Nervenzusammenbruch. Kurz darauf steht ihre Freundin und Agentin Mira im Zimmer (wie die so einfach in die Wohnung hereingekommen ist, bleibt unklar; Betty scheint darüber am nicht im Mindesten verwundert) und informiert sie ebenfalls über die Tatsache, daß sie in Kürze auf die Bühne treten und die Hauptrolle in Verdis Macbeth singen werde. Bettys Begeisterung hält sich aber in Grenzen; sie sei zu jung, lamentiert sie, und nicht mal sicher, ob sie die hohen Töne überhaupt hinbekomme. Doch mittlerweile steht die halbe Crew in ihrem Zimmer und Marco beruhigt sie, die erste Lady Macbeth sei zu Verdis Zeiten erst siebzehn gewesen.

Bild
„Nu zick hier nicht rum; ich bin der Regisseur und alles wird gut.“

Aber das ist nicht Bettys einzige Sorge. Schließlich sei allgemein bekannt, daß eine Art Fluch über Macbeth liege und in allen bisherigen Inszenierungen dieser Oper irgendwas schiefgelaufen ist. Aber solche Ausflüchte läßt Marco nicht gelten; Betty ist jetzt der Star, das ist ihre große Chance und es werde schon gutgehen. Während diese ganzen Diskussionen stattfinden, wird die Szenerie von jemandem beobachtet, der sich hinter einem Lüftungsgitter versteckt. Ein Schatten, den wir als Zuschauer zwar sehen, der aber der Aufmerksamkeit der Protagonisten komplett entgeht.

Etwas später ist es dann soweit. Die Oper läuft vor voll besetztem Haus und hinter der Bühne herrscht hektische Betriebsamkeit. Bettys Kostüm erfährt die letzte Änderung durch Garderobiere Giulia, die in dem ganzen Hühnerhaufen die nervöseste Person von allen scheint. Im Aufgang zu den Logen herrscht ebenfalls Bewegung: der Böse (wahrscheinlich identisch mit dem unbekannten Anrufer) ist auch schon unterwegs, um von einer Loge aus dem Spektakel beizuwohnen. Wir als Zuschauer wissen sofort, mit wem wir es zu tun haben, dank point-of-view Kamera und schwarzbehandschuhten Händen sind wir im Bilde. Er findet auch eine freie Loge und platziert sich und ein Fernglas (soll wohl sein persönliches Opernglas sein) darin.
Zwischenzeitlich ist Bettys Auftritt gekommen und sie betritt die Bühne um ihre Arie zu singen, hinein in ein bizarres Bühnenbild, das ich euch nicht vorenthalten will:
Bild
Bild
Strange new worlds of Shakespeare...

Einschub: ich bin zwar einerseits kein kompletter Kunstbanause, gebe aber andererseits gerne zu, von der Oper nicht allzuviel Ahnung zu haben. Diese Macbeth Inszenierung erscheint mir aber schon etwas – naja – seltsam. Ich glaube nicht, daß es zu Verdis Zeiten Flugzeuge gab. Auch Soldaten in Erster-Weltkrieg-Uniform mit entsprechenden Waffen sowie die Raben im Käfig erscheinen etwas fehl am Platze. Und die Tatsache, daß Lady Macbeth eine 9mm-Pistole während ihres Monologes in den Händen hält, muß ich bei Shakespeare wohl überlesen haben….

Ihr Auftritt wird auch durch den Bösen mit seinem Fernglas beobachtet, der sie genau unter die Lupe nimmt und dabei sabbernd „You finally returned“ vor sich hin salbadert. Während Betty so vor sich hin singt, sehen wir unvermittelt eine Art Traumsequenz, wahrscheinlich des Bösen, in der eine Frau gequält wird und eine andere, gefesselte Frau, dem Treiben zusieht, wobei sie seltsam erregt scheint. Doch plötzlich wird der Unbekannte gestört: ein Saaldiener kommt in die Loge und fragt ihn, was er hier zu suchen habe. Es kommt zum Gerangel in dessen Verlauf einer der an der Loge montierten Bühnenscheinwerfer scheppernd nach unten kracht und damit Bettys Arie kurzzeitig unterbricht. Während diese etwas irritiert dasteht geht in der Loge, unbemerkt vom Auditorium, der Kampf weiter in welchem der Saaldiener letztlich seinen Tod durch einen Garderobenhaken findet. Marco weist Betty unterdessen an, weiterzumachen, was diese auch tut. Das Publikum ist begeistert von der Schlußarie und feiert den neuen Opernstar entprechend enthusiastisch, während die Tschechowa zuhause das Geschehen mit Gipsbein vor dem Fernseher verfolgt und neidvoll und recht unbeherrscht wütend ein Sektglas auf die Glotze wirft. Anderswo wiederum sieht ein kleines Mädchen ebenfalls die Fernsehübertragung und freut sich über Bettys Schönheit und deren Gesang.

Nach der Vorstellung ist Bettys Freundin Mira einer der ersten Gratulanten. Betty ist aber etwas besorgt, schließlich spreche der herabgestürzte Scheinwerfer für die Fluchtheorie der Macbeth-Inszenierungen. Außerdem habe sie Geschrei in der Loge in der Loge gehört. Mira ist aber nichts dergleichen aufgefallen und so geht Betty zunächst darüber hinweg.
Wenig später ist sie in ihrer Garderobe als es klopft. Sie öffnet und ein etwas verschüchtert wirkender Mann steht vor ihr, der ihr eine Rose schenkt. Betty hält ihn für einen Fan („Mein erster Fan“, freut sie sich) und gibt ihm ein Autogramm. Das nimmt der Mann zwar gerne an, ist er doch tatsächlich ein Fan, stellt sich ihr aber dann als Inspektor Santini von der örtlichen Polizei vor.

Bild
Ich seh zwar aus wie ein Nerd, bin aber der Oberbulle.

Betty ist darüber zwar enttäuscht, aber der Inspektor fragt berechtigterweise zurück, ob es denn nicht möglich sei, gleichzeitig Polizist und Opernfan zu sein. Auf jeden Fall gibt es wohl einen Toten in einer der Logen und da er ohnehin hier sei, ermittle er nun gleich in dem Fall. Betty kann aber (logischerweise) nichts dazu sagen und Santini zieht wieder ab. Kurz darauf klopft es wieder an der Tür und herein kommt Stefano, Bühnenmeister und Bettys Freund in einer Person. Auch er gratuliert Betty, hätte aber lieber einen Kuß anstatt eines Autogramms, welchen er auch erhält. Wieder klopft es und Tschechowas Assistent schaut herein. Er hat ein Geschenk der Diva für Betty. Es ist ein Parfüm und in der dabeiliegenden Karte stehen die aufmunternden Worte „Good luck, little snake“. Stefano bemerkt, die Flasche sehe teuer aus, doch die anschliessende Geruchsprobe scheint eher auf ein recht stinkiges Billigparfum hinzuweisen. Betty beschliesst, es umgehend in den Ausguss zu kippen und auf Stefanos Frage, was das wohl sein könne, vermutet Betty, es sei wahrscheinlich Froschschleim oder giftig. Giulia kommt herein (ehrlich, in Bettys Garderobe gehts zu wie auf dem Hauptbahnhof), um Bettys Kleid zum Ändern mitzunehmen. Auch sie nimmt den seltsamen Geruch des „Parfums“ angewidert wahr.

Etwas später sehen wir, per point-of-view, den Mörder eine Aufzeichnung der Oper im TV betrachten. Währenddessen öffnet er einen Koffer mit Utensilien, die er in Kürze zum Einsatz zu gedenken bringt: ein Seil, Nadeln, Klebeband und last not least ein großes Messer. Offensichtlich hat er etwas gegen Bettys Bühnenkleid, den er kratzt schon mit dem Messer begierig am Fernseher herum.

Wieder etwas später dringt der Mörder in den Requisitenraum der Oper ein um sein irres Werk zu vollbringen.
Bild
Die Kammer von Sein und Schein oder in einem Wort – der Requisitenraum

Doch, ganz alleine ist er nicht. In dem Raum steht ebenfalls eine Voliere, in der die ganzen Raben zusammenhocken und den Eindringling schon in Augenschein genommen haben. Dieser hat inzwischen Betty Kleid gefunden und fängt an, es mit dem Messer zu zerfetzen wobei er irre vor sich hin kichert. Die Raben geraten ob dieser Verwüstung zunehmend in Aufregung (wahrscheinlich spüren die Tiere ebenso den Wahnsinn, der von dem Menschen ausgeht) und einigen ganz Schlauen gelingt es, unbemerkt vom Mörder, die Tür der Voliere zu öffnen. Ein Rabe nach dem anderen hüpft ins Freie und alsbald beginnen die Tiere, aufgeregt im Raum herumzuflattern. Nun wird’s dem Mörder wohl zuviel, denn er ersticht einen an ihm vorbeifliegenden Raben. Das nehmen ihm die Vögel aber ausgesprochen übel und beginnen ihn anzugreifen. Nachdem er noch zwei weitere Tiere abgeschlachtet hat, muß er aber fliehen, denn die Tiere haben durch ihren Radau einen Wächter angelockt. Als dieser den Raum betritt, ist der Mörder schon durch eine Seitentür abgehauen. Zurück bleiben die Raben, die sich vor der Tür zusammengerottet haben und offensichtlich hinaus und hinter dem Mörder ihrer Kameraden her wollen.

Einschub: eine Szene, die in der Tat als Hommage an Hitchcocks „The Birds“ gesehen werden kann. Die Ähnlichkeit der an der Tür verharrenden Raben mit den vor dem Haus lauernden Krähen im Film des Altmeisters ist frappierend.

Erneuter Szenenwechsel. Betty und Stefano sind im Haus von Stefanos reichem Onkel, der momentan verreist ist. Offenbar hatte man gerade Sex oder es zumindest versucht, den Betty entschuldigt sich mit den Worten, sie sei halt wohl nicht gut im Bett. Stefano merkt an, daß sich wohl seit ihrem Starruhm nun doch einiges zwischen ihnen geändert habe. Allerdings hat er wohl gehört, Opernsängerinnen hätten immer guten und ausschweifenden Sex vor dem Auftritt, das sei gut für die Stimme. Diese Theorie ist Betty aber neu und Stefano gibt auf. Da er wohl heute nicht mehr – ehm – zum Stich kommt, bietet er Betty ein Glas Tee an; er mache gleich mal welchen.
Während er in der Küche zugange ist, legt sich unvermittelt eine schwarzbehandschuhte Hand um Bettys Mund und schlägt sie erstmal KO. Als sie wieder zu sich kommt, ist sie geknebelt und an einen Pfosten gefesselt, der Mörder bringt gerade ein letztes Utensil an.

Bild
Eines der berühmtesten Szenebilder des Films: du kannst dem Grauen nicht entkommen, du kannst nämlich nicht einfach die Augen davor verschliessen.

Der mit einer Strumpfmaske getarnte Mörder hält ihr einen Spiegel vor die Augen und flüstert ihr zu, sobald sie ihre Augen verschliesse, würde sie diese quasi selbst aufspiessen. Als Stefano wieder hereinkommt, findet er Betty gefesselt vor. Obwohl sie ihm panisch bedeutet, nicht näher zu kommen, tritt er heran um sie befreien – und läuft dabei dem Mörder, der sich hinter der Säule versteckt hat, genau ins Messer. Betty kann nichts tun und muß mitansehen, wie ihr Freund abgeschlachtet wird. Anschließend schneidet der Mörder eines der Fesselseile durch und verschwindet. Panisch flüchtet Betty in die regnerische Nacht und ruft von einer Telefonzelle aus die Polizei. Doch plötzlich scheint sie der Mut zu verlassen: nachdem sie den Mord gemeldet hat, hängt sie auf ohne ihren Namen zu nennen. Sie irrt durch die Nacht und wird dabei zufällig von Marco aufgelesen. Der bringt seinen verstörten Star erst einmal nach Hause und sie erzählt im verschreckt von den Ereignissen des Abends. Zur Polizei will sie aber trotzdem nicht gehen. Marco kann ihr also nur raten, vorsichtig zu sein und die Sperrkette ihrer Wohnungstür vorzuhängen, zumal Betty in einem Anflug von Paranoia überall Feinde zu sehen scheint.
Bild
Freund oder Feind? Auf jeden Fall ein ungewöhnlicher Kamerawinkel.

Beim Blick durch den Türspion ruft sie gleich nach draussen, wer denn da sei und was man von ihr wolle. Aber die draussen stehende Dame ruft unwirsch zurück, sie sei die Nachbarin und der Mann ihr Freund. Im Übrigen wolle niemand etwas von ihr (man merkt, die Dame gehört nicht zu Bettys engerem Freundeskreis und ist von den Starallüren ihrer Nachbarin wohl leicht genervt). Nachdem Marco Betty nochmals an die Vorhängekette erinnert hat, geht er schließlich. Betty versucht sich zu entspannen, doch noch jemand scheint sich in ihrer Wohnung zu befinden, zumindest vermittelt uns eine point-of-view Kamerafahrt diesen Eindruck.

Später sind wir bei Marco und dessen Freundin Marion zugegen, die ihm gerade die Kritiken vorliest. Einer der Kritiker bemerkt, der Regisseur hätte mal lieber bei seinen Horrorfilmen bleiben und die Finger von der Oper lassen sollen, was Marco mit einem säuerlichen Grinsen kommentiert.

Bild
Eine kleine Szene nur, dennoch voll mit Bezügen zu Dario Argentos Privatleben.

Schließlich hat Marion aber genug vom Zeitunglesen, sie habe ja nicht nur deswegen ihre Model-Arbeiten unterbrochen, um mit Marco Kritikergeschwätz zu diskutieren.

Am nächsten Tag verhört Inspektor Santini das Ensemble wegen des Eindringlings und Kleiderzerschneiders. Tiertrainer Maurizio vermutet, daß es die Tschechowa war, schließlich konnte sie seine Raben nie leiden und hätte wohl deswegen auch welche von ihnen getötet. Der Opernleiter weist diesen Vorwurf als lächerlich zurück, salbadert aber gleichzeitig in noch lächerlicherer Weise vom Macbeth-Fluch. Maurizio läßt sich von seiner Theorie trotzdem nicht so leicht abbringen. Aber, so warnt er, die Raben seien ausgesprochen klug und haben ein gutes Gedächtnis. Die Tiere würden sich den Eindringling sehr wohl gemerkt haben. Dieser kleine Nebensatz läßt Marco, der ansonsten zeitunglesend und auffallend teilnahmslos an dem Verhör teilnimmt, kurz aufhorchen. Der Inspektor ist aber auch wegen des Mordes an Bühnenmeister Stefano hier. Zuletzt habe ihn Betty gesehen, auskunftet Marco, sie sei zusammen mit ihm von der Aftershow-Party gegangen. Betty ist aber noch nicht hier, der Inspektor müsse ihre Befragung wohl verschieben. Giulia, der Garderobiere, wird das inzwischen alles zuviel, sie will unbedingt das Kleid retten.

Einschub: es fällt überhaupt auf, wie wenig sich alle Anwesenden um den Tod von Stefano zu scheren scheinen. Marco ist mit dem Lesen von Kritiken beschäftigt, der Direktor fürchtet um die Auswirkungen des Fluches, Maurizio hat nur seine Raben im Kopf und Giulia geht es ausschließlich um das Bühnenoutfit. Einzig die ebenfalls anwesende Marion scheint zumindest aufmerksam dem Geschehen zu folgen. Ich mag mich irren, aber lese ich da einen Seitenhieb von Argento auf die Kaltschnäuzigkeit der Kunstschaffenden (oder solche, die sich dafür halten) heraus?

Wütend erklärt sie, sie tue das für Verdi und nicht für Marco, dessen Arbeit sie mit äußerster Geringschätzigkeit begegnet (ganz schon frech für eine kleine Angestellte, meiner Meinung nach). Mit dem Kleid unter dem Arm rauscht sie in ihre Nähwerkstatt ab. Dort kommt wenig später Betty dazu, die Teile des Verhörs versteckt mit angehört hat, aber wohl keine Lust auf ein Treffen mit Santini hat. Sie scheint eine der wenigen Personen zu sein, die Giulia gut leiden mag, denn sie erzählt ihr von der Zerstörung des Kleides und läßt sich gleichzeitig über Marco aus, dessen Filme sie offenbar hasst.
Betty entschuldigt sich, sie muß kurz einen Anruf machen. Sie ruft Mira an und erzählt ihr, daß ein Verrückter hinter ihr her sei. Mira verspricht, am abend vorbeizukommen um die Sache mit Betty zu besprechen.
Wieder zurück in der Nähwerkstatt fällt Giulia und Betty etwas an dem Kleid auf, das vorher noch nicht da war. Ein goldenes Armband hat sich irgendwie im Kleid verfangen, es gehört wohl dem Einbrecher. Auf dem Armband befindet sich auch eine Gravur, aber um diese zu lesen bräuchte man eine Lupe. Giulia überlegt, wo sie diese wohl hingelegt hat.
Bild
Verblüffende Altersunterschiede: Coralina Cataldi (links) ist zum Zeitpunkt des Drehs 16 Jahre alt, Cristina Marsillach (rechts) 24 Jahre

Ihr fällt ein, daß die Lupe in einem Nebenraum liegen müßte und stürmt samt Kettchen hinüber, während Betty wartet. Interessiert betrachtet sie eine voll ausstaffierte Kleiderpuppe in einer Vitrine, als sich plötzlich eine schwarzbehandschuhte Hand um ihren Mund legt…

Im anderen Zimmer hat Giulia inzwischen die Lupe gefunden. Sie untersucht das Kettchen und ruft Betty triumphierend zu, es handle sich bei der Inschrift um ein Datum, vielleicht ein Jahrestag. Da keine Antwort erfolgt, geht Giulia in die Nähwerkstatt zurück. Dort sieht sie zu ihrem Erstaunen Betty – gefesselt und geknebelt in einer Vitrine stehend. Auch den Mörder sieht sie, der auch sofort nach ihr greifen will. Doch Giulia ist schneller, weicht ihm aus und verhöhnt ihn triumphierend, ob er wohl das Kettchen wiederhaben wolle. Sie will wohl ein bisschen Fangen mit ihm spielen, doch darauf hat der Mörder keine Lust – stattdessen wirft er ihr ein Bügeleisen ins Kreuz, was Giulia erstmal der Länge nach hinschlagen läßt. Wimmernd gibt sie auf, er könne sein Scheiß-Kettchen ja haben. Der Mörder nimmt es, steigt über sie hinweg und will sich zunächst wohl wieder Betty zuwenden. Doch Giulia hat ihn getäuscht: geschmeidig steht sie schnell wieder auf den Beinen und zieht dem Mörder das Bügeleisen mit aller Kraft über den Schädel. Sie nimmt das Kettchen wieder an sich und will Betty befreien, doch dann kommt ihr der Gedanke, erstmal dem Kerl die Maske vom Kopf zu ziehen. Das tut sie auch und blickt recht überrascht drein. „Sie?“, sagt sie. Doch auch der Mörder war nicht wirklich bewusstlos und rammt Giulia eine Schere in den Bauch. Sie prallt zurück und verschluckt dabei versehentlich das Goldkettchen. Das alles hat sich größtenteils außerhalb von Bettys Sichtfeld abgespielt. Der Mörder, inzwischen wieder maskiert, zieht Giulia über den Boden und sticht nochmals auf sie ein, was Betty nun dank Augennadeln wieder mitansehen muß. Anschließend schneidet er mit der Schere Giulia noch den Bauch auf, schließlich muß er sein Kettchen ja wiederhaben. Danach öffnet er die Vitrine, schneidet wieder eine von Bettys Fesseln durch und verschwindet. Betty kann sich befreien und läuft davon.

Etwas später kommt sie an ihrem Haus an, vor dem bereits ein Polizeiwagen steht. In der Lobby trifft sie auf Santini, der sie noch wegen des Mordes an Stefano verhören will. Dem Inspektor fallen sofort Bettys Wunden an den Handgelenken auf und sie berichtet ihm von ihrem Schockzustand und endlich auch von Giulias Tod. Der Inspektor will sofort zum Tatort fahren. Da Betty aber um ihr Leben fürchtet, weist er sie an, sich in ihrer Wohnung einzuschließen und nur Daniele Suave, seinem Assitenten, zu öffnen. Er schickt ihn gleich zu ihrem Schutz zu ihr.
In ihrer Wohnung beträufelt Betty zunächst einmal ihre ausgetrockneten Augen, was ihre Sicht sehr stark einschränkt und alles sehr verschwommen erscheinen läßt. Kurz darauf läutet es: es ist Suave, ihr Wachhund, den sie auch einläßt. Der Assistent will zunächst einmal die Wohnung in Augenschein nehmen. Betty kann zwar immer noch nicht richtig scharf sehen, hat aber Vertrauen zu dem Polizisten und legt sich erstmal aufs Bett, um mithilfe einer Entspannungskassette etwas ruhiger zu werden.
Kurz darauf läutet es wieder, diesmal ist es Mira. Betty, inzwischen wieder scharfsichtig, läßt sie ein und erzählt ihr von ihrem Verfolger. Nun wird Mira klar, warum Betty unter Polizeischutz stehe. Sie hat nämlich in der Lobby einen Polizisten getroffen, Suave sei wohl sein Name. Aber der ist doch hier, wundert sich Betty, in ihrem Wohnzimmer. Die beiden gehen sofort nachsehen, aber da ist kein Suave.

Bild
Eine Szenerie wie aus einem Raymond Chandler Roman.

Jetzt wird den beiden mulmig: was, wenn gar nicht Suave sondern der Mörder in der Wohnung ist? Dann fällt auch noch eine Sicherung aus und verängstigt schließen sie sich in der Küche ein. Mira bewaffnet sich mit einem Küchenmesser um ihren Schützling zu verteidigen, als wieder die Türglocke läutet (ich sagte es ja schon eingangs: bei der gehts zu wie im Taubenschlag). Mira späht durch das Schlüsselloch und sieht eine Hand, die gerade den Hörer der Gegensprechanlage abnimmt. Eine männliche Stimme sagt, sie komme gleich runter und der Unbekannte, von dem wir nicht wissen ob es Suave oder der Mörder ist, verläßt die Wohnung. Nun trauen sich die beiden Frauen wieder aus der Küche raus und Betty will sicherheitshalber telefonisch die Polizei herbeirufen als es wieder läutet (ja sag mal….). Mira späht durch den Spion und fragt, wer da sei. Inspektor Suave antwortet eine Stimme von draussen und zeigt ihr einen Polizeiausweis. Sowas könne ja jeder fälschen, zeigt sich Mira unnachgiebig. Die Person draussen zeigt ihr daraufhin ihre Dienstwaffe, einen Polizeirevolver. Mira sagt „Ich habe sie doch schon einmal gesehen. Nein, nicht ihre Waffe, Sie!“ Dem Unbekannten draussen wird’s wohl nun zu bunt; er richtet die Waffe auf den Türspion, drückt ab und jagt der immer noch dahinterstehenden Mira eine Kugel durch den Kopf; right through the eye. In einer genialen Einstellung saust die Kugel weiter und zerstört auch noch das Telefon, mit dem Betty gerade die Polizei anrufen wollte. Nun weiß auch Betty, daß der Mörder wieder da ist und panisch versucht sie, sich in der immer noch im Dunkeln liegenden Wohnung zu verstecken, als der Mörder auch schon die Tür eintritt.
Es folgt ein Katz-und-Maus Spiel, Betty hat sich zwischenzeitlich mit einem Messer bewaffnet. Plötzlich taucht vor ihr ein Schatten auf und sie sticht sofort zu – der Unbekannte geht zu Boden und ist tot. Allerdings hat er keine Maske auf und als Betty seinen Ausweis herausfingert stellt sie fest, daß sie gerade Suave umgebracht hat. Der Mörder ist aber auch bereits im Zimmer und Betty greift schnell nach dem Revolver des Inspektors und schießt. Damit hat der Mörder anscheinend nicht gerechnet, denn er kann sich mit einem Hechtsprung gerade noch in Sicherheit bringen, während Betty die Trommel leerballert. Sie flüchtet in ihr Schlafzimmer und der Mörder nimmt die Verfolgung durch die dunkle Wohnung auf. Plötzlich öffnet sich in Bettys Schlafzimmer das Lüftungsgitter und ein kleines Mädchen kommt zum Vorschein, es ist Alma, die Tochter der Nachbarin (nun wissen wir auch, wer immer hinter dem Gitter gelauscht hat; die Kleine ist offenbar eine Bewunderin von Betty). Sie flieht zusammen mit Betty durch die alte Lüftung bis zu ihrer Wohnung, doch der Mörder ist inzwischen draufgekommen, wohin sich sein Opfer verkrümelt hat und nimmt die Verfolgung auf. Die beiden klettern in Almas Zimmer wieder aus der Lüftung heraus und warten atemlos ab, bis der Mörder an dem anscheinend leeren Zimmer vorbeikriecht.
Bild
Das nennt man den toten Winkel ausnützen.

Alma will Betty nun ihrer Mutter vorstellen, die aber ob des Eindringlings gar nicht begeistert ist Betty kurzerhand hinauswirft (sehr hilfsbereit, die Dame). Da Betty nicht mehr in ihre Wohnung zurück kann, flieht sie in die Oper, um dort in ihrer Garderobe zu nächtigen.

In der Oper trifft sie auf Marco, der ihrem Plan zwar zustimmt, sie aber warnt, daß die Bühnenarbeiter gerade umbauen, weshalb ihr Schlaf wohl nicht ungestört sein werde. Er habe nämlich eine Idee, wie er den Mörder überführen könne, aber dazu müsse die Inszenierung geändert werden. Näheres will er Betty aber nicht verraten und so bleibt dieser nichts anderes übrig, als auf ihrem Garderobensofa in unruhigen Schlaf zu verfallen.

Betty träumt. Sie sieht ein kleines Mädchen (offenbar sie selbst) durch ein zusehends verfallenes Haus laufen. In einem Raum steht eine Frau angebunden da. Eine andere Frau wird gerade von einem Mann mit Kapuze gefoltert und wahrscheinlich getötet. Die gefesselte Frau scheint das aber nicht zu beunruhigen, eher zu erregen. Plötzlich wird sie des Mädchens gewahr und sieht sie unverwandt an, während der Mann sich in den Schatten zurückzieht. Betty wacht völlig fertig wieder auf.

Es ist abend geworden und das nächste Opernspiel steht an. Die Bude ist wieder gerammelt voll, alle sind anwesend (wörtlich zu verstehen; in einem Kameraschwenk sehen wir, krimigleich, alle Verdächtigen im Publikum sitzen).

Bild
„Der Saal ist gemietet, das Orchester ist bestellt; nun wollen wir mal sehen, ob sie auch tanzen können.“

Die Oper beginnt und Betty gibt wie üblich ihr Bestes. Dann kommt unvermittelt die neue Inszenierung von Marco zum Tragen: die Raben werden freigelassen. Die Tiere kreisen erst etwas unschlüssig um Bühne und über das Publikum, finden dann aber ihr Ziel: den Mörder ihrer Kameraden, auf den sie wutentbrannt einhacken. Offenbar hatte Maurizio recht: die Raben erinnern sich, der Mörder ist enttarnt. Im entstehenden Tohuwabohu fängt dieser aber an zu schießen, was zu einer Panik führt, in der er wohl entkommen kann.
Nun ist alles im Opernhaus auf den Beinen, jeder läuft quer durcheinander. Betty will sich in ihrer Garderobe verschanzen, wird aber auf dem Weg dorthin vom Mörder abgefangen, der sie in einen stillen Lagerraum verschleppt. Dort fesselt er sie an einen Stuhl, verbindet ihr die Augen und packt endlich aus. Er habe ihre Mutter gekannt, sagt er. Sie hatte sexuelle Erfüllung gefunden, wenn er andere Frauen quälte und tötete und sie, Betty, sei genauso. Da er nun mit einem ausgehackten Auge völlig unansehnlich sei, werde er sich jetzt verbrennen; und Betty gleich mit. Dies könne sie nur verhindern, wenn sie ihn erschieße. Zu dem Zweck drückt er ihr auch gleich einen Revolver in die Hand und weist sie an, wie sie ihn zu halten haben, damit sie ihn treffe. Betty zögert aber. Daraufhin sagt der Mörder „Hast du denn immer noch nicht genug? Ich war es; ich habe deine Mutter umgebracht. Ich konnte ihre Wünsche schließlich nicht mehr ertragen!“ Diese Nachricht ist für Betty zuviel und sie drückt ab. Der Mörder geht zu Boden und das Streichholz, das er in Händen hielt, fällt in eine Benzinlache, die sich sofort entzündet. Betty wird der Flammen gewahr und aus den Augenwinkeln kann sie die Fesseln an ihrem Stuhl sehen. Mit zwei gezielten Schüssen zerschießt sie das Seil und kann sich so befreien. Doch es ist noch nicht geschafft. Die Bude brennt, die Tür ist verschlossen und der Schlüssel liegt neben dem verkohlenden Körper des Mörders inmitten der Flammen. Betty schafft es schließlich, den Schlüssel zu angeln, bricht ihn aber im Schloß ab. Endlich, in letzter Minute, wird auf ihr verzweifeltes Rufen reagiert. Marco tritt die Tür ein und Betty flüchtet in seine Arme, während wir den toten Körper des Mörders weiter bruzzeln sehen.

Epilog
Einige Zeit danach, wir befinden uns in der Schweiz. Marco und Betty sind offenbar zusammengekommen und Marco scheint sich wieder dem Filmen zu widmen. Wir sehen ihn, wie er eine künstliche Fliege vor der Kamera hin und herbewegt.
Bild
Tricks mit Fliegen – Schweizer Bergkulisse …. wieso werde ich das Gefühl nicht los, gerade hinter die Kulissen von „Phenomena“ zu schauen?

Betty wirkt aufgeräumt und scheint auch wieder optimistischer in die Zukunft zu sehen. Die Haushälterin der beiden trägt gerade eine Vase in die Küche. Betty will etwas frische Luft schnappen und macht sich auf den Weg nach draussen. Plötzlich klirrt es in der Küche, was Betty aber nur mit der Bemerkung „Und wieder kaputtes Geschirr“ kommentiert. Draussen spaziert sie über die Almwiesen und beobachtet stirnrunzelnd einen kreisenden Helikopter und zwei Schäferhunde, die mit vollem Tempo über die Wiese jagen.
Im Haus läuft der Fernseher und Marco wird aufmerksam, als in den Nachrichten ein Bericht über die Ereignisse in der Oper kommt. Der Nachrichtensprecher verkündet, daß die verkohlte Leiche gar nicht der Mörder war, sondern nur eine Puppe. Die Fahndung nach dem inzwischen bekannten Mörder verlaufe nun landesweit und die Bevölkerung wird zur Vorsicht vor dem bewaffneten und äußerst gefährlichen Mann gemahnt. Marco ist etwas beunruhigt, geht in die Küche und findet die Haushälterin erstochen mit einem Messer im Hals vor. Er stürmt zum Fenster und ruft Betty hinterher, sie solle schnell weglaufen, der Mörder sei nicht tot sondern hier. Betty gibt also mal wieder Fersengeld, doch der Mörder folgt ihr bereits.
Schließlich kann er sie auch stellen, doch der ebenfalls hinzugekommen Marco überwältigt ihn. Es kommt zum Kampf; Betty kann nichts tun außer zusehen und schließlich gewinnt der Mörder die Oberhand und ersticht Marco.
Da hat Betty eine Eingebung. Sie sagt, sie hatte gewollt, daß er (der Mörder) Marco tötet. Er hätte Recht, sie sei genauso wie ihre Mutter. Nun müße man aber schnell hier weg; weg von der Leiche.

Bild
Wie romantisch: ein Toter, grandiose Naturkulisse und die Helden ziehen ab. Fehlt bloß noch der Sonnenuntergang.

Der Irre läßt sich schließlich von ihr mitziehen und gemeinsam laufen sie weg. Er scheint Betty nun auch zu vertrauen, denn er läuft leicht vor ihr. Bei einer kurzen Verschnaufpause nützt Betty das aus, hebt einen Stein auf und schlägt den Irren damit nieder. Der merkt nun, daß er nur veräppelt wurde und richtet drohend das Messer auf Betty. Doch diesmal hat er Pech: ein ganzes Dutzend Polizisten ist plötzlich da und reisst ihn zu Boden. Das hatte Betty, wie sie etwas später den Polizisten erklärt, eingeplant. Die beiden Polizeihunde und der Heli waren ihr aufgefallen und als Marco sie warnte (dessen Tod sie übrigens ebenfalls sehr gleichgültig aufnimmt, was mich zu dem Gedanken führt, daß die gute Betty auch nicht ganz richtig im Kopf sein kein; vielleicht ist sie ihrer Mutter dann doch nicht so unähnlich) wußte sie, in welche Richtung sie den Irren zu treiben hatte. Nun ist er in Polizeigewahrsam und Betty will nur noch ihre Ruhe. In der Wiese entdeckt sie eine Eidechse in einer misslichen Lage. Sie befreit sie daraus (hey Dario, Wiedergutmachung für das Tier in „Profondo Rosso“?) und fällt glücklich lächelnd ins Gras.
Ende.


Nach „Phenomena“ war Argento zunächst einmal mit ganz anderen Projekten beschäftigt. Privat fällt da natürlich die Trennung von Lebensgefährtin Daria Nicolodi auf. Dafür stürzte er sich geradezu in die Arbeit. Zunächst gründete er seine eigene Produktionsfirma mit dem Ziel, eigene Projekte und die von Freunden zu produzieren (dabei sind als die wohl bekanntesten in dieser Zeitperiode die „Demoni“-Reihe inklusive dem inoffiziellen dritten Teil, „The Church“, sowie „The Sect“ zu nennen. Auch die Dokus Dario Argento’s World of Horror und Dario Argento’s Masters of Horror fallen hierunter).
In Eigenregie erhielt Argento 1985 ein besonderes Angebot: das Management des Sferisterio-Theaters in Macerate bot ihm an, Verdis „Rigoletto“ als Oper zu inszenieren. Er machte sich sofort begeistert an die Vorbereitung, doch das Angebot wurde aufgrund von Protesten konservativer Opernpuristen wieder zurückgezogen. Ein Seitenhieb auf diese Herrschaften findet sich in einer Filmszene von „Opera“ wieder, eben jene oben bei screenshot 8 beschriebene Begebenheit. Trotz der Absage ließen Dario seine in der Vorbereitungsphase gewonnenen Eindrücke nicht los und er verarbeitete sie für seinen nächsten Film, eben „Opera“.

Vorher inszenierte er allerdings noch 1986 für Nicola Trussardi in Mailand eine Haute Couture Modenshow der speziellen Art. Als Bühnenhintergrund wählte er eine sturmgepeitschte Nacht und die die neuesten Kreationen tragenden Models wurden mit Messern attackiert und anschließend, eine Spur Kunstblut hinter sich herziehend, in durchsichtigen Säcken von der Bühne getragen (diese finden sich im Film in Marcos zweiter Inszenierung wieder, auch das Bühnenbild ist angeglichen). Ein halbstündiger Mitschnitt dieser Show, der im italienischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, zog eine Welle von Protesten nach sich; die spießbürgerlichen Kleingeister hatten wieder mal die künstlerische Intention der Inszenierung miss- bzw. gar nicht verstanden.

Im Mai gleichen Jahres begann dann schließlich die Produktion für „Opera“; mit einem Budget von acht Millionen Dollar bis dahin Argentos teuerster Film. Auch dieser geriet wieder zu einer visuellen Achterbahnfahrt argentoesker Bilderflut und ungewöhnlicher Kamereinstellungen. Herausragend hierbei die point-of-view Aufnahmen der in der Oper kreisenden Raben, die sich dann im Sturzflug auf ihr Opfer herabsenken. Für diese faszinierende Sequenz wurde extra ein Kamerakran in das Teatro Regio, der Oper im Film, montiert. Generell geriert sich die Kamera innerhalb der Oper nur selten statisch, sie scheint ständig in Bewegung zu sein, gleich einem nicht zur Ruhe kommenden Fluß.
Herausragend neben der Bilderflut ist diesmal der Böse, der bis dato perverseste in Argentos Galerie der Psychopathen. Die besondere Idee, Bettys Augen mit Nadeln am Schließen zu hindern, ist eigentlich ein von Argento offen geplanter Angriff auf die Sehgewohnheiten des Publikums, wie er in einem Interview auch offen zugibt: „Jahrelang habe ich mich über die Leute geärgert, die sich bei den blutigen Szenen in meinen Filmen die Augen zuhalten. Ich filme diese Bilder, weil ich will, daß die Leute sie sehen, und nicht damit sie diese positive Konfrontation mit ihren Ängsten vermeiden und wegschauen. Also dachte ich mir: Wie wäre es möglich, das zu erreichen und jemanden zu zwingen, sich die grausamsten Morde anzusehen, ohne, daß er seine Augen abwenden kann..." Der Bruch mit gängigen Konventionen gelang und zusammen mit der schweren psychischen Störung des Mörders, die wieder einmal auf vergangenen Ereignissen beruht, hat Argento hier einen Bösewicht erschaffen, den der Rezipient so schnell nicht vergisst. Daß auch die Protagonistin Betty nicht frei von psychischen Störungen scheint, zeigt sich gerade am Schluß, als sie die Zuschauer kurz über ihre wahre Motivation in die Irre führt – oder auch nicht. Richtig aufgeklärt wird dieser Fakt nie und somit ist „Opera“ ein weiteres Lehrstück über menschliche Abgründe, das Hobby- und Berufspsychologen gleichermassen interessant finden dürften.

Obgleich die Fans den Streifen als neuen Kultfilm feierten, war ihm auf dem Kinomarkt doch eher weniger Glück beschieden. Bei der Uraufführung in Rom war der Film noch ab 18 Jahren freigegeben, wurde dann aber kurz darauf aus marktpolitischen Gründen heruntergeschnitten auf eine 14er Fassung und so in die Kinos gebracht. Das Schnittmassaker stieß naturgemäß auf breites Desinteresse und wurde so zu einem finanziellen Totalflop. Auch die ein Jahr später in Cannes vorgestellte Fassung kam beim Publikum nicht an – was zu großen Teilen an der grottenschlechten englischen Synchronisation lag. Der Streifen wurde danach für den englischen Markt komplett neu einsynchronisiert und unter dem Titel „Terror at the Opera“ vermarktet. Aber erst mit dem Videomarkt und besonders dem später aufkommenden Medium DVD konnte der Film in seiner ungeschnittenen Langfassung wieder in altem Glanz erstrahlen und ihm so doch noch zu Erfolg verhelfen.

Es geistern im Übrigen bis heute Geschichten, daß der Misserfolg im Kino nur eine logische Konsequenz der Dreharbeiten war. Am Set kam es zu einigen Vorfällen, angefangen vom divenhaften Verhalten der Aktrice Cristina Marsillach, die Dario als „die schwierigste Schauspielerin mit der ich zu tun hatte“ bezeichnet bis hin zum frühen Tod von Hauptdarsteller Ian Charleson, der zwei Jahre nach Drehschluß an AIDS starb. Dies alles liess Dario glauben, der „Macbeth-Fluch“ habe wohl auf den Film übergegriffen, wie er einmal halbernst sagte.

Musikalisch fallen in diesem Film zuerst die Opernklänge von Verdi auf, die aber natürlich nicht von Cristina Marsillach gesungen wurden, sondern per Playback mit freundlicher Genehmigung direkt von Maria Callas stammen, eine der bekanntesten und berühmtesten Operndiven des 20. Jahrhunderts. Auch das Opera-Theme selbst, diesmal von Wymann&Taylor anstatt von Goblin (das Titelthema ist aber wiederum von Simonetti), fügt sich mit seinen an die Klassik erinnernden Klängen hervorragend ins musikalische Gesamtbild. Ebenso allerdings auch die Hardrock-Klänge von Steel Grave und Norden Light, die bei diversen Szenen eingespielt werden.

Die Besetzung der Schauspieler ist durchaus interessant und in einigen Fällen recht themennah gewählt. Ursprünglich sollte Vanessa Redgrave die Hauptrolle spielen, doch sie sagte kurz vor Drehbeginn ab. So wurde die Rolle der Betty mit Cristina Marsillach besetzt, die außer ihren Auftritten in der TV-Serie „Segunda Ensenanza“ ein eher unbeschriebenes Blatt war. Die Rolle des Marco, dessen Charakter wie erwähnt zu großen Teilen auf Dario Argento selbst basiert, übernahm der Schotte Ian Charleson. Dieser war mit Shakespeare groß geworden und spielte am Schottischen Nationaltheater ebenso wie mit der Royal Shakespeare Company. In seiner Vita finden sich Rollen in Hamlet (als Fortinbras), Chariots of fire und Gandhi.
Urbano Barberini tritt als Inspektor Santini auf. Er war den Fans im zuvor gedrehten „Demoni“ als George bekannt und drehte danach unter anderem „Gor“ und die TV-Serien „TECX“ und „Strathblair“. Zuletzt konnte man ihn in „Casino Royale“ als Tomelli sehen.

Daria Nicolodi ist als Mira, Bettys Freundin und Managerin, dabei. Ursprünglich hatte sie nach ihrer Trennung von Argento keine Lust auf die Rolle, sie hielt den Charakter der Mira für zu dünn. Letztlich überzeugte sie dann aber ausgerechnet die Todesszene von Mira, von der sie später sagte, sie sei recht erschreckend gewesen, wurde ihr doch extra ein kleines Päckchen Sprengstoff für den Effekt am Hinterkopf angebracht.
Die Auswahl von Coralina Cataldi-Tassoni als Giulia erwies sich als wahrer Glückgriff; die Amerikanerin kannte sich in der Oper nämlich bestens aus. Durch ihre Eltern war sie schon früh an die musikalische Bühne gewöhnt und absolvierte bereits im zarten Alter von neun Jahren erste Auftritte sowohl im Theater als auch in der Oper. Ihre erste Filmrolle war die der Sally in „Demons 2“, wo sie Argento positiv auffiel und er sie für „Opera“ engagierte. Damit war ihre Verbindung zu Dario aber noch nicht zu Ende; sie spielte ebenfalls in „Il fantasma dell’opera“ mit und moderierte die Fernsehshow „Giallo TV“ zusammen mit Argento. Danach folgten diverse Film- und TV-Auftritte in Italien und Amerika und zuletzt konnte man sie, wieder mit Argento arbeitend, als Giselle Mares in „La terza madre“ sehen.
Bettys Freund Stefano wird gespielt von William MacNamara. Der Ex-Verlobte von Erika Eleniak und Sohn eines Rennfahrers ist hier in seiner zweiten Filmrolle zu sehen. Seither folgten sechzig weitere Auftritte in eher kleineren Rollen, darunter auch einigen TV-Serien. MacNamara, der sich selbst als großen Fan von Don Knotts bezeichnet, schlug ein Angebot der Firma Calvin Klein als Unterwäschemodel aus, weil er fürchtete, zu sehr auf diesen Typus festgelegt zu werden (hätte er mal mit Errol Sander oder Lorenzo Lamas sprechen sollen…)
Noch erwähnenswert sind die Schönheit Antonella Vitale als Marion, die es leider nur auf insgesamt fünf Filmauftritte (zuletzt 1989 in „The Church“) brachte und Carola Stagnaro als Bettys Nachbarin und die Mutter der kleinen Alma, die die Argento-Fans noch als Scully-Lookalike Inspector Altieri aus „Tenebre“ kennen.
Ein wichtiges Mitglied, sowohl für Cast als auch für Crew, wollen wir aber auch nicht vergessen: Maurizio Garrone, der hier – man ahnt es – Maurizio spielt, den Rabentrainer. Garrones erste Zusammenarbeit mit Argento war in „Phenomena“, bei dem er die ganzen ekelhaften Viecher als Ausstatter beisteuerte. Als Tiertrainer arbeitete er, neben „Opera“, auch noch in weiteren Argento-Produktionen mit: in dem 1989 erschienenen „The Black Cat“, in „The Church“, „The Sect“ sowie in „Il fantasma dell’opera“.


Schlußbemerkung. Die Rückkehr zum Giallo ist Argento nahtlos gelungen. Sicher mögen einige den fehlenden, schwelgenden Umgang mit Farben und Formen missen, aber dieser Vorwurf trifft nur bedingt zu. Die Bildsprache hat sich im Vergleich zu früheren Giallos von Argento nur wenig bis kaum geändert, die Schwenks zwischen Realität und Traum sind ebenfalls wieder Bestandteil der Erzählung. Man kann höchstens bemängeln, daß die Story wieder gradliniger verläuft und die außersprachliche Ebene nur noch selten gewählt wird. Dies bringt aber das Genre Giallo mit sich; es sind in erster Linie Krimis. Krimis spezieller Art, sicherlich, aber vom Grundkonstrukt her eben Krimis und nicht, wie oft unterstellt, Horrorfilme. Nur weil sich in Giallos auch Horrorelemente finden, sollte man diese beiden Genres nicht in einen Topf werfen. Von dieser Warte aus betrachtet läßt sich feststellen, daß sich „Opera“ durchaus mit seinen Vorgängern messen kann. Er mag nicht mehr ganz an „Tenebre“ oder Ausnahmekracher wie „Profondo Rosso“ heranreichen, ist aber dennoch nach wie vor ein stimmungsvoller, gruseliger und guter Vertreter des Genres, der auch heute noch überzeugen kann.
Benutzeravatar
Shadow
Administrator
Administrator
Beiträge: 78
Registriert: So 27. Aug 2023, 19:58
Wohnort: In der Dunkelheit

Dario Argento – Il „Visconte“ di horror italiano

Beitrag von Shadow »

Trauma
Alternativ: Aura

Italien / USA, 1993
ADC Films, Rom – Overseas FilmGroup, Los Angeles

Filmlaufzeit: ca. 100 Minuten
Bild


Der Grafiker David kommt zufällig vorbei, als die junge Aura von einer Brücke springen will, hält sie aber davon ab und kommt ihr langsam näher. Zur gleichen Zeit geht in der Stadt ein Mörder um, der seine Opfer köpft und die Körper ohne den Kopf zurückläßt. Als Auras Eltern dem Mörder zum Opfer fallen, forscht David genauer nach und entdeckt eine Verbindung unter den Opfern. Schließlich stirbt der vermeintliche Mörder auf der Flucht vor der Polizei, aber das ist zumindest nur das scheinbare Ende des Falles. Aura verschwindet und scheint sich in einem See ertränkt zu haben, doch David glaubt das nicht und macht sich auf die Suche…

Nach einem etwas merkwürdigen Intro mit Scherenschnittfiguren beginnt die Handlung in einer amerikanischen Stadt. „It’s a dark and rainy night“, der klassische Einstieg also. Wir sehen gerade Georgia Jackson, eine Chiropraktikerin, die mit ihrem Mann telefoniert. Sie erwarte noch einen Kunden und komme dann nach Hause. Kaum ist das Gespräch beendet, als der späte Kunde auch schon vor der Tür steht. Georgia bittet ihn (und damit den Zuschauer, der per point-of-view in der Rolle des Kunden dabei ist) herein. Sie bemerkt noch, daß ihr das Gesicht des Kunden irgendwie bekannt vorkomme, als dieser seine wahre Intention offenbart und sie niederschlägt. Gleich darauf legt er ihr eine Drahtschlinge um den Hals, die an einem Gerät befestigt ist, welches die Schlinge per Knopfdruck automatisch zuzieht (ich nenne das Teil im Folgenden einfach DSG, Drahtschlingengerät). Die Schlinge zieht sich zu und trennt Georgia den Kopf ab, den der Mörder in einer mitgebrachten Tasche verstaut und verschwindet.

Am nächsten Tag sehen wir David, seines Zeichens Grafiker und Angestellter eines Fernsehsenders, über eine Brücke fahren. Er bemerkt ein Mädchen, das gerade das Brückengeländer überklettert hat und nun offensichtlich dabei ist, von der Brück zu springen. David hält an, hastet zu dem Mädchen und kann sie gerade noch von diesem fatalen Schritt abhalten. Er zieht sie zurück und bemerkt dabei erstens einen goldenen Armring und zweitens Einstiche von Spritzen an ihren Armen. Er lädt die junge Dame, die sich als Aura zu erkennen gibt, erstmal zu einem Imbiss ein.
Bild
Aura ist noch ein bißchen zickig.

Aura geht zwar mit, will aber nichts essen; sie habe keinen Hunger, sagt sie. David versucht, sie ein wenig auszuforschen aber Aura reagiert darauf etwas ungehalten. Seine Vermutung, sie habe (wegen der Einstiche) Drogenprobleme, weist sie empört zurück. David hat damit Erfahrung, er ist selbst ein Ex-Junkie, der den Ausstieg geschafft hat. Plötzlich sieht Aura auf der anderen Straßenseite ein Fahrzeug des Jugendamtes vorbeifahren, was sie mit einem herzlichen „So ein Mist“ kommentiert. Die Beamten haben sie wohl auch gesehen, fahren sie doch langsamer, reagieren aber sonst nicht weiter. Aura nimmt nun doch einen Bissen und fragt David, ob er nun zufrieden sei. Ist er. Aura entschuldigt sich, sie müsse mal auf die Toilette. An dieser angekommen, kotzt sie erstmal das gerade Gegessene wieder aus und verschwindet dann schnell durch die Hintertür. Doch sie hat Pech, sie läuft den Häschern des Jugendamtes geradewegs in die Arme.

Einschub: ich kenn mich mit dem amerikanischen Recht nicht so aus, daher ist mir die Stellung dieser Herrschaften nicht ganz klar. Auf ihrem Wagen steht „Metro Youth Service“, den Passanten halten sie aber einen Polizeiausweis unter die Nase. Welche Rechte diese Behörde tatsächlich hat (und ob so etwas überhaupt exisitiert) weiß ich leider nicht.

Die Herrschaften wollen Aura in die Faraday-Klinik zurückbringen, aus welcher diese wohl ausgebüxt ist. Unterwegs scheinen sie es sich dann aber anders zu überlegen und bringen Aura letzlich zu ihren Eltern, den Petrescus. David hat in der Zwischenzeit bemerkt, daß Aura nicht mehr da ist, aber nicht nur das: die kleine diebische Elster hat auch seinen Geldbeutel mitgehen lassen.

Die Beamten haben Aura inzwischen nach Hause gefahren. Ihre Mutter ist nicht gerade erbaut darüber, daß das Töchterlein aus der Klinik geflohen ist. Sie scheint allgemein recht streng zu sein und weist ihren Ehemann an, Aura in ihr Zimmer zu sperren und ihr etwas zu essen zu bringen. Aura mag aber nichts haben, was ihre Mutter zu der Drohung veranlasst, entweder sie esse oder es gehe zurück in die Klinik.
Bild
Tochter Aura ist zerknirscht, Mama Adriana genervt und Papa Stefan steht unter dem Pantoffel und dumm rum.


Im Übrigen habe sie jetzt keine Zeit, sie müsse sich vorbereiten. Ihr Vater erzählt Aura beim Hinaufgehen, daß die Mutter heute eine bedeutende und wichtige Seance abhalte (sie scheint mit dem Okkultismus-Hokuspokus wohl ihr Geld zu machen; sehr passend dazu daß die Petrescus lt. Drehbuch Rumänen sein sollen) und sie deshalb wohl etwas nervös sei. Aber auch er kennt kein Pardon: wenn Aura nicht esse, müsse sie in die Klinik zurück. Auch ihre Proteste, man versuche sie in der Klinik umzubringen, helfen nichts; er sperrt sie in ihr Zimmer ein.

Am Abend kommt ein illustres Völckchen zum Petrescu’schen Anwesen um der Seance beizuwohnen. Auch Dr. Judd, der Auras Mutter wohl irgendwie nahesteht, ist anwesend und erkundigt sich bei ihr noch an der Tür im Verschwörerton nach Auras Verbleib. Dann beginnt die Seance. Heute spricht das Medium Adriana nicht wie sonst üblich mit einem Geist namens Nicholas, der ihre Verbindung zum Jenseits ist, sondern mit einer anderen Seele. Es ist einer der Toten, die dem „Kopfjäger“, dem Mörder mit dem DSG, zum Opfer gefallen sind. Gar schauerlich läßt er die Anwesenden wissen, daß er nicht das letzte Opfer war. Er wisse auch, wer der Mörder ist, und zwar …. – dann überschlagen sich die Ereignisse. Ein Fenster fliegt auf und der hereinkommende Wind bläst alle Kerzen aus. Draußen donnert und regnet es, drinnen bricht Tumult aus. Ein weiblicher Seance-Teilnehmer kreischt sich die Seele aus dem Leib, was Stefan veranlasst, den Raum zu stürmen. Seine Frau ist nicht da, offenbar ist sie nach draussen ins Unwetter gegangen. Stefan hetzt hinterher. Aura hat von ihrem Zimmerfenster aus beobachtet, wie ihre Mutter durch den Garten in Richtung eines Waldstückes gelaufen ist und sieht nun auch ihren Vater hinterhersprinten. Auf ihr Rufen reagiert er nicht. Aura spürt, daß den beiden Gefahr droht, klettert durch das Fenster nach draussen und läuft rufend hinter den beiden her. Am Waldrand findet sie dann einen Körper ohne Kopf mit den Kleidern ihrer Mutter, dicht darauf einen weiteren kopflosen Torso. Als sie kreischend in die Dunkelheit sieht, erkennt sie eine Gestalt, die ihr die abgetrennten Köpfe ihrer Eltern präsentiert und dann im Wald verschwindet.
Bild
Der Kopfjäger hat wieder Beute gemacht.

Aura freakt völlig aus, als sich auch noch eine Hand auf ihre Schulter legt und sie herumreisst. Wie aus dem Nichts steht Dr. Judd vor ihr und will wissen, was sie gesehen habe. Hat sie den Mörder erkannt, kann sie sich an etwas erinnern? Aber Aura hat nur die abgetrennten Köpfe ihrer Eltern vor Augen und ansonsten auch nicht mehr gesehen.

Wenig später ist auch schon die Polizei vor Ort. Captain Travis, der leitende Beamte, sieht sich im Haus um, kann aber außer Adrianas Hang zum Okkultismus nichts weiter feststellen. Draußen wartet Dr. Judd auf ihn, der dem Captain mitteilt, daß Aura wieder in die Klinik zurück müsse. Nun sowieso, da sie keine Verwandten hätte, bei denen sie unterkommen könnte. Außerdem brauche sie psychatrische Betreuung. Dem Captain erscheint die Eile des Doktors etwas verdächtig, denn er weist ihn zurecht, daß zunächst einmal die Polizei ein paar Fragen habe, danach werde dann das Jugendamt die weiteren Schritte für die Einweisung veranlassen. Doch als er zum Streifenwagen sieht, in den er Aura kurz vorher verfrachtet hat, ist diese verschwunden; sie hat sich wieder aus dem Staub gemacht.

Am nächsten Tag sehen wir David im Fernsehsender bei der Arbeit mit Kollege Arnie, die gerade Grafiken für die Nachrichtensendung entwerfen, moderiert von Davids – hmm, nicht wirklich Freundin, eher sowas wie ein Betthäschen – Grace. Im Fernsehen läuft gerade ein Bericht über den Kopfjäger und David sieht mit halbem Auge hin, während er für genau diese Story Zeichnungen entwirft. Grace schaut auch kurz herein, um ihre Vorstellungen für die Grafiken kundzutun, verabredet sich für den Abend mit David und schwebt wieder hinaus.
Bild
„Ich will’s blutig – aber nicht zu blutig. Es soll schockieren – aber nicht zu sehr. Im Übrigen seh ich mit der Hochsteckfrisur doof aus und mein Ego ist sooo groß.“

Davids Telefon läutet, es ist Aura. Sie wartet vor dem Büro auf ihn und gibt ihm seine Brieftasche wieder. Es waren nur sechs Dollar drin, unrentabel, gesteht sie grinsend. Auf Davids selten dämliche Frage, wie sie ihn gefunden habe, verweist sie auf seinen Ausweis („Ich war vorhin schon bei dir zuhause“) und auf die Bürovisitenkarte. Doch plötzlich schlägt Auras Stimmung um und sie beginnt zu weinen. David will nach wie vor helfen und sie erstmal nach Hause fahren. Er geht kurz ins Büro zurück um die Autoschlüssel zu holen, als er im immer noch laufenden Fernseher vom Doppelmord letzte Nacht hört und von der verschwundenen Tochter, die nun von der Polizei gesucht wird. Nun ist ihm klar, warum Aura so verstört ist. Er bietet ihr an, einstweilen bei ihm unterzukommen.
Trotzdem will Aura vorher nach Hause, sie will Klamotten wechseln. Die beiden fahren also hin und David bildet die Vorhut vor der immer noch ängstlichen Aura. Nachdem die beiden im Haus sind stellt sich heraus, daß der Strom nicht funktioniert. David will mal nachsehen während Aura nach oben geht um sich etwas anderes anzuziehen. David geht derweil mit Taschenlampe bewaffnet in den Keller, wo er die Sicherungen vermutet. Doch die beiden sind nicht allein im Haus. Der Mörder ist auch schon da und schleicht hinter David her. Er schnappt sich ein Messer und will David folgen, als Aura von oben etwas herunterruft. Irritiert dreht der Mörder um und geht Richtung Treppenaufgang, als plötzlich der Strom im Haus angeht, David hat die Sicherung gefunden. Das Licht flammt auf und die Tonbandaufzeichung der letzten Seance mit Adrianas Stimme beginnt zu laufen, was Aura von oben verwundert „Mami?“ rufen läßt. Jetzt ist der Mörder in Bedrängnis, von oben kommt Aura und aus dem Keller wird David gleich auftauchen. Dem Mörder bleibt nichts anderes übrig, als zu fliehen.
Als David wieder im Erdgeschoß ankommt, findet er Aura im Seancenzimmer vor, wie sie verstört das Tonband mit der Stimme ihrer toten Mutter abhört. Plötzlich erklingt ein Klirren von draussen und David geht nachsehen. Er findet die Seitenscheibe seines Wagens eingeschlagen und das Polster des Fahrersitzes aufgeschlitzt vor. Er folgert, der Mörder sei in der Nähe und dies eine Warnung und holt Aura aus dem Haus heraus, bevor ihr auch noch etwas passiert. Auf dem Rückweg fährt ihnen eine Polizeistreife entgegen doch sie können unerkannt ihren Weg fortsetzen.

Später bei David, der ein kleines Häuschen am See hat. David sortiert Papiere und läuft am Bad vorbei, wo Aura sich gerade eine Art Brustbinde entfernt.
Bild
Wie schonmal erwähnt: kein Giallo ohne Titten; und wenns die der eigenen Tochter sind…


Aura bemerkt David und verhüllt sich verschüchtert, was David ertappt zu Boden starren und weitergehen läßt.

Szenenwechsel. Wir sind im Haus des Mörders, der gerade dem abgetrennten Kopf von Georgia etwas die Haare schneidet. Im Nebenhaus macht sich der kleine Gabriel gerade bettfertig, als seine Mutter hereinkommt. Er erzählt ihr, daß ihn aus dem Nebenhaus eine schwarze Frau anstarre. Mama sieht nach, doch da ist nur ein dunkles Fenster. Es gäbe keine schwarze Frau, sagt sie und Gabriel solle jetzt schlafen. Als sie das Zimmer verlassen hat, murmelt Gabriel trotzig vor sich hin, daß ihn wohl eine schwarze Frau angestarrt habe, eine Afroamerikanerin.

Szenenwechsel. Doktor Judd sitzt in seinem Büro und telefoniert mit Faraday, dem Leiter der gleichnamigen Klinik. Dieser erkundigt sich nach dem entflohenen Mädchen und Judd verspricht ihm, er werde Aura auf jeden Fall finden und in die Klinik zurückbringen.

Wieder zurück bei David. Der erhält gerade einen Anruf von Grace, was nun mit ihrem Treffen sei. David sagt ab, er habe ein Mädchen im Haus, um das er sich kümmern müsse. Giftig wünscht Grace ihm viel Spaß damit und bevor David die näheren Umstände genauer erklären kann, legt sie auf. Etwas später wird David durch ein Geräusch geweckt. Es ist Aura, die sich gerade im Badezimmer über die Schüssel beugt und ausgiebig kotzt. David sieht’s mit Verwunderung aber langsam scheint ihm ein Licht aufzugehen.

Am nächsten Tag bespricht er die Ereignisse mit seinem Kollegen Arnie. Dieser weiß sofort Bescheid: Aura ist eindeutig magersüchtig.
Bild
„Ich bin Arnie, der Nerd, und ich hab den vollen Durchblick.“

Er erzählt David von seinem Discovery-Channel Wissen. Es gäbe viele Magersüchtige, meistens sei das auf ein Probem mit der Mutter zurückzuführen. Ob David schon mit Aura Sex hatte, will er wissen. David entrüstet sich, Aura sei doch noch ein Kind (naja, mit sechzehn eigentlich nicht mehr so recht und David ist auch erst geschätzte Anfang bis Mitte zwanzig, also braucht er uns eigentlich nicht den alten Sack vorspielen) und nein, er habe es nicht mit ihr getrieben. Typisch, merkt Arnie an, Magersüchtige hätten Angst vor Sex. Sie täten alles, um kindlich zu bleiben. Wenn Aura ihm heute morgen gesagt hätte, sie würde sich selbst was kochen und essen, spiele sie ihm mit Sicherheit etwas vor. Darin seien Magersüchtige geradezu Meister, im Täuschen ihrer Umwelt.

Währenddessen sind wir wieder bei Gabriel. Er frönt gerade seinem Hobby: Schmetterlinge beobachten und bestimmen. Einer der Schmetterlinge fliegt an das Fenster des Nachbarhauses und wird dort unvermittelt von einem Gecko geschnappt. Gabriel ist neugierig geworden und will sich den Gecko mal ansehen oder einfangen. Er klettert über den Zaun zum Nachbargrundstück und schiebt das Fenster hoch. Scheinbar ohne Gewissensbisse steigt er in das Haus sein und erspäht bald den Gecko in einer Zimmerecke hoch oben an der Wand kleben. Gabriel baut sich aus einem Stuhl und einer Schachtel eine provisorische Leiter, steigt hinauf und streckt sich. Doch der Gecko watschelt seelenruhig außer Reichweite und es kommt, was kommen mußte: der wackelige Leiter-Turm stürzt um un Gabriel poltert zu Boden. Während er mit schmerzerfülltem Gesicht seine Knie reibt (geschieht dir Recht, du Balg!) wird seine Aufmerksamkeit von einem Gegenstand in der nun offenen Schachtel geweckt. Es ist das DSG und Gabriel nimmt es heraus um es sich näher anzusehen.
Bild
Jugend forscht: Wozu braucht man bloß sowas?

Noch während er damit herumspielt, fährt draussen der Mörder und Hausbesitzer vor. Gabriel legt sich selbst die Schlinge um den Hals und drückt auf einen der Knöpfe, doch nichts passiert; offenbar eine Art Kindersicherung oder schlicht fehlende Batterien.

Einschub: falls Argento damit gerechnet hat, der Zuschauer fiebert hier mit und sitzt „Nicht Gabriel, nicht!“ rufend im Kino bzw. vor dem TV hat er sich zumindest bei mir geschnitten. Die Rolle des Gabriel, die als Hommage auf Hitchcocks „Fenster zum Hof“ verstanden werden soll, ist denkbar schlecht gesetzt. Ein bebrillter, zunehmend nerviger Dreikäsehoch, dem seine Alten offenbar keine Manieren beigebracht haben, steigt mal eben in Nachbars Hütte ein und spielt mit Sachen rum, die ihn einen Scheißdreck angehen. Wenn er sich selbst erdrosselt hätte, ich hätte ihm keine Träne nachgeweint.

Der Hausherr kommt zwischenzeitlich zur Vordertür rein, was Gabriel vor Schreck ein kleines Tischchen umstoßen läßt. Schnell legt er das DSG wieder weg und schnappt sich den Gecko, der inzwischen nach unten gekrochen ist. Als der Hausherr/Mörder an der Zimmertür rüttelt, erschrickt Gabriel derart, daß er den armen Gecko in seiner Hand zerquetscht. Er schüttelt angewidert das tote Tier von sich und flüchtet schnell durchs Fenster nach draussen. Der Hausherr hat die Zimmertür zwischenzeitlich aufgerüttelt, aber er findet nur ein leeres Zimmer vor. Zwar herrscht ein ziemliches Durcheinander, vom Einbrecher aber keine Spur.

Abends fährt David nach Hause und denkt über Arnies Worte nach. Dabei fallen ihm mehr und mehr magersüchtige Frauen auf seinem Weg ins Auge, es scheint wirklich sehr viele davon zu geben (warum diese Szene und warum das gerade in Amerika ein schlechter Witz ist, dazu später mehr).
Später in Davids Haus. Aura hat gerade einen Alptraum, aus dem sie nach Luft schnappend erwacht. Aus dem Nebenzimmer hört sie grunzende Geräusche und geht nachsehen: es sind David und Grace, die es gerade wie die Karnickel miteinander treiben. Aura ist darob wohl etwas verstört, packt ihre Klamotten und läuft aus dem Haus. Das hat David aber mitbekommen und will sie zurückholen. Grace ist etwas angesäuert, auch als David von Auras angespannter Lage und ihren Problemen mit der Klinik berichtet. Trotzdem ist Grace der Meinung, Aura sei eine manipulative Psychopathin, woraufhin David sie nun ebenfalls sauer einfach zurückläßt und Aura suchen geht. Es dauert auch nicht lange, bis er sie findet und nachdem sich Aura für ihren Abgang entschuldigt hat, umarmen und küssen die beiden sich.

Am nächsten Morgen scheint alles eitel Sonnenschein. David geht zur Arbeit und läßt Aura etwas Geld da, damit diese auf dem Markt einkaufen und was kochen kann. Im Büro macht Arnie David dann auf etwas aufmerksam. Er hat sich die Videobänder der Nachrichten nochmal angesehen und dabei ist ihm aufgefallen, daß es immer geregnet hat, wenn der Kopfjäger zuschlug. Meist waren es sogar starke Regenfälle. David sieht zum Fenster hinaus: es regnet. Dann ruft Aura an. Sie sagt ihm, sie hätte auf dem Markt Doktor Judd getroffen und versucht, ihn abzuschütteln, doch er habe sie verfolgt. Dann kreischt sie nur noch „Lassen sie mich los!“ und die Verbindung wird unterbrochen. David eilt sofort los, wähnt er Aura doch in Gefahr.
Zuhause angekommen findet er Aura aber nicht vor. Stattdessen sitzt Grace im Wohnzimmer und erklärt ihm in aller Seelenruhe, sie habe die Faraday-Klinik angerufen und Aura gerade abholen lassen. David ist entsetzt und zieht mit der Bemerkung „Was bist du bloß für ein Mensch!“ ab um Aura zu befreien.

Dort ist Aura inzwischen bei Dr. Judd im Büro. Der offensichtlich mit einem Hang zum Okkulten ausgestattete Irrenarzt will, daß sich Aura an die Geschehnisse in der Mordnacht erinnert. Er will, daß sie sich mit der Vergangenheit auseinandersetzt und ihr dabei helfend zur Seite stehen. Obwohl Aura ihm sagt, er habe kein Interesse an ihr sondern wolle was anderes, besteht der Doc aber auf seiner Sorge und will nur, daß es ihr wieder gut geht. „Im Kopf eines jeden Menschen steckt seine Seele, die jedem anderen Menschen stets ein Rätsel bleiben wird“, salbadert der Herr Doktor und verabreicht Aura spezielle Beeren, die wie eine Droge wirken. Alles weigern seitens Aura hilft nichts, und sie beginnt sich zumindest teilweise zu erinnern.
Bild
Aura erinnert sich und der Doktor hat Visionen (sollte mal zum Arzt gehen, der Mann)

Bezüglich der Mordnacht kommen keine neuen Erkenntnisse ans Licht aber wenigstens erinnert sich Aura, daß Dr. Judd ein Verhältnis mit ihrer Mutter hatte. Als Aura schließlich zusammenbricht, läßt sie der Doc auf ein Zimmer schaffen. Dort wird sie festgeschnallt und, obwohl sie sich verzweifelt wehrt, unter Beruhigungsmittel gesetzt.

Zwischenzeitlich ist auch David in der Klinik angekommen und erkundigt sich an der Rezeption nach Aura. Die Schwester bedauert, sie kann keine Auskunft geben und im Übrigen sei die Besuchszeit auch schon vorbei. David gibt scheinbar auf, geht aber hinter einer Säule der Empfangshalle in Deckung und als die Schwester kurz abgelenkt ist, schlüpft er durch eine Tür in den Zimmertrakt.
Doch auch der Mörder ist bereits hier. Er hat sich mit einem Arztkittel getarnt und klingelt nun an der Station, in der auch Aura liegt, an der Tür. Ein Pfleger schaut durchs Guckloch, sieht den Arztkittel und öffnet. Dummer Fehler, der Mann wird auf der Stelle getötet. Doch er war nur Kollateralschaden, der Mörder ist wegen jemand anders hier.
Zwischenzeitlich ist Schwester Hilda fertig bei Aura und sie will die Station wieder verlassen. Wir sehen sie auf die Tür zugehen und innehalten, offensichtlich hat sie ihre Schlüssel irgendwo verlegt. Entnervt dreht sie sich um und blickt dem Mörder genau ins Auge, der sie erstmal niederschlägt und dann in das Zimmer eines Patienten verschleppt, um sein Kopf-ab-Werk zu beginnen.
Aura hat sich währenddessen von ihren Gurten befreit und zieht sich, durch die Beruhigungsmittel noch leicht betäubt, ihre Sachen an. Sie klaubt den Schlüsselbund, den sie Schwester Hilda stibitzt hat, auf und verläßt ihr Zimmer. Im selben Moment ertönt ein Alarm.
Der Mörder ist inzwischen damit fertig, Hilda den Kopf abzutrennen und packt diesen in seine Tasche. Der die ganze Zeit im Zimmer anwesende Patient, natürlich ein Irrer, ist offenbar froh, daß es ihn nicht erwischt hat und winkt dem Mörder zum Abschied.
Bild
„Oh, sie müssen schon gehen? Schaun’ sie mal wieder rein, denn etwas Charme muß sein…“

Aura läuft gerade immer noch leicht betäubt Richtung Ausgang, als sie von David abgefangen wird. Sie ist noch nicht ganz da und erzählt David, man wolle sie vergiften. David will gleich mit ihr abhauen (glücklicherweise hat sie ja den Schlüsselbund von Schwester Hilda geklaut), aber vorher nochmal nachsehen, was der Alarm zu bedeuten hat. Als er nachsieht findet er in einem Zimmer die Leiche des Pflegers. Auch die in den Gang laufende Blutspur von Schwester Hilda bleibt ihm nicht verborgen. Eine Insassin bezichtigt David des Mordes und ruft dauernd „Er war’s!“. David wird’s nun zu viel, er schnappt sich Aura und die beiden fliehen nach draussen in den strömenden Regen. Sie verlassen mit Davids Wagen den Parkplatz, doch sie sind nicht alleine. Eine schwarze Limousine, genauso eine wie die, die der Mörder fährt, folgt ihnen in einigem Abstand.

Bei David zuhause sehen sie im Fernseher bereits die Nachrichten von den Toten in der Klinik. Aura erkennt die tote Schwester als „ihre“ Pflegerin und Assistentin von Dr. Judd und gibt sich die Schuld, aber David beruhigt sie: sie sei keine Mörderin, höchstens eine Diebin. Während sie sprechen, werden sie draussen vom Mörder beobachtet, der aber zumindest für den Moment beschliesst, nicht einzugreifen. David betrachtet derweil Hildas Schlüsselbund genauer und findet auf der Rückseite die Aufschrift „Marigold“. Das sagt ihm was, eine Firma die Lagerräume vermietet. Man beschließt, sich dort mal morgen umzusehen.

Etwas später sieht Gabriel seinen Nachbarn nach Hause kommen. Die schwarzbehandschuhte Hand packt das DSG in die Schublade eines Schreibtischs und räumt die Tasche weg. Danach verläßt er das Zimmer. Gabriel hat aufgepasst und sich alles gemerkt.

Am nächsten Tag durchforsten David und Aura Hildas Lagerraum. Sie haben es eilig, schließlich könnte die Polizei auch dahinterkommen und hier bald auftauchen. Es dauert auch nicht lange, bis draussen ein Streifenwagen vorbeifährt, allerdings eher zufällig. David missdeutet das aber und die beiden geben, nachdem Aura noch ein paar Dinge zusammengeklaubt hat, Fersengeld.
Wieder bei David sehen sie die Sachen nochmal durch und stoßen dabei auf ein Foto. Es ist der Beweis, daß sich die Opfer des Kopfjägers untereinander gekannt haben müssen.
Bild
v.l.n.r.: Hilda Volkman, eine Unbekannte, Doktor Lloyd, Georgia Jackson und Linda Quirk

Nachdem drei Leute auf diesem Foto schon tot sind beschliessen sie, Linda, die vierte Frau, ausfindig zu machen um sie zu warnen.

Linda ist derweil in ihrem Haus und spricht gerade mit ihrer Lebensgefährtin Alice. Ihr ist nicht entgangen, daß einige ihrer ehemaligen Kolleginnen zwischenzeitlich tot sind und sie befürchtet nun, die nächste zu sein. Sie habe damals mit den anderen an einem Projekt gearbeitet, sagt sie, das mit Elektroschocks zu tun hatte. Wahrscheinlich sei der Mörder ein ehemaliger Patient, der sich nun rächen wolle. Da klingelt das Telefon – Alice geht ran. Es ist David, der wissen will, ob Linda Quirk hier wohne und er sie dringend sprechen müsse. Alice sagt nichts weiter und legt auf, glauben sie und Linda doch, das war eben der Mörder. David versucht es nochmals, doch nun hebt niemand mehr ab. Macht aber nichts, im Telefonbuch steht ja eine Adresse und so fährt er mit Aura dorthin.

Als sie dort eintreffen, sehen sie eine Asiatin im Vorgarten, die bei ihrem Anblick sofort die Flucht ergreift. David sprintet hinter ihr her und kann sie stellen, doch es wird ihm auch gleich klar, daß das nicht Linda sein kann. In diesem Moment hupt Aura, die im Wagen gewartet hatte und David wetzt wieder nach vorne. Er sieht gerade noch Linda in einem roten Wagen davonfahren und nimmt mit Aura die Verfolgung auf. Zunächst biegen sie falsch ab, drehen aber nach einer Weile, Auras Gefühl folgend, um und fahren den Freeway wieder zurück, als Aura plötzlich den roten Wagen auf dem Parkplatz eines Motels erspäht. Die beiden quartieren sich im Motel ein, Zimmer mit Blick auf den Parkplatz und Lindas Auto.

Linda ruft derweil Alice an. Sie sei in Gefahr, sagt sie und rät ihr, schnellstens das Haus zu verlassen und zu ihr zu kommen. Alice glaubt zwar nicht an unmittelbare Gefährdung, stimmt aber schließlich zu und läßt sich von Linda die Adresse des Motels samt Zimmernummer geben, die sie auf einem Zettel notiert (selten dumme Nuß, kann sich nicht mal drei Worte und eine Zahl merken…). Alice geht kurz ins andere Zimmer um ein paar Sachen zusammenzupacken. Als sie wiederkommt und den Zettel mitnehmen will, ist dieser verschwunden. Darüber ist sie zwar irritiert, aber nicht beunruhigt und sucht den Zettel, den sie schließlich am Boden vor dem Bett findet. Sie will ihn aufheben – doch der Mörder ist bereits hinter ihr tötet sie.

Im Motel überlegt David derweil, wann der Mörder wohl zuschlagen werde und wie man Linda am besten schützen könne. Sein Blick streift dabei eher zufällig die Sprinkleranlage des Motelzimmers. Aura ist derweil unter der Dusche und David kommt hinzu. Sie will aber nicht, daß er näher kommt, schließlich könne er nass werden, wie sie ihm mit süffisantem Grinsen, hinter dem Duschvorhang hervorlugend, erläutert. Plötzlich kommt David ein Gedanke: wenn es gerade nicht regnet, der Mörder aber trotzdem aktiv ist, könnte er dann nicht selbst für Regen sorgen? Er verläßt schnell das Zimmer auf der Suche nach Lindas Unterkunft.

Bei der ist derweil der Mörder eingedrungen und hat sie niedergeschlagen. Um wieder in Stimmung zu kommen, zündet er etwas Zeitungspapier an und hält es unter die Sprinkleranlage, die auch sofort losgeht. Er schleppt Linda in den Wasserstrahl, packt sein DSG aus und schneidet ihr den Kopf ab. Die Sprinkleranlage hat mittlerweile Alarm ausgelöst und der Mörder nutzt das allgemeine Durcheinander zur Flucht. David findet schließlich Lindas Zimmer (das Wasser läuft unter der Tür durch) und stürmt hinein. Er findet Lindas Kopf, abgetrennt vom Körper. Sie kann ihm aber noch etwas mitteilen, bevor sie stirbt: „Lloyd“.
Bild
Wurde hier aus „Alien“ geklaut oder ist’s eine Referenz an die Talking Heads?

Bevor David das Zimmer wieder verläßt, erspäht er noch eine Tasche mit der Aufschrift „Saint Bartholomew“. Diesem Hinweis will er nachgehen.

Am nächsten Tag ist er in besagtem Krankenhaus und spricht mit einem der älteren Angestellten. Er zeigt ihm das Foto und der Mann erkennt Dr. Lloyd darauf wieder. Ein ehemals recht erfolgreicher Arzt, der dann aber zu tief in den Medikamentenschrank gegriffen habe. Seitdem wohne er im Rotlicht-Viertel und verdinge sich dort wohl als Kleinkrimineller. David bricht also in besagtes Viertel auf, um mit Dr. Lloyd zu sprechen.
Kurz darauf ist auch Captain Travis mit seinen Männern in dem Krankenhaus und spricht ebenfalls mit dem Angestellten; offenbar verfolgt die Polizei die gleichen Spuren nur eben etwas langsamer als David. Der Angestellte erzählt ihnen, vorhin habe schon mal ein Mann nach Dr. Lloyd gefragt und er habe ihn ins Rotlichtviertel geschickt.
David hat Lloyd in der Zwischenzeit gefunden und spricht ihn auf das Foto an. Der ehemalige Doc scheint aber wirklich etwas heruntergekommen. Er hat weder an dem Foto noch an Davids Horrorgeschichten vom unheimlichen Mörder Interesse und macht David unmißverständlich klar, er solle sich verpissen. David gibt ihm noch einen Zettel mit seiner Telefonnummer, falls der Doc doch noch mit ihm sprechen wolle.

Als Lloyd kurze Zeit später nach Hause kommt, findet er vor seiner Wohnungstür eine Puppe vor. Er ist etwas verwundert und bückt sich, um die Puppe aufzuheben, als er von hinten eins übergezogen bekommt. Der Mörder packt sein DSG aus, legt Lloyd die Schlinge um den Hals und betätigt den Knopf für den Motor. Doch diesmal funktioniert es nicht: die Drahtschlinge verfängt sich in Lloyds Halskette und würgt ihn zwar stark, schneidet ihm aber nicht den Kopf ab. Mißmutig löst der Mörder die Schlinge von Llyods Hals und schleift den nach Luft schnappenden Mann zum offenen Fahrstuhlschacht. Dort drapiert er ihn Kopf voran auf dem Boden und ruft den Aufzug. Lloyd ist wie gelähmt und kann nichts tun: der Aufzug trennt ihm sauber den Kopf ab.
Bild
Lloyd wartet darauf, guillotiniert zu werden.

Später in der Nacht trifft die Polizei am Ort des Geschehens ein. Der Hausverwalter, der über die Verkommenheit des Viertels schimpft, ist ob des Vorfalls entsetzt. Da informiert ein Polizist den Captain, daß in der Tasche des Toten ein Zettel mit einem Namen und einer Telefonnummer gefunden wurde.

Noch etwas später, bei David zuhause. Aura und David schlafen, im gleichen Zimmer aber in getrennten Betten. Plötzlich hört David, wie jemand leise spricht. Er öffnet ein Auge und sieht Dr. Judd, der sich gerade über Aura gebeugt hat und auf diese einredet, sie solle mit ihm kommen. Aura wehrt sich aber und schon ist auch David auf den Beinen und liefert sich einen Kampf mit dem Doc. Plötzlich kommen Sirenen und Blaulicht näher, was den Doc veranlasst von David abzulassen und zu flüchten; David hinter ihm her. Judd setzt sich in seine schwarze Limousine und fährt davon. Doch er gerät an eine Straßensperre, macht einen Fahrfehler und knallt voll gegen ein stehendes Fahrzeug. Die Polizei ist schnell da und hat ihn umringt. Doch der Doc ist ob seiner Verletzungen bereits im Sterben begriffen. Die durch den Unfall aufgesprungene Kofferraumklappe gibt den Polizisten den entscheidenden Hinweis, hier einen Haupttreffer gelandet zu haben.
Bild
Das gibt dem Begriff „Headhunter“ tatsächlich eine ganz andere Bedeutung…

David, der inzwischen auch an der Unfallstelle angekommen ist, sieht dies ebenfalls. Da nun alles zu einem guten Ende gekommen scheint, kehrt er nach Hause zurück, um Aura die frohe Nachricht zu überbringen. Doch die ist nicht mehr da, statdessen findet er einen Zettel vor auf dem folgendes steht: „Dear David, I’ve gone to join my mother. Please forgive me. I’ll love you forever. Aura“. David schwant nichts Gutes und er hastet hinaus: tatsächlich, am Ufer des Sees findet er Auras Nachthemd. Davon ausgehend, daß sie sich ertränken will (oder schon hat), springt er ins nächtliche Wasser um sie zu retten. Doch alle Anstrengung ist vergebens, Aura bleibt in den Tiefen des Sees verschwunden. Bei seinen Rettungsversuchen übernimmt sich David derart selbst, daß er im Folgenden ins Krankenhaus eingeliefert wird.

Einschub: ein kleines plothole. Ich erklär mir das aber so: die Polizei hatte bei Lloyd ja Davids Name und Nummer (und damit seine Adresse) gefunden. Sie wollten ohnehin zu ihm, Judd kam ihnen mehr oder weniger nur dazwischen. Irgendwie sind sie wohl dann weiter zu David, haben ihn im See nach Aura rufen hören und den dann mittlerweile entkräfteten und unterkühlten David aus dem Wasser gezogen.

Im Krankenhaus bekommt David nur am Rande mit, wie Grace die Nachrichten verliest und verkündet, der Fall um den Kopfjäger sei nun aufgeklärt und es kehre wieder Ruhe ein.

Einige Zeit später; vermutlich Tage oder eher Wochen. David schlurcht auf der Straße herum und ruft von einer Telefonzelle aus Grace an. Er bittet sie, ihm ein Rezept zu beschaffen; er brauche dringend was. So wie es aussieht, ist David wieder zum Junkie mutiert, ob nun der Verlust von Aura oder das ihn mit Medikamenten vollstopfende Krankenhaus daran schuld ist, bleibt offen. Grace sagt widerwillig zu und etwas später sehen wir David, wie er sich in einer Apotheke Medikamente besorgt. Als er gerade beim Hinausgehen ist, fällt einem Angestellten auf, daß das Rezept gefälscht ist und er sprintet hinterher und will vor der Tür von David die Pillen wiederhaben. Dieser erklärt ihm, daß der Apotheker ihn mal am Arsch lecken könne, woraufhin der Weißkittel David kräftig eine aufs Maul zündet und ihm die Medikamente wieder abnimmt (die haben vielleicht Sitten in Juh Ess Ey…). David sitzt nun fertig vor der Apotheke und ist dem Spott und der Verachtung der vorbeilaufenden Passanten ausgesetzt, die ihm alle möglichen Beleidigungen an den Kopf werfen. Plötzlich sieht er in der Menge Auras Armreif und ist sofort wieder auf den Beinen. Er sieht nur eine Gestalt im dunklen Mantel in der Menge verschwinden und nimmt die Verfolgung auf.

Etwas später ist er in einer ruhigeren Vorstadtgegend gelandet. Er trifft einen kleinen Jungen und fragt ihn, ob er ein Mädchen in einem dunklen Mantel gesehen habe. Der Junge, es ist Gabriel, verneint zunächst aber nachdem David ihm versichert, ein sehr guter Freund des Mädchens zu sein, deutet Gabriel auf das Nachbarhaus. David klopft und jemand späht durch ein Sichtgitter heraus. Es ist aber nicht Aura und David entschuldigt sich für die Verwechslung. Dennoch mag er noch nicht so recht aufgeben und erfrischt sich in einer vor dem Haus stehenden Regentonne kurz. Da – in einer Wasserspiegelung – erkennt er ein vertrautes Gesicht am Fenster im oberen Stockwerk doch als er sich herumdreht, ist die Gestalt verschwunden. Diesmal ist er sich sicher: das war Aura. Also steigt er, genauso wie Gabriel ein paar Wochen vor ihm, durchs Erdgeschoßfenster in das Haus ein. Er schleicht die Treppe hinauf, stößt dabei aber gegen eine Vase. Obwohl er sie auffängt, verursacht er aber dennoch ein Geräusch, was unten jemanden mit schwarzen Handschuhen aufhorchen läßt.
David dringt derweil in das Zimmer ein, in dem er Aura vermutet. Doch er findet nur ein Labyrinth aus riesigen weißen Sticktüchern vor, auf denen der Name Nicholas eingestickt ist. David arbeitet sich durch die Tücher des, wie er nun erkennt, Kinderzimmers, als plötzlich der Mörder genau vor ihm steht. Er zieht David mit einer Keule eins über und schleppt ihn in den Keller, wo er ihn ankettet.

Als David wieder aus seiner Ohnmacht aufwacht, findet er seinen Kopf in Auras Schoß wieder.
Bild
Die Helden sind wieder vereint.

„Aura, ich hab gewusst, daß ich dich wiedersehen würde“, freut er sich. „Ich wußte auch, daß ich dich wiedersehen würde“, gibt Aura äußerst geistreich zurück. Aura klärt David auf, wer der Mörder sei. David hat sich bei seinem Anblick sowas schon gedacht, nur das Warum erschließt sich ihm nicht. Da muß auch Aura, trotz besserer Erinnerung an die Vergangenheit, passen. Sie sichert aber zunächst einmal ihren Kellerkäfig mit der Kette etwas ab, damit der Mörder nicht so leicht reinkommen kann.

Gabriel ist in der Zwischenzeit auch wieder in die Bude des Mörders eingestiegen (herrgottnochmal, kann der Typ eigentlich sein Fenster nicht verriegeln oder was?) und geht zu der Schublade, die er sich gemerkt hat. Er öffnet sie und zieht das DSG hervor. Wir wissen nicht, warum er das tut oder was ihn antreibt, darüber gibt der Film keine Auskunft.
Der Mörder hingegen will auch von dem DSG Gebrauch machen und kommt, um es zu holen. Gabriel kann sich gerade noch im Schrank verstecken, als der Mörder das Zimmer betritt. Er findet sein DSG nicht und ist darüber recht wütend, sodaß er gleich mal ein paar Möbel zerschmeisst. Darüber erschreckt sich Gabriel und macht im Schrank ein leises Geräusch, gerade als der Mörder das Zimmer wieder verlassen wollte. Nun ist dieser aufmerksam geworden und will den Schrank öffnen, doch das geht nicht; er scheint von innen verschlossen. Kein Problem für den Mörder, der sich einen Schürhaken holt und damit im Türspalt des Schrankes herumstochert, vielleicht trifft er ja was. Nachdem ihm klar ist, daß igrendjemand sich im Schrank versteckt, beginnt er mit dem Schürhaken das Türholz zu zerschlagen. Doch er wird unterbrochen: im Keller ruft David lautstark um Hilfe. Mit einem giftigen Blick auf den Schrank verschwindet der Mörder nach unten.

Unten im Keller erkennt er, daß er die Gittertür nicht öffnen kann, was ihn noch sauerer macht. Nach mehrmaligem Rütteln gibt schließlich ein Stützpfeiler nach, reißt ein Loch in die Kellerdecke und der Mörder kann in den Gitterkäfig eindringen. David stellt sich heldenhaft schützend vor Aura und will wissen, warum der Mörder all diese Leute getötet hat. Dieser erzählt ihm schließlich seine Geschichte, die sich um eine stürmische Regennacht, ein enthauptetes Baby und eine Elektroschocktherapie dreht. Das Motiv ist nun klar: Rache.
Im Loch über der Decke steht Gabriel und hört die Geschichte mit an. Er ist aus dem Schrank rausgekommen und steht nun im Zimmer, das genau über dem Keller liegt. Als der Mörder nun drohend auf David zugeht, beschließt Gabriel zu handeln. Er zielt kurz, drückt den Auslöseknopf und wirft das DSG hinunter; die Schlinge zieht sich um den Hals des Mörders und trennt ihm schließlich den Kopf ab. Gabriel beobachtet dies stumm und teilnahmslos.

Etwas später ist die Polizei da, auch die Presse. Aura wird sofort bedrängt, als sie das Haus verläßt, doch der Captain scheucht die Meute weg; er hat auch einige Fragen. Aber Aura scheint immer noch recht verdattert zu sein, eine zusammenhängende Antwort bekommt er jedenfalls nicht. Der Einzige, den sie überhaupt richtig wahrnimmt ist David, dem sie in die Arme fällt.
Bild
Geschafft! Happy End, das Pärchen darf zusammensein (nach Profondo Rosso übrigens erst zum zweiten Mal, daß bei Argento eine Liebesgeschichte positiv endet).

Der Alptraum ist endgültig vorbei.
Ende.



„Trauma“ war Argentos erste komplett amerikanische Produktion, und das merkt man dem Streifen streckenweise auch deutlich an, vor allen Dingen in der Erzählweise. Diese ist, typisch amerikanisch, wesentlich gradliniger als die europäischen Werke des Regisseurs. Dies brachte Argento viel Häme und Kritik ein, hervortretend der Vorwurf, zu viele Konventionen an den amerikanischen Mainstream gemacht zu haben. Das ist einerseits nicht ganz unrichtig, andererseits gibt es an dem Film zumindest vom technischen Standpunkt, bis auf Kleinigkeiten, nichts zu meckern. Die gerade bei Darios Filmen wichtigen Spezialeffekte wurden von FX-Guru Tom Savini in Szene gesetzt und sind auf hohem Niveau, sieht man mal vom deutlich sichtbaren Latex-Gummikopf des ersten Mordopfers ab. Auch hat Argento einiges an Bezügen zu seinem Vorbild Alfred Hitchock eingebaut, was gerade bei dem Amis gut ankommen sollte. So ist die Eröffnungsszene mit Auras Selbstmordabsicht eine Referenz an „Vertigo“ und Gabriels Beobachtungen des bösen Nachbarn erinnern nicht von ungefähr an „Fenster zum Hof“.
Auch in der Story hat man sich um Tiefe und Glaubwürdigkeit bemüht. Abgesehen von den fast unvermeidlichen Psychosen und Traumata aus Kindheitserinnerung, die auch hier wieder eingebaut werden, ist das zentrale Thema diesmal die Anorexie der Titelfigur. Das Bemühen, dieses gesellschaftliche Phänomen ins öffentliche Licht zu rücken und damit Aufmerksamkeit zu erregen und zur Debatte anzustiften kommt nicht von ungefähr und hat einen realen, traurigen Hintergrund. Inspiriert wurde die Darstellung von Anna Nicolodi, Darias Tochter und Asias Halbschwester, die tatsächlich an Magersucht litt. Sie verstarb kurz nach Veröffentlichung des Films, allerdings bei einem Rollerunfall. Im Film selbst ist sie auch kurz zu sehen, und zwar als Tänzerin der Reggaeband während der Schlußcredits. Obwohl die meisten Amerikaner wohl eher an Fettsucht leiden dürften, ist das Thema Anorexie nach wie vor im öffentlichen Fokus, nicht zuletzt durch die zweifelhaften Vorbilder der Modeindustrie und sogenannter Stardesigner, die ihre Klamotten für wandelnde Kleiderständer zu entwerfen scheinen und damit suggerieren, superschlank sei gesund. Schlank ja, mager aber definitiv nicht.

Die Geschichte in ihrer freudianischen Tiefe dominiert hier klar vor den Spezialeffekten und heraus kam ein für Darios Verhältnisse erstaunlich unblutiger Psychokrimi, der zwar mit den üblichen Giallo-Zutaten aufwarten kann (Blanke Brüste, schwarze Handschuhe, Point-of-View Kamera), aber ansonsten doch eher mit dem klassischen Giallo bricht, ist er doch nicht so „rough“ wie die Vorgänger. Von daher ist die Bezeichnung Krimi hier tatsächlich eher angebracht. Einziger Kritikpunkt, zumindest für mich, bleibt in dieser Story die Figur des Gabriel, gespielt als ein klassischer Dreikäsehoch-Nerd mit seltsamen Hobbies und Umgangsformen. Argento selbst hält aber die Kinder in seinen Filmen im allgemeinen für die Klügeren, wie er in einem Interview sagt: „Kinder sind rein, von der Gesellschaft noch nicht korrumpiert, sind noch nicht mit Kultur zugedröhnt; sie sind frei. Die Kindheit ist die Zeit der Freiheit, auch die Freiheit der Phantasie. Kinder sind auch klüger, sie verstehen die Welt besser. In meinen Filmen sind die Kinder immer klüger als die Erwachsenen, die Erwachsenen verstehen gar nichts, schauen Sie sich nur TRAUMA an.“ Wenn dies so, zumindest auf diesen Film, zutreffen würde, verhält sich Gabriel aber auch atypisch, insbesondere in der Szene, in der er das Drahtschlingengerät untersucht. Wie ein kluger Junge wirkt er dabei eher nicht. Daß ausgerechnet Gabriel dann am Ende den Mörder zur Strecke bringt, durch kaltblütiges und planvolles Vorgehen, erklärt Argento so: „Sie (die Kinder) begehen ein Verbrechen nicht von sich aus, sie werden dazu gebracht. Kinder können auch sehr grausam sein, aber diese Grausamkeit ist natürlich. Man könnte sagen, Erwachsene korrumpieren und instrumentalisieren kindliche Grausamkeit, sie lenken sie, das ist Erziehung.“ Ich denke eher nicht, daß Gabriels Mutter ihn zu seinen Taten erzogen hätte. Andererseits wird die Grausamkeit bestimmter Erziehungsmethoden durch die Figur von Adriana thematisiert; Aura ist ja ebenfalls ein Kind in diesem Kontext, wenn auch ein viel reiferes.
So läßt sich also feststellen, daß die Geschichte durchaus ihre Reize hat. Das finanzielle Desaster, in das der Film geriet (in den USA kam er nie in die Kinos und wurde in einer schlecht gekürzten Version auf dem Videomarkt schlicht verheizt) hat dieser tiefgängige und stellenweise sogar sensible Film nicht verdient.

Musikalisch korrespondiert der score mit den Bildern sehr harmonisch. Neben dem Titelscore „Aura“ bleibt besonders das von Laura Evan eingesungene „Ruby Rain“ sehr stark haften, das in seiner sanften Schönheit die Emotionalität der Szenen unterstreicht, insbesondere als David im nächtlichen, mondbeschienen See verzweifelt nach der ertrunken geglaubten Aura sucht. Argento wollte ursprünglich wieder seine Stammusiker von Goblin engagieren, aber die amerikanischen Produzenten wollten eine etwas „freundlichere“ Musik für das heimische Publikum und so wurde Pino Donaggio verpflichtet, der die orchestralen Klänge beisteuerte. Das hätte Simonetti sicherlich auch hinbekommen, aber Donaggio machte seine Sache ebenso sehr gut.

Bei den Schauspielern finden sich produktionsbedingt naturgemäß mehr Gesichter aus Übersee. Die männliche Hauptrolle des David wurde mit Christopher Rydell besetzt, der 1981 in „On golden pond“ mitspielte und damit einen recht beachtlichen Hauptrollen-Einstand ablieferte. Seinen bekanntesten Auftritt vor „Trauma“ lieferte er wohl 1985 in Jeff Kanew’s „Gotcha!“ ab, wo er den Part des Bob Jensen übernahm. Und wie es sich für einen guten amerikanischen Schauspieler gehört, hatte auch Rydell einen Gastauftritt im Star-Trek Franchise; 2002 in der Serie „Enterprise“ als außerirdischer Astronaut.
Für die damals 18jährige Asia Argento bezeichnete dieser Film ihre erste große Hauptrolle überhaupt und bedeutete gleichsam so etwas wie einen Durchbruch. Darios Tochter war mit ihrer Körpersprache und ihrem erfrischenden Anti-Hollywood Gesicht die ideale Besetzung für die innerlich zerrissene, fragile Figur der Aura. Asia, die ’86 ihren ersten Kinoauftritt als kleine Ingrid in Lamberto Bavas „Demoni 2“ hatte, hat mittlerweile eine erstaunliche Karriere gemacht und nicht nur in vielen Filmen völlig unterschiedlicher Stile mitgewirkt, sondern ist sogar selbst unter die Produzenten gegangen und hat auch schon eigene Regiearbeiten vorgelegt. In ihrer Vita finden sich Historien wie „Die Bartholomäusnacht“, „Les Miserables“ und „Marie Antoinette“ genauso wie Dramen a la „The heart is deceitful above all things“, „Une vielle maitresse“ oder dem fabelhaften „Scarlet Diva“. Neben Abstechern ins Actionkino wie in „XxX“ blieb sie dem Horrorgenre aber auch über die Jahre treu („Land of the dead“ z.B.), ebenso wie den Filmen ihres Vaters, von „La sindrome di Stendhal“ bis hin zu „La terza madre“.
Piper Laurie ist in der Rolle der Adriana Petrescu zu sehen. Die seinerzeit 61jährige Aktrice war und ist eine wandlungsfähige Darstellerin, die ihre Karriere 1950 an der Seite von Ronald Reagan in „Louisa“ startete, in zahlreichen TV-Produktionen mitwirkte (u.a. in „Twin Peaks“, „Emergency Room“ und der „Twilight Zone“) und 1986 einen Emmy einheimste für ihre Rolle der Annie im TV-Film „Promise“, in dem sie an der Seite von James Woods und James Garner spielte. Den Fans am bekanntesten dürfte ihre Rolle als Sissy Spaceks Mutter Margaret in de Palmas Schocker „Carrie“ sein, für den sogar für den Oscar nominiert wurde; neben nur sieben anderen Schauspielerinnen, für die eine Nominierung für einen Horrorfilm überhaupt ausgesprochen wurde.

In weiteren Rollen sehen wir Frederic Forrest als Dr. Judd, dessen Gesicht uns noch vertraut ist als Captain Jenko aus der „21 Jump Street“ oder aber, völlig gegensätzlich, als Jay „Chef“ Hicks aus Coppolas düsterem Epos „Apocalypse Now“. Auch Laura Johnson, die die Fernsehmoderatorin Grace mimt, kennen wir irgendwoher; richtig: als Terry Ranson spielte sie in 80 Folgen der TV-Schmonzette „Falcon Crest“ mit und taucht auch sonst recht häufig in Serien auf, wie z.B. in „Nash Bridges“, „JAG“ oder „Without a trace“.
James Russo, der hier den Captain Travis mimt, ist auch so ein vielgesehenes Seriengesicht, von „Miami Vice“ über „CSI“ bis hin zu „Numb3rs“ ist so ziemlich alles dabei, aber auch in vielen Filmen spielte der Mime mit. Mir persönlich ist er zuletzt im 2006 gedrehten „All in“ aufgefallen, der die Geschichte von „21“ vorwegnimmt, allerdings mit dem falschen Kartenspiel.
Nicht unerwähnt bleiben darf Brad Dourif als Dr. Lloyd. Der vielbeschäftigte Schauspieler taucht eigentlich überall mal auf, einen Überblick zu geben ist da eher schwer. Herauszuheben sind sicherlich seine filmischen Auftritte in „Dune“, „Blue Velvet“, „Mississippi Burning“ und „Lord of the Rings“. Im TV konnte man in „Miami Vice“, „Moonlightning“, „The X-Files“ und „Wild Palms“ ebenso sehen wie (natürlich) in Star Trek, als psychopathischen Crewman Lon Suder in „Voyager“. Auch seine Stimme ist recht bekannt, spricht er doch den „Chucky“ in den gleichnamigen Filmen im Original.
Zwei Gesichter fallen bei näherem Hinsehen noch auf (zumindest mir). Zum einen ist Darios Töchterlein Fiore ebenfalls wieder mit dabei (was das Ganze schon fast wie einen Familienausflug in die Staaten erscheinen läßt) in einer Nebenrolle als Rezeptionistin der Faraday-Klinik. Und zum anderen sehen wir Jacqueline Kim als Lindas lesbische Freundin Alice. Und wer ist diese Kim nun? Trekkies reicht ein Blick um zu wissen: das ist Sulu’s Tochter Demora aus „Star Trek: Generations“ von der Kirk ja sagte, es wäre nicht mehr die Enterprise, wenn kein Sulu am Steuer stehen würde.



Schlußbetrachtung
Es gibt über „Trauma“ nicht so viel zu sagen, wie über die anderen Argentofilme bis dato. Warum das so ist, liegt sicherlich in der Tatsache begründet, daß dieser Film in der Tat den Gesetzmäßigkeiten des mainstreams folgt und daher nicht an die teils außergewöhnlichen vorherigen Filme von Argento heranreicht. Obwohl nichts falsch gemacht wurde, ist vielleicht gerade das der Fehler. Man vermißt beim Betrachten einfach das Argentoeske, das Traumwandlerische, das Eigene. Die Bezüge zu den Künsten, die sonst so wichtig für Dario sind, fehlen hier fast völlig und somit ein wichtiger Indikator für die Filme des Italieners. Auch wenn sein nächster Streifen in diesem Punkt mehr als entschädigt, bleibt von „Trauma“ dennoch das Gefühl zurück, zwar einen guten Film gesehen zu haben, dem aber irgendwie ein Quentchen gefehlt hat; ein Quentchen, das man zwar nicht genau benennen kann, aber dennoch irgendwie vermißt.
Antworten